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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 3 Ss 1114/97 OLG Hamm

Leitsatz: Zu den erforderlichen Feststellungen hinsichtlich der inneren Tatseite einer Straßenverkehrsgewährung

Senat: 3

Gegenstand: Revision

Stichworte: Straßenverkehrsgefährdung durch rücksichtsloses Überholen, Vorsatz, Vorbelastungen

Normen: StGB 315 c StGB ,

Beschluss: Strafsache gegen W.G.,
wegen vorsätzlicher Straßenverkehrsgefährdung u.a..

Auf die Sprungrevision des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Dorsten vom 07.05.1997 hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 20.11.1997 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Landgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft gemäß § 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Dorsten zurückverwiesen.

Gründe:
Das Amtsgericht Dorsten hat den Angeklagten wegen vorsätzlicher Straßenverkehrsgefährdung tateinheitlich mit fahrlässiger Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 60,- DM verurteilt. Ferner hat es ihm für die Dauer von drei Monaten untersagt, Kraftfahrzeuge jeder Art im Straßenverkehr zu führen, wobei dieses Fahrverbot durch die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis durch Beschluss vom 28.09.1996 abgegolten sein sollte. Nach den zugrundeliegenden Feststellungen befuhr der Angeklagte am 09.07.1996 gegen 16.25 Uhr mit seinem PKW Mazda die Straße ”An der Wienbecke” in Richtung Norden. Vor ihm befand sich die Zeugin N. mit ihrem Fahrzeug, vor dem sich wiederum weitere Fahrzeuge befanden. Der Angeklagte überholte das von der Zeugin N. gesteuerte Fahrzeug, scherte vor diesem Fahrzeug aber nicht wieder auf die rechte Fahrspur ein, sondern blieb weiter auf der linken Fahrspur, um zwei oder drei weitere Fahrzeuge zu überholen. Er blieb auch vor einer Linkskurve, die er nicht einsehen konnte, auf der linken Fahrbahn und stieß dort mit einem entgegenkommenden LKW zusammen. Bei dem Verkehrsunfall wurde die Beifahrerin des Angeklagten schwer verletzt; sie erlitt einen Halswirbelbruch, Rippenbrüche, einen Zehenbruch sowie Schnittwunden. Nach der vom Amtsgericht wiedergegebenen Aussage der Zeugin N. habe der Angeklagte keine Möglichkeit gehabt, vor dem LKW wieder auf die rechte Fahrbahnhälfte einzuscheren, da die von ihm überholten Fahrzeuge dicht hintereinander hergefahren seien.

Der Angeklagte hatte sich dahin eingelassen, er sei davon ausgegangen, den von ihm begonnenen Überholvorgang auch gefahrlos beenden zu können, er habe sich aber wohl in dem Beschleunigungsvermögen seines Fahrzeugs, das er erst seit kurzer Zeit besessen habe, verschätzt. Zuvor habe er nämlich einen PKW mit einem wesentlich stärkeren Motor gefahren. Seine Geschwindigkeit beim Überholen habe etwa 100 km/h betragen.

Das Amtsgericht hat ein grob verkehrswidriges und rücksichtsloses Falschüberholen durch den Angeklagten zugrundegelegt und dies darin gesehen, dass der Angeklagte überholt habe, obwohl er aufgrund der für ihn nicht einsehbaren Linkskurve nicht habe davon ausgehen können, den Überholvorgang ohne Gefährdung des Gegenverkehrs beenden zu können. Durch sein Verhalten habe der Angeklagte fahrlässig eine schwere Gesundheitsbeschädigung bei der Zeugin G. verursacht.

Bei der Strafzumessung hat das Amtsgericht den von ihm zugrundegelegten Strafrahmen nicht mitgeteilt, zu Lasten des Angeklagten hat es u.a. berücksichtigt, dass dieser wegen eines Verkehrsverstoßes beim Überholen vorbelastet sei. Sein Auszug aus dem Verkehrszentralregister weise eine entsprechende Eintragung wegen Überholens trotz Überholverbots aufgrund Verkehrszeichens 276 auf. Nähere Angaben zu der Vorbelastung enthält das angefochtene Urteil nicht.

Dieses Urteil greift der Angeklagte mit seiner frist- und formgerecht eingelegten und begründeten Sprungrevision sowohl mit der Verfahrensrüge als auch mit der allgemeinen Sachrüge an. Der Angeklagte wendet sich mit der Verfahrensrüge gegen die Verwertung der Vorbelastung, obwohl nach dem Sitzungsprotokoll zu den Vorstrafen des Angeklagten festgestellt sei, dass ”keine Belastungen” vorlägen. Mit der Sachrüge greift der Angeklagte die Verurteilung wegen vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs an.

Die zulässige Revision des Angeklagten hat bereits auf die Sachrüge einen zumindest vorläufigen Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils mit den zugrundeliegenden Feststellungen sowie zur Zurückverweisung der Sache an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Dorsten.

Die Feststellungen des angefochtenen Urteils tragen nicht die Verurteilung wegen einer vorsätzlichen Gefährdung des Straßenverkehrs durch falsches Überholen gemäß §§ 315 c Abs. 1 Nr. 2 b; Abs. 3 Nr. 1; 11 Abs. 2 StGB. Aus den Urteilsfeststellungen lässt sich zwar noch entnehmen, dass der Angeklagte grob verkehrswidrig falsch überholt und dadurch objektiv einen besonders schweren Verstoß gegen die Verkehrsvorschriften, nämlich gegen die Bestimmungen der §§ 1 Abs. 2 S.1, 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO begangen hat, indem er das Fahrzeug der Zeugin N. und die sich davor befindlichen Fahrzeuge trotz der für ihn nicht einsehbaren Linkskurve überholte. Zur inneren Tatseite fehlen jedoch die für eine Verurteilung ausreichenden Feststellungen. Der Angeklagte hätte nämlich nur dann vorsätzlich rücksichtslos gehandelt, wenn er sich im Straßenverkehr aus eigensüchtigen Gründen über die sich aus den genannten Verkehrsvorschriften für ihn ergebenden Pflichten hinweggesetzt hätte, während eine innere Einstellung der Art, dass der Täter aus Gleichgültigkeit von vornherein Bedenken gegen sein Verhalten nicht aufkommen lässt und deshalb die Gefährlichkeit seiner Fahrweise und das mit ihr verbundene hohe Unfallrisiko nicht erkennt, nur den Vorwurf einer fahrlässig rücksichtslosen Fahrweise zu begründen vermag (vgl. Schönke/Schröder-Cramer, StGB, 25. Aufl., § 315 c Rdnr. 30 m.w.N.; BayObLG, VRS 64, 123, 124 f; ferner: BGH, VRS 50, 342, 343; OLG Köln, VRS 48, 205, 206 f; OLG Koblenz, VRS 64, 125, 126; OLG Koblenz, VRS 71, 278, 279 f; OLG Düsseldorf, VRS 79, 370, 371; OLG Koblenz, NZV 1993, 318, 319).

Den Feststellungen des Amtsgerichts kann aber bereits nicht entnommen werden, aus welchen Gründen, aufgrund welcher Motivationslage, sich der Angeklagte zu dem gefährlichen Überholmanöver entschlossen hatte, so dass ein von eigensüchtigen Motiven getragenes Verhalten des Angeklagten gerade nicht festgestellt ist. Hinzu kommt, dass auch keine näheren Feststellungen zu der konkreten Verkehrslage vom Beginn des Überholmanövers bis zum Zusammenstoß mit dem entgegenkommenden LKW getroffen worden sind. Es bleibt unklar, wie weit entfernt der Angeklagte beim Beginn des Überholmanövers von der für ihn nicht einsehbaren Linkskurve war, wie sich die Sichtweite hinsichtlich des Gegenverkehrs für ihn während des Überholvorgangs entwickelte und an welcher Stelle genau - noch vor oder im Verlauf der Linkskurve - es endlich zum Zusammenstoß kam. Auch ist nicht festgestellt, ob der Angeklagte von vornherein die Absicht hatte, mehrere Fahrzeuge zu überholen, oder ob er, was nach den Bekundungen der Zeugin N. nahe liegt, aufgrund der dicht hintereinander herfahrenden Fahrzeuge auf dem für ihn rechten Fahrstreifen nicht mehr rechtzeitig auf die rechte Fahrbahnhälfte einscheren konnte. Auch hätte sich das Amtsgericht im Hinblick auf das Vorliegen eigensüchtiger Motive näher mit der Einlassung des Angeklagten auseinandersetzen müssen, er habe das Beschleunigungsvermögen seines Fahrzeugs falsch eingeschätzt, wobei allerdings allein die Hoffnung, trotz des verkehrswidrigen Verhaltens werde nichts passieren, den Vorwurf der Rücksichtslosigkeit regelmäßig nicht ausschließen wird (Schönke/Schröder/Cramer, a.a.O., Rdnr. 31; OLG Köln, VRS 48, 205, 206; OLG Koblenz, VRS 64, 125, 126). Allein die Feststellung, der Angeklagte habe überholt, obwohl er angesichts der für ihn nicht einsehbaren Linkskurve nicht habe davon ausgehen können, den Überholvorgang ohne Gefährdung des Gegenverkehrs beenden zu können, trägt damit die Verurteilung wegen eines vorsätzlich rücksichtslosen Verhaltens nicht, vielmehr hätte es hierzu der zusätzlichen Feststellung bedurft, dass der Angeklagte sich in der beschriebenen Verkehrssituation gleichwohl zum Überholen entschlossen hatte, etwa nur deshalb, um geringfügig schneller voranzukommen. Sofern das Amtsgericht aufgrund der neuerlichen Hauptverhandlung nur wird feststellen können, dass der Angeklagte aus Gleichgültigkeit von vornherein Bedenken gegen sein Verhalten nicht hatte aufkommen lassen, dürfte hingegen eine fahrlässige Begehungsweise nahe liegen. Ob auch unter diesen Umständen eine vorsätzliche Straßenverkehrsgefährdung jedenfalls dann vorliegt, wenn der Täter die Gefährlichkeit seiner Fahrweise als solche in seinen Vorsatz aufgenommen hat (so BayObLG, VRS 64, 123, 124 f), musste hier in Ermangelung entsprechender Feststellungen in dem angefochtenen Urteil nicht entschieden werden.

Das Urteil des Amtsgerichts war daher bereits im Schuldspruch mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufzuheben.

Für die erneute Hauptverhandlung weist der Senat vorsorglich darauf hin, dass auch der Rechtsfolgenausspruch des angefochtenen Urteils nicht frei von Rechtsfehlern ist. Es fehlt bereits an der erforderlichen Angabe des der Rechtsfolgenbemessung zugrundegelegten Strafrahmens. Da das Amtsgericht hier von einer nur fahrlässigen Verursachung der konkreten Gefahr für die geschädigte Zeugin G. ausgegangen ist, wäre die Anwendung des Strafrahmens aus § 315 c Abs. 3 Nr. 1 StGB geboten gewesen. Hierüber verhält sich das angefochtene Urteil jedoch nicht, vielmehr wird die genannte Bestimmung dort an keiner Stelle, auch nicht in der Liste der zur Anwendung gebrachten Strafgesetze im Anschluss an den Urteilstenor, erwähnt. Dem Senat ist damit die Überprüfung verwehrt, ob das Amtsgericht von einem zutreffenden Strafrahmen ausgegangen ist. Darüber hinaus hätte das Amtsgericht die sich aus dem Verkehrszentralregister ergebende Vorbelastung des Angeklagten nur dann zu seinem Nachteil verwenden dürfen, wenn es die Rechtskraft des zugrundeliegenden Bußgeldbescheides bzw. der zugrundeliegenden gerichtlichen Bußgeldentscheidung mitteilt. Anderenfalls ist dem Senat nämlich nicht die Überprüfung ermöglicht, ob die entsprechende Vorbelastung überhaupt noch gegen den Angeklagten verwertbar i.S.d. §§ 13 a StVZO, 29 StVG, 51 BZRG gewesen ist (vgl. BGH NZV 1993, 485, 488). Das Amtsgericht hat deshalb die tatsächlichen Voraussetzungen der Verwertbarkeit der fraglichen Vorbelastung so darzulegen, dass das Rechtsbeschwerdegericht die Tilgungsreife der Entscheidung selbständig überprüfen kann (BGH, a.a.O.). Die zweijährige Tilgungsfrist beginnt bei einer gerichtlichen oder verwaltungsbehördlichen Entscheidung wegen einer Ordnungswidrigkeit mit dem Tag der Rechtskraft oder Unanfechtbarkeit der beschwerenden Entscheidung (§ 13 a Abs. 1 S.4, Abs. 2 Nr. 1 a StVZO). Auf die Angabe dieser Daten konnte deshalb nicht verzichtet werden (vgl. BGH, a.a.O.).


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