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Rechtsprechung


Aktenzeichen: 3 Ws 441/97 OLG Hamm

Senat: 3

Gegenstand: Beschwerde

Stichworte: kein Widerruf wegen neuer Straftat trotz vorliegender Verurteilung, Unterhaltspflichtverletzung, Widerruf von Strafaussetzung zur Bewährung

Normen: 56 f, StGB 170 b


Beschluss: Strafsache gegen S.E.
wegen Verletzung der Unterhaltspflicht,
(hier: Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung).

Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten vom 16.08.1997 gegen den Beschluss der 22 b. Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bielefeld vom 04.08.1997 hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 22.01.1998 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Staatskasse.

Gründe:
I. Der Senat hatte dem Beschwerdeführer bereits mit Beschluss vom 02.10.1997 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde gewährt und gleichzeitig die Entscheidung über die sofortige Beschwerde für drei Monate zurückgestellt. Hinsichtlich des Sachstandes wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf den vorgenannten Beschluss des Senats Bezug genommen. Darüber hinaus ist der Verurteilte zwischenzeitlich durch seit dem 24.12.1997 rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts Velbert vom 16.12.1997 wegen Verletzung der Unterhaltspflicht zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten unter Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt worden (AG Velbert 20 Ds 25 Js 320/97). Das Amtsgericht Velbert hat folgende Feststellungen getroffen:

”Der Angeklagte ist der nichteheliche Vater der Kinder A.T., geboren am 27. März 1986, und M.H., geboren am 22. Juni 1987. Seit seiner letzten Haftentlassung am 23. Januar 1996 leistet der Angeklagte keinen Unterhalt und kümmert sich auch nicht ausreichend um eine Arbeitsstelle, obwohl er bei zumutbarer Anstrengung eine solche finden könnte, die ihn die Lage versetzen würde, Unterhaltsleistungen zu erbringen.

Die Kinder leben bei ihrer jeweiligen Mutter und werden von ihnen unterhalten bzw. erhalten Sozialhilfe.

Der Angeklagte hat sich einer Unterhaltspflichtverletzung schuldig gemacht. Dies steht zur Überzeugung des Gerichts aufgrund des Ergebnisses der Hauptverhandlung fest. Der Angeklagte hat nicht alle Anstrengungen unternommen, um einen Arbeitsplatz zu bekommen.

Er war daher gemäß § 170 b StGB zu bestrafen.”

Die nach der Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist des § 311 Abs. 2 StPO auch im übrigen zulässige (§§ 454 Abs. 3, 453 Abs. 2 S.2 StPO, §§ 57 Abs. 3, 56 f StGB) sofortige Beschwerde ist begründet. Die Strafvollstreckungskammer hat mit dem angefochtenen Beschluss zu Unrecht die Aussetzung der Restfreiheitsstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Velbert vom 12.12.1991 durch Beschluss des Landgerichts Bielefeld vom 09.01.1996 widerrufen. Der Widerruf war hier weder gemäß §§ 57 Abs. 3, 56 f Abs. 1 Nr. 2 StGB wegen eines gröblichen oder beharrlichen Verstoßes gegen die Weisungen zu Ziffer 4 und 5 des Bewährungsbeschlusses .vom 09.01.1996 noch - angesichts der Verurteilung durch das Amtsgericht Velbert mit Urteil vom 16.12.1997 - gemäß §§ 57 Abs. 3, 56 f Abs. 1 Nr. 1 StGB aufgrund neuerlicher Straffälligkeit während der Bewährungszeit gerechtfertigt. Es kann nämlich nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer schuldhaft und bei gegebener Leistungsfähigkeit keine Unterhaltsleistungen für seine beiden nichtehelichen Söhne A.T. und M.H. erbracht und sich dadurch wiederum der Unterhaltspflichtverletzung gemäß § 170 b StGB strafbar gemacht hat. Ebenso wenig kann festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer sich nicht ausreichend um eine feste versicherungspflichtige Arbeit bemüht oder gegen die ihm erteilte Weisung, stets feste Arbeit zu behalten, gröblich und beharrlich verstoßen hätte. Insoweit sind der Sachverhalt, der den Widerrufsbeschluss der Strafvollstreckungskammer vom 04.08.1997 und derjenige, der dem Urteil des Amtsgericht Velbert vom 16.12.1997 zugrunde liegt, identisch. Der Senat hat die Akten des Amtsgericht Velbert zu dem Verfahren 20 Ds 25 Js 320/97 beigezogen und festgestellt, dass es sich um ein Verfahren handelt, das auf Anregung der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bielefeld auf der Grundlage der dort im vorliegenden Widerrufsverfahren getätigten Ermittlungen aufgenommen worden ist, ohne dass dort nach Aktenlage weitere tatsächliche Erkenntnisse gewonnen werden konnten. Insbesondere verlief eine am 15.04.1997 erfolgte Durchsuchung der Wohnung des Beschwerdeführers nach Schriftstücken zu Arbeitsverhältnissen, Verdienstbescheinigungen, Kontounterlagen u.a. ergebnislos.

Auf der Grundlage dieses Sachverhaltes kann aber gerade nicht zuverlässig festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in der Zeit nach seiner Haftentlassung am 23.01.1996 durch eigenes Verschulden nicht in der Lage war, eine Arbeitsstelle zu finden, die ihm erlaubt hätte, Unterhaltszahlungen zugunsten seiner beiden nichtehelichen Söhne zu erbringen. Allein unter diesem Gesichtspunkt käme hier ein schuldhafter Weisungsverstoß bzw. ein gemäß § 170 b StGB strafbares Verhalten des Beschwerdeführers in Betracht, da dieser seit dem genannten Zeitpunkt bis heute abgesehen von einer kurzen Unterbrechung im September 1997 arbeitslos war und lediglich zunächst Arbeitslosengeld - von dem ein, wenn auch nur geringer, Unterhaltsbetrag einbehalten worden war - und sodann Arbeitslosenhilfe bezog, von der derzeit wöchentlich 23,94 DM als Unterhaltsleistung abgezweigt werden, wie sich aus einem Bericht des von der Generalstaatsanwaltschaft auf Bitte des Senates eingeschalteten Gerichtshelfers bei der Staatsanwaltschaft Essen vom 15.12.1997 ergibt. Ein Widerruf käme hier daher nur dann in Betracht, wenn der Beschwerdeführer seine Arbeitslosigkeit schuldhaft herbeigeführt hätte. Davon kann aber weder unter Zugrundelegung der Ermittlungen der Strafvollstreckungskammer noch auf der Grundlage des Urteils des Amtsgerichts Velbert vom 16.12.1997 ausgegangen werden.

Der Beschwerdeführer hat für den Zeitraum vom 21.11.1996 bis April 1997 insgesamt 10 Bescheinigungen verschiedener Arbeitgeber vorgelegt, wonach er sich bei diesen erfolglos um eine Arbeitsstelle beworben hatte. Das Arbeitsamt Essen hatte in etwa auch für den genannten Zeitraum erklärt, dass die Vermittlungschancen des Beschwerdeführers in seinem erlernten Beruf als Maler zum Jahreswechsel saisonbedingt schlecht gewesen seien und er auch nicht die Zugangsvoraussetzungen für eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme erfülle, so dass er auch nicht in den ABM-Bereich vermittelt werden könne. Angesichts der Unfähigkeit des Arbeitsamtes, den Beschwerdeführer in eine Arbeitsstelle zu vermitteln und angesichts der von ihm dokumentierten eigenen Bemühungen um eine Arbeitsstelle bleibt unerfindlich, welche konkreten Bemühungen der Beschwerdeführer noch hätte unternehmen sollen, um eine Arbeitsstelle zu finden, die ihm ermöglichen würde, höhere Unterhaltsleistungen zu erbringen. Soweit die Strafvollstreckungskammer ihn darauf verweisen möchte, er möge beispielsweise Zeitungen austragen, dürfte eine solche Nebenerwerbstätigkeit die Leistungsfähigkeit des Beschwerdeführers kaum erhöhen, zumal die Strafvollstreckungskammer sich nicht damit auseinandergesetzt hat, inwieweit ein derartiges Zusatzeinkommen auf die Arbeitslosenhilfe angerechnet wird. Auch das (Amtsgericht) Velbert hat keinerlei konkrete Feststellungen in dieser Richtung getroffen. Das Amtsgericht hat offenkundig nur Vermutungen angestellt und den Beschwerdeführer allein aufgrund derartiger Mutmaßungen verurteilt. Ausweislich des dem Senat vorliegenden Sitzungsprotokolls des Amtsgerichts Velbert hatte der Beschwerdeführer dort nämlich seine Leistungsfähigkeit und seine Vermittlungsmöglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt vehement bestritten, gleichwohl hat ihn das Amtsgericht ohne Durchführung einer Beweisaufnahme verurteilt. Trotz der Rechtskraft dieses Urteils sieht sich der Senat daher außerstande, dieses als Grundlage für eine Widerrufsentscheidung gemäß § 56 f Abs. 1 Nr. 1 StGB heranzuziehen.

Endlich begründet auch der Umstand, dass der Beschwerdeführer seine im September 1997 innegehaltene Arbeitsstelle wieder verloren hat, nicht den Widerruf der Strafaussetzung. Der Verlust der Arbeitsstelle stellt sich vielmehr nach dem Bericht der Gerichtshilfe als unverschuldet dar. Der Beschwerdeführer hatte am 15.09.1997 anlässlich eines Fußballspiels einen Sportunfall mit Wirbelsäulenprellung sowie Bandscheibenbeschwerden, der zu einer zweiwöchigen Krankschreibung führte, mit der Folge, dass das nur auf Probe bestehende Arbeitsverhältnis seitens des Arbeitgebers gekündigt wurde. Bei dieser Sachlage kann ein selbstverschuldeter Verlust der Arbeitsstelle durch den Beschwerdeführer nicht festgestellt werden. Das Fußballspielen in seiner Freizeit war dem Beschwerdeführer auch unter Zugrundelegung der Weisungen aus dem Bewährungsbeschluss gestattet. Anhaltspunkte dafür, dass der Sportunfall in irgendeiner Weise von ihm schuldhaft herbeigeführt worden wäre, etwa im Hinblick darauf, krankfeiern zu dürfen, bestehen nicht.

Zwar erhielt der Beschwerdeführer für den Monat September einen Verdienst in Höhe von 1.436,- DM, es kann aber unter Zugrundelegung des Berichtes der Gerichtshilfe nicht festgestellt werden, dass von diesem Verdienst keine Unterhaltsbeiträge gezahlt worden sind. Im übrigen würde es sich auch nur um einen Monat handeln, in dem der Beschwerdeführer trotz möglicherweise gegebener Leistungsfähigkeit keinen Unterhalt an seine beiden nichtehelichen Söhne gezahlt hätte, was für sich genommen ebenfalls nicht den Widerruf der Strafaussetzung rechtfertigen könnte, zumal für die Leistungsfähigkeit des Beschwerdeführers nicht allein dieser eine Monat der Erwerbstätigkeit maßgebend ist, vielmehr auf einen längeren Zeitraum abzustellen und dabei ggf. ein durch längere Zeiten unverschuldeter Arbeitslosigkeit entstandener Nachholbedarf des Unterhaltspflichtigen zu berücksichtigen ist (Senat, Beschluss vom 02.09.1997 - 3 Ss 921/97 OLG Hamm -).

Der angefochtene Beschluss war daher aufzuheben.

Angesichts der am 24.01.1998 ablaufenden Bewährungszeit wird sich die Strafvollstreckungskammer nunmehr mit der Frage des Straferlasses zu befassen haben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 StPO.


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