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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 3 Ss 824/97 OLG Hamm

Leitsatz: Dass der Angeklagte das Ziel seiner Gewissensentscheidung, keinen Zivildienst leisten zu wollen, hartnäckig verfolgt hat, darf bei der Strafzumessung nicht zu seinen Lasten bewertet werden.

Senat: 3

Gegenstand: Revision

Stichworte: Dienstflucht, Hartnäckigkeit beim Festhalten an der Entscheidung, keinen Zivildienst leisten zu wolen, Strafzumessung

Normen: ZDG 15 a, ZDG 53, StGB 46

Beschluss: Strafsache gegen O.M.,
wegen Dienstflucht.

Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Bielefeld vom 1. April 1997 hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 09.12.1997 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und die Richterin am Landgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch aufgehoben.

Insoweit wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Strafabteilung des Amtsgerichts Bielefeld zurückverwiesen.

Gründe
Das Amtsgericht hat den Angeklagten wegen Dienstflucht (§ 53 Zivildienstgesetz) zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten unter Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt. Es hat folgende Feststellungen getroffen:

"Am 9.3.1993 entschied das Bundesamt für den Zivildienst, dass der Angeklagte zur Verweigerung des Kriegsdienstes mit der Waffe berechtigt sei. Mit Schreiben vom 20.4.1993 wurde ihm angekündigt, dass seine Heranziehung zum Zivildienst zum 4.10.1993 beabsichtigt sei. Der Angeklagte erwiderte, er werde auch den Zivildienst aus Gewissensgründen ablehnen. Auf entsprechende Anfrage vom 19.5.1993 teilte er nach Erinnerung unter dem 1.7.1993 mit Schreiben vom 12.7.1993 mit, er sei Angehöriger der Glaubensgemeinschaft der Zeugen Jehovas. Zugleich stellte er in Aussicht, sich um ein freies Arbeitsverhältnis nach § 15 a Zivildienstgesetz bemühen zu wollen.

Nachdem die Glaubensgemeinschaft der Zeugen Jehovas die Angaben des Angeklagten bestätigt hatte, wurde ihm vom Bundesamt für den Zivildienst mit Schreiben vom 7.9.1993 mitgeteilt, dass nach § 15 a Zivildienstgesetz von seiner Heranziehung zum Zivildienst vorläufig abgesehen werde. Zugleich wurde er aufgefordert, sich um ein freies Arbeitsverhältnis gemäß § 15 a des Zivildienstgesetzes zu bemühen. Er wurde aufgefordert, ein solches freies Arbeitsverhältnis innerhalb einer Frist von 3 Monaten nach Erhalt des vorerwähnten Schreibens zu benennen. Der Angeklagte ließ die Frist verstreichen und teilte lediglich mit, ihm sei es wegen seines Arbeitsverhältnisses bei seinem damaligen Arbeitgeber nicht möglich, innerhalb der ihm gesetzten Frist ein freies Arbeitsverhältnis zu begründen. Mit Bescheid vom 14.3.1995 kündigte das Bundesamt für den Zivildienst daraufhin seine Heranziehung zum Zivildienst zum 4.9.1995 an und gab mit Schreiben vom 7.9.1995 Gelegenheit zur Benennung einer gewünschten Einsatzstelle.

Der Angeklagte tat dieses nicht, sondern er wies in einem am 27.9. bei dem Bundesamt für Zivildienst eingegangenem Schreiben darauf hin, dass er aus religiösen Gründen weder Militärdienst noch Ersatzdienst ableisten könne. Das Bundesamt für den Zivildienst berief ihn daraufhin mit Einberufungsbescheid vom 21.11.1995 zur Dienstleistung beim Arbeitersamariterbund, Ortsverband Bielefeld für die Zeit vom 1.2.1996 bis 28.2.1997 ein. Eine daraufhin von dem Angeklagten unter dem 6.12.1995 an das Bundesamt für den Zivildienst gerichtete Eingabe wurde als Widerspruch gegen den Einberufungsbescheid aufgefaßt und mit Widerspruchsbescheid vom 19.1.1996 zurückgewiesen. Auch erneute Aufforderungen zum Antritt des Zivildienstes bei der genannten Zivildienststelle ließ der Angeklagte in der Folgezeit unbeachtet."

Der Angeklagte hat sich auch in der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht dahin eingelassen, er habe den Dienst nach §15 a Zivildienstgesetz aus Gewissensgründen nicht durchfuhren können.

Im Rahmen der Strafzumessung hat das Amtsgericht berücksichtigt, dass der Angeklagte geständig war. Eine Vorstrafe wegen Straßenverkehrsgefährdung infolge Trunkenheit zu einer Geldstrafe vom 23. März 1993 hat das Amtsgericht nicht besonders berücksichtigt, da es sich nicht um eine einschlägige Tat gehandelt habe. Zu Lasten des Angeklagten hat das Amtsgericht gewertet, dass er, nachdem er sich zunächst bereiterklärt gehabt habe, ein freies Arbeitsverhältnis nach § 15 a Zivildienstgesetz einzugehen, auch dieses nachher abgelehnt habe. Unter Berücksichtigung der Regelung des § 56 Zivildienstgesetzes sei wegen des hartnäckigen Verhaltens des Angeklagten und aus generalpräventiven Gründen eine Freiheitsstrafe gegen den Angeklagten zu verhängen, die mit sechs Monaten schuldangemessen sei.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Sprungrevision des Angeklagten, die in zulässiger Weise auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt worden ist.

Mit der Revision wird die Rüge der Verletzung materiellen Rechts erhoben und geltend gemacht, dass das Amtsgericht unbeachtet gelassen habe, dass es sich bei dem Angeklagten um einen Gewissenstäter gehandelt habe. Die aus dem Grundrecht der Gewissensfreiheit (Art. 4 Abs. 1 GG) als einer wertentscheidenden Grundrechtsnorm von höchstem verfassungsrechtlichem Rang sich ergebenden Einschränkungen für die Strafzumessung habe das Amtsgericht nicht beachtet. Mit näheren Ausführungen beanstandet die Revision, dass das Amtsgericht gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verstoßen und das höchstrichterlich anerkannte öWohlwollensgebot gegenüber einem Gewissenstäter nicht berücksichtigt habe.

Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils im Rechtsfolgenausspruch und insoweit zur Zurückverweisung an die Vorinstanz.

Die Erwägungen des Amtsgerichts zur Strafzumessung sind nicht frei von Rechtsfehlern.

Allerdings greift die Revision die Erwägung des Amtsgerichts, gegen den Angeklagten spreche, dass er sich zunächst bereiterklärt habe, ein freies Arbeitsverhältnis nach § 15 a Zivildienstgesetz einzugehen, aber auch dies nachher abgelehnt habe, zu Unrecht an. Mit dieser Formulierung hat das Amtsgericht ersichtlich nicht die Tatsache, dass der Angeklagte die Eingehung eines freien Arbeitsverhältnisses abgelehnt hat, straferschwerend berücksichtigt und somit unter Verstoß gegen § 46 Abs. 3 StGB Umstände, die erst die Strafbarkeit begründen, erneut im Rahmen der Strafzumessung erschwerend herangezogen. Die Formulierung macht vielmehr deutlich, dass das Amtsgericht zu Lasten des Angeklagten bewertet hat, dass dieser das Bundesamt für den Zivildienst über einen Zeitraum von mehr als zwei Jahren und zwei Monaten (vom 12. Juli 1993 bis zum 27. September 1995) mit Erklärungen über seine angebliche Bereitschaft zur Eingehung eines freien Arbeitsverhältnisses hingehalten hat. Dies ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

Anlass zu rechtlichen Bedenken gibt allerdings der Umstand, dass das Amtsgericht dem Angeklagten hartnäckiges Verhalten angelastet hat. Dass der Angeklagte das Ziel seiner Gewissensentscheidung, keinen Zivildienst leisten zu wollen, hartnäckig verfolgt hat, darf nicht zu seinen Lasten bewertet werden. Das Festhalten an der einmal endgültig getroffenen Gewissensentscheidung und das Festhalten an ihr macht gerade den Tatbestand des eigenmächtigen Sich-Entziehens der Verpflichtung zum Zivildienst auf Dauer nach § 53 Abs. 1 Zivildienstgesetz aus. Insoweit liegt anders als hinsichtlich der zuvor erörterten hinhaltenden Erklärungen des Angeklagten gegenüber dem Bundesamt für den Zivildienst bezüglich seiner Bereitschaft zur Eingehung eines freien Arbeitsverhältnisses eine Doppelverwertung eines den Tatbestand der Strafvorschrift innewohnenden Merkmals im Rahmen der Strafzumessung und somit ein Verstoß gegen § 46 Abs. 3 StGB vor.

Dass das Amtsgericht, das eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten für angemessen erachtet hat, unter dieser Voraussetzung die Frage der Verhängung einer Geldstrafe nicht erörtert hat, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Bei einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten kommt eine Anwendung des § 47 Abs. 2 StGB, auf den sich § 56 Zivildienstgesetz bezieht, nicht in Betracht.

Die Frage, ob eine Geldstrafe verhängt werden kann, wird sich in der erneuten Hauptverhandlung indessen dann stellen, wenn das Amtsgericht bei erneuter Abwägung der für und gegen den Angeklagten sprechenden Strafzumessungserwägungen unter Berücksichtigung des vom Bundesverfassungsgericht aus dem Grundrecht der Gewissensfreiheit herzuleitenden Wohlwollensgebots mit der Folge, dass generalpräventive Gesichtspunkte zurücktreten und sich das Strafmaß an der gesetzlichen Mindestgrenze orientieren muss (BVerfGE 23/127 ff, 133, 134; OLG Hamm, NJW 1980/2425; Bay0bLG NJW 1980/2424 f; NJW 1992/191), eine geringere Freiheitsstrafe als sechs Monate für angemessen hält.

Nach alledem war unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung im Rechtsfolgenausspruch die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Bielefeld zurückzuverweisen, die auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde zu entscheiden haben wird.


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