Aktenzeichen: 3 Ss OWi 1279/97 OLG Hamm
Leitsatz: 1. Die Verletzung der Bestimmungen über die Verantwortlichkeit als Fahrzeugführer geht aber der Verletzung der Bestimmungen über die Verantwortlichkeit als Halter vor.
2. Zu den Anforderungen an die Feststellungen hinsichtlich eines vorsätzlichen Verstoßes gegen § 22 StVO (falsche Beladung).
3. Allein der Umstand, dass der Betroffene an seiner ihn entlastenden Einlassung festgehalten hat, kann dem Betroffenen nicht bußgelderhöhend entgegengehalten werden.
Senat: 3
Gegenstand: OWi
Stichworte: Verantwortlichkeit als Halter oder als Fahrzeugführer, Bemessung der Gelbuße, fehlende Unrechtseinsicht, Sicherung von Ladung, Rechtsbeschwerde, VDI-Richtlinie 2700, Vorsatz
Normen: StVO 22, StVZO 31 Abs. 2 StVZO 69 a StVZO .
Beschluss: Bußgeldsache gegen T.B.,
wegen vorsätzlichen Verstoßes gegen §§ 31 Abs. 2, 69 a StVZO.
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Bielefeld vom 08.07.1997 hat der 3. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 25. November 1997 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Landgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft gemäß § 79 Abs. 5 S.1 OWiG beschlossen:
Das angefochtene Urteil wird mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Bielefeld zurückverwiesen.
Gründe:
I. Das Amtsgericht Bielefeld hat gegen den Betroffenen wegen vorsätzlichen Verstoßes gegen §§ 31 Abs. 2, 69 a StVZO eine Geldbuße in Höhe von 300,- DM verhängt. Nach den zugrundeliegenden Feststellungen befuhr der Betroffene am 28.06.1996 gegen 08.05 Uhr mit seinem PKW und Anhänger die Babenhauser Straße in Bielefeld-Babenhausen. Der Anhänger hatte auf der Ladebordwand zum Zweck der Ladungssicherung ein umlaufendes Stahlgeländer. Beladen war er mit einem Rüttler, Weber RC 482, Betriebsgewicht 181 Kilo - hinten rechts, weiterhin mit 35 Betonplatten, ca. 50 x 50 x 4 cm, vorne links hochkant hintereinandergestellt, darüber hinaus mit zwei Schubkarren, die rechts hintereinander und längs mit der Mulde nach vorn auf dem Hänger lagen und schließlich mit drei Schippen und einem Besen, die vorne rechts längs auf dem Hänger lagen. Das Ladungsgut war nicht durch zusätzliche Maßnahmen, etwa durch das Anbringen von Zurrgurten, gegen Verrutschen gesichert. Die Einlassung des Betroffenen, die Ladung sei durch die Art der Anordnung auf dem Hänger derart ineinander verkeilt gewesen, dass ein Verrutschen oder eine sonstige Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit ausgeschlossen gewesen sei, hat das Amtsgericht als widerlegt angesehen und den Beweisantrag des Betroffenen, die Richtigkeit seiner Einlassung durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu überprüfen, mit der Begründung zurückgewiesen, dass es selbst über die nötige Sachkunde verfüge, um die Frage beantworten zu können, ob die Ladung durch die bloße Anordnung verkehrsgerecht gesichert war. Das Amtsgericht ist von vorsätzlicher Begehungsweise durch den Betroffenen ausgegangen und hat die von ihm zugrundegelegte Regelgeldbuße nach der Bußgeldkatalogverordnung in Höhe von 150,- DM aufgrund dieses Umstandes sowie aufgrund der "fehlenden Unrechtseinsicht" des Betroffenen auf 300,- DM erhöht.
Gegen dieses Urteil wendet sich die form- und fristgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde des Betroffenen, die dieser bereits mit der Einlegungsschrift vom 16.07.1997 mit der Rüge der Verletzung formellen und sachlichen Rechts begründet hat.
II. Die zulässige Rechtsbeschwerde des Betroffenen hat bereits auf die Sachrüge einen zumindest vorläufigen Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils mit den zugrundeliegenden Feststellungen sowie zur Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht Bielefeld.
Zu beanstanden ist zunächst, dass das Amtsgericht den Betroffenen als Halter wegen einer Verkehrsordnungswidrigkeit gemäß §§ 31 Abs. 2, 69 a Abs. 5 Nr. 3 StVZO, § 24 StVG verurteilt hat, obwohl der Betroffene das Fahrzeug zur Tatzeit selbst geführt hatte. Damit hat der Betroffene nämlich gleichzeitig eine Verkehrsordnungswidrigkeit als Fahrzeugführer gemäß §§ 22 Abs. 1; 23 Abs. 1 Satz 2; 49 Abs. 1 Nr. 21, 22 StVO, § 24 StVG begangen. Die Verletzung der Bestimmungen über die Verantwortlichkeit als Fahrzeugführer geht aber der Verletzung der Bestimmungen über die Verantwortlichkeit als Halter vor (Koblenz, VRS 63, 150; Düsseldorf VM 1973, 64; Jagusch/Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 34. Aufl., § 31 StVZO Rdnr. 18), während die gleichzeitig verletzte Halterpflicht allein bußgelderhöhend berücksichtigt werden kann (Hamm, NJW 1974, 2100; Jagusch/Hentschel, a.a.O.).
Dieser Rechtsfehler konnte auch nicht durch eine bloße Schuldspruchberichtigung korrigiert werden. Die Feststellungen des angefochtenen Urteils tragen nämlich weder die Verurteilung wegen eines Verstoßes gegen §§ 22 Abs. 1; 23 Abs. 1 Satz 2 StVO noch eine solche wegen eines Verstoßes gegen § 31 Abs. 2 StVZO, noch weniger tragen sie die Verurteilung des Betroffenen wegen vorsätzlicher Begehungsweise.
Voraussetzung für die Erfüllung der Tatbestände der §§ 22 Abs. 1; 23 Abs. 1 Satz 2 StVO; 31 Abs. 2 StVZO ist, dass die Verkehrssicherheit durch die Art der Beladung des Fahrzeugs bzw. Anhängers beeinträchtigt ist. Diese Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit hätte das Amtsgericht durch konkrete Feststellungen untermauern und darüber hinaus auch die Umstände feststellen müssen, aus denen sich ergeben soll, dass der Betroffene die - unterstellte - Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit zumindest bedingt vorsätzlich herbeigeführt hat.
Zur Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit durch die Art der Beladung des Anhängers hat das Amtsgericht zwar festgestellt, dass die Möglichkeit des Verrutschens der gestellten und nicht gesondert gesicherten Betonplatten ebenso gegeben gewesen sei, wie die des Verrutschens des Rüttlers, und dass dem nur durch den Einsatz von Zurrgurten hätte begegnet werden können. Aus welchen Gründen das von ihm angenommene Verrutschen der Ladung möglich gewesen sein soll, teilt das Amtsgericht in den Urteilsgründen hingegen nicht mit. Insbesondere setzt sich das Amtsgericht nicht mit der Einlassung des Betroffenen auseinander, die Ladung sei bereits durch die Art der Anordnung des Ladegutes auf der Ladefläche gegen ein Verrutschen hinreichend gesichert gewesen. Näherer Ausführungen hierzu hätte es aber nur dann nicht bedurft, wenn ohne weiteres als selbstverständlich davon ausgegangen werden kann, dass nicht durch Zurrgurte gesicherte Ladung auf der Ladefläche eines Anhängers in jedem Fall verrutschen kann. Für eine solche Annahme ergeben sich aber weder aus den Urteilsgründen noch sonst aus allgemeinkundigen Erkenntnissen genügende Anhaltspunkte. Insbesondere sieht auch die nach gefestigter obergerichtlicher Rechtsprechung bei der Bestimmung der nach § 22 Abs. 1 StVO erforderlichen Sicherungsmaßnahmen allgemein zu beachtende VDI-Richtlinie 2700 "Ladungssicherung auf Straßenfahrzeugen" (vgl. OLG Düsseldorf, VM 1990, S. 15 (Nr. 21); VM 1993, S. 24 (Nr. 31) und. S. 70 (Nr. 94); OLG Koblenz, NZV 1992, 163; Jagusch/Hentschel, a.a.O., § 22 StVO, Rn. 13 m.w.N.) neben der kraftschlüssigen Sicherung der Ladung durch Zurrgurte oder sonstige Zurrmittel als weitere, ebenso geeignete Sicherungsmöglichkeit die formschlüssige Sicherung durch Abstützen der Ladung gegen die Bordwände vor (vgl. VDI-2700 Nr. 2.3.; 3.7.3.1). Damit bleibt aber auch unter Zugrundelegung der Urteilsgründe die dort nicht widerlegte Möglichkeit bestehen, dass die Ladung durch das bloße Ineinanderverkeilen des nach den Feststellungen des Amtsgerichts äußerst schweren Ladegutes hinreichend gegen Verrutschen gesichert war. Sonstige Beeinträchtigungen der Verkehrssicherheit über die Möglichkeit des Verrutschens der Ladung hinaus hat das Amtsgericht nicht feststellen können. Da das Amtsgericht mithin die für die Annahme verkehrsordnungswidrigen Verhaltens erforderliche Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit im Ergebnis nur unterstellt, nicht aber in einer für das Rechtsbeschwerdegericht nachprüfbaren Weise durch konkrete, von ihm festgestellte Tatsachen untermauert hat, konnte bereits der Schuldspruch des angefochtenen Urteils keinen Bestand haben.
Hinzu kommt, dass das Amtsgericht auch die von ihm angenommene vorsätzliche Begehungsweise durch den Betroffenen nicht in einer für das Rechtsbeschwerdegericht nachvollziehbaren Weise mit konkreten Tatsachen begründet hat. Da die Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit zum Tatbestand sowohl der §§ 22 Abs. 1, 23 Abs. 1 Satz 2 StVO als auch des § 31 Abs. 2 StVZO gehört, hätte sich der Vorsatz des Betroffenen zumindest im Sinne bedingten Vorsatzes auch hierauf beziehen müssen. Das Amtsgericht hätte mithin feststellen müssen, dass der Betroffene mit dem Bewusstsein gehandelt hatte, durch die Beladung des Hängers die Verkehrssicherheit zu beeinträchtigen (vgl. für den insoweit gleichgelagerten Tatbestand des § 315 b Abs. 1 StGB: Tröndle, StGB, 48. Aufl., § 315 b Rdnr. 8; § 315 Rdnr. 18 m.w.N. sowie BGH VRS 69, 127; NStZ/J 1985, 541). Insbesondere hätte sich das Amtsgericht mit der Einlassung des Betroffenen, er sei davon ausgegangen, dass er die Ladung durch die Art der Anordnung auf dem Hänger hinreichend sicher gegen Verrutschen geschätzt habe, näher auseinandersetzen müssen. Auch dies ist rechtsfehlerhaft unterblieben.
Endlich ist auch der Rechtsfolgenausspruch des angefochtenen Urteils zu beanstanden. Zunächst ist das Amtsgericht hier von einer Regelbuße in Höhe von 150,- DM - offenbar gemäß lfd. Nr. 51.3 BKatV - ausgegangen. Da der Betroffene das Fahrzeug hier aber gleichzeitig auch geführt hatte und wie ausgeführt die Verantwortlichkeit als Fahrzeugführer derjenigen als Halter vorgeht, hätte richtigerweise die lfd. Nr. 25, 26 der BKatV zugrundegelegt werden müssen, die nur eine Regelbuße in Höhe von 100,- DM und diese auch nur dann vorsieht, wenn durch die nicht verkehrssichere Ladung ein anderer - konkret - gefährdet (Nr. 25) bzw. die Verkehrssicherheit wesentlich beeinträchtigt (Nr. 26) wird. Abgesehen davon, dass das Amtsgericht mithin von einer unzutreffenden Regelgeldbuße ausgegangen ist, hat es zu einer konkreten Gefährdung eines anderen durch die Beladung des Hängers oder zu einer wesentlichen Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit keinerlei Feststellungen getroffen. ohne diese zusätzlichen Umstände würde hier aber möglicherweise nur eine unter die lfd. Nr. 66 des Verwarnungsgeldkataloges fallende Ordnungswidrigkeit vorliegen, für die der Verwarnungsgeldkatalog einen Regelsatz in Höhe von 20,- DM vorsieht. Zwar hätte dieser Regelsatz - wie oben bereits ausgeführt - hier aufgrund der gleichzeitigen Verletzung der Halterpflichten durch den Betroffenen angemessen erhöht werden können, entsprechende Erwägungen hierzu fehlen aber in dem angefochtenen Urteil gänzlich.
Zu beanstanden ist schließlich auch, dass das Amtsgericht zu Lasten des Betroffenen dessen "fehlende Unrechtseinsicht" gewertet hat, ohne in einer für das Rechtsbeschwerdegericht nachprüfbaren Weise näher auszufahren, worin es diese fehlende Unrechtseinsicht des Betroffenen gesehen haben will. Allein der Umstand, dass der Betroffene an seiner ihn entlastenden Einlassung festgehalten hat, kann dem Betroffenen jedenfalls nicht bußgelderhöhend entgegengehalten werden, da der Betroffene dadurch nur seine prozessualen Rechte wahrgenommen hätte, die es ihm erlauben, den Tatvorwurf bis zum Ende der Hauptverhandlung zu bestreiten und sich entsprechend zu verteidigen.
Da bereits die Sachrüge der Rechtsbeschwerde zu einem vollen vorläufigen Erfolg verhilft, musste der Senat der gleichfalls erhobene Verfahrensrüge, die der Rechtsbeschwerde zu keinem nicht weiterreichenden Erfolg verhelfen konnte, nicht weiter nachgehen. Insbesondere war nicht zu klären, ob die Verfahrensrüge hier rechtzeitig innerhalb der Frist des § 79 Abs. 3 OWiG i.V.m. § 345 Abs. 1 StPO erhoben worden ist. Der Schriftsatz des Verteidigers vom 14.09.1997, mit dem dieser die Verfahrensrüge ausgeführt hatte, ist nämlich von dem Verteidiger irrtümlich an das Oberlandesgericht Hamm adressiert worden und auch zunächst hier eingegangen, und zwar einen Tag vor Ablauf der genannten Frist. Der Schriftsatz musste dann an das Amtsgericht weitergeleitet werden, wo er erst am 29.09.1997 und damit verspätet einging. Darüber hinaus war die zunächst übersandte Telefax-Kopie des Schriftsatzes vom 14.09.1997 unvollständig, da die Seite 2 gänzlich fehlte, während das - vollständige Original Oberhaupt erst nach Fristablauf beim Oberlandesgericht in Hamm einging. Die sich hieraus ergebenden Zulässigkeitsprobleme konnten aber dahinstehen, da der Betroffene die Sachrüge bereits mit dem Einlegungsschriftsatz vom 16.07.1997 formgerecht erhoben hatte und bereits die Sachrüge der Rechtsbeschwerde zu einem vorläufig vollen Erfolg verholfen hat.
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