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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 3 Ss 1298/97 OLG Hamm

Leitsatz: 1. Für eine "Versammlung" im Sinn von § 86 a stGB genügt noch nicht das Zusammenkommen zu rein persönlichen Zwecken.
2. Für den Begriff der "Öffentlichkeit" ist nicht die Öffentlichkeit des Ortes entscheidend, an dem das Kennzeichen verwandt wird. Es kommt darauf an, dass das Kennzeichen von einem größeren, nach Zahl und Individualität unbestimmten oder durch nähere Beziehungen nicht verbundenen Personenkreis wahrgenommen werden kann.

Senat: 3

Gegenstand: Revision

Stichworte: private Feier, öffentliche Versammlung, Versammlung, Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen

Normen: StGB 86 a StGB, StPO 357

Beschluss: Strafsache gegen 1. C.V. und 2. E,G. und 3. M.K.,
wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen.

Auf die Revision des Angeklagten Verse gegen das Urteil des Amtsgerichts - Jugendgerichts - Gelsenkirchen vom 11. Juni 1997 hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 27. November 1997 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Landgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft gemäß § 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird bzgl. der im Rubrum genannten Angeklagten mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben und in diesem Umfang zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts - Jugendgericht Gelsenkirchen zurückverwiesen, soweit die Angeklagten wegen Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen verurteilt worden sind; damit entfällt bezüglich des Angeklagten V. auch die Verurteilung zu einer Jugendstrafe von acht Monaten und bezüglich des Angeklagten G. der Ausspruch einer Verwarnung und einer sechsmonatigen Betreuungsweisung sowie die Verhängung einer Freizeit Jugendarrest.

Gründe:
I. Das Amtsgericht Gelsenkirchen hat die Angeklagten C.V. und E.G. u.a. der gemeinschaftlichen Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen für schuldig befunden. Der Angeklagte V. ist wegen dieser Tat und wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Jugendstrafe von acht Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden ist, verurteilt worden. Der Angeklagte G. ist wegen der gemeinschaftlichen Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen und wegen Beihilfe zum Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung mit einer Verwarnung und einer sechsmonatigen Betreuungsanweisung sowie mit einer Freizeit Jugendarrest belegt worden. Der Angeklagte M.K. ist wegen gemeinschaftlicher Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 20,- DM verurteilt worden.

Soweit die Angeklagten des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen für schuldig befunden worden sind, liegen dem angefochtenen Urteil folgende Feststellungen zugrunde:

"Am Abend des 13.04.1996 nahmen die Angeklagten C.V., E.G.und M.K. an einer Feier in einem Nebenraum eines Gewächshauses der Gärtnerei V. in Gelsenkirchen teil. Bei dieser Feier anläßlich des Geburtstages des Bruders des Angeklagten C. V., T.V., und seiner Zwillingsschwester S. waren etwa 20 Personen unterschiedlichen Alters anwesend. Während der gesamten Feier herrschte ein ständiges Kommen und Gehen, da z. B. einige der Teilnehmer, wie der Angeklagte G., zuvor noch ein Fußballspiel besucht hatten bzw. ein anderer Teil sich auch vorzeitig verabschiedete.
Auf dieser Feier, die gegen 17:00 Uhr begonnen hatte, wurde Alkohol in Form von Bier und Likör in größeren Mengen konsumiert mit der Folge, dass ein größerer Teil der Teilnehmer der Feier zu fortgeschrittener Stunde erheblich angetrunken waren. Dies galt auch für die Angeklagten C.V., E.G.und M.K..

Gegen 22:00 Uhr brachte der gesondert verfolgte D.V. eine Fahne, auf der mittig deutlich sichtbar ein Hakenkreuz zu erkennen war, in den Raum. Die Angeklagten V. und G. nahmen ihm diese Fahne ab, hielten sie mehrfach hoch und hoben abwechselnd oder gleichzeitig den rechten Arm zum "Hitlergruß". Sie riefen die Parole "Sieg Heil". Der Angeklagte K. betrat kurze Zeit später mit dem "Hitlergruß" den Raum."

In der rechtlichen Würdigung hat das Amtsgericht ausgeführt, dass die drei Angeklagten durch das Zeigen der Hakenkreuzfahne und Ausführung des Hitlergrußes Kennzeichen einer verfassungswidrigen Organisation verwandt hätten. Sie hätten dies auch in einer Versammlung i.S.d. § 86 a Abs. 1 Nr. 1 StGB getan. Eine Versammlung sei danach jede räumlich zu einem bestimmten Zweck vereinigte Personenmehrheit, ohne dass, wie im Versammlungsgesetz, eine gemeinsame Meinungsbildung erforderlich gewesen sei. Hier habe sich eine größere, wechselnde Anzahl von Personen zu einer Geburtstagsfeier versammelt. Diese sei zwar nicht "öffentlich", was jedoch auch im Rahmen des § 86 a Abs. 1 Nr. 1 StGB, wie sich aus der Nebeneinanderstellung der drei Möglichkeiten "öffentlich", "in einer Versammlung" und "in verbreiteten Schriften"' ergebe, nicht erforderlich sei.

Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte V., soweit er wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen verurteilt worden ist, mit am 18. Juni 1997 beim Amtsgericht Gelsenkirchen eingegangenen Schriftsatz vom 17. Juni 1997 Revision eingelegt. Es wird die Verletzung formellen und materiellen Rechts geltend gemacht. Der Revisionsführer rügt mit näheren Ausführungen, dass entgegen der Annahme in dem angefochtenen Urteil ein Verstoß gegen § 86 a StGB nicht vorliege.

Die zulässige Revision hat auch in der Sache einen zumindest vorläufigen Erfolg und führt zur teilweisen Aufhebung des angefochtenen Urteils mit den zugrundeliegenden Feststellungen sowie zur Zurückverweisung der Sache an eine andere Abteilung des Amtsgerichts - Jugendgericht - Gelsenkirchen.

Das Urteil des Amtsgerichts hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand, da die Feststellungen den Schuldspruch wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen gemäß § 86 a StGB nicht tragen. Das Amtsgericht hat den Rechtsbegriff der "Versammlung" im Sinne dieses Tatbestandes verkannt.
Zwar ist das Amtsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass das Tatbestandsmerkmal der Versammlung i.S.d. § 86 a StGB nicht i.S.d. Versammlungsgesetzes auszulegen ist, sondern dass auf den jeweiligen Gesetzeszweck und den Gesamtzusammenhang abzustellen ist (LK-Laufhütte, StGB, 11. Aufl., § 90 Rdnr. 8; Schönke/Schröder/Stree, StGB, 25. Aufl., § 90 Rdnr. 5; Tröndle, StGB, 48. Aufl., § 80 a Rdnr. 2; OLG Braunschweig, NSTE Nr. 9 zu § 86 a StGB; a.A. OLG Koblenz, MDR 1981, S. 600). Danach ist eine Versammlung i.S.d. Tatbestandes ein nicht nur zufälliges zeitweiliges Beisammensein von Personen, sondern eine räumlich vereinigte Personenmehrheit, deren Zusammentreten auf gemeinsamen bewußten Zwecken und Zielen, also auf einem gemeinsamen Willen beruht (LK-Laufhütte, a.a.O., § 90 Rdnr. 8; Schönke/Schröder/Stree, a.a.O.; Tröndle, a.a.O.; OLG Braunschweig, a.a.O.). Dabei braucht der gemeinsame Zweck kein politischer zu sein oder öffentliche Angelegenheiten zu betreffen; auch andere gemeinsame Zielsetzungen, wie z.B. künstlerischer oder wissenschaftlicher Art, reichen hierfür aus, da nach dem Gesetzeszweck gerade nichtöffentliche, geschlossene Versammlungen mit umfaßt werden sollen (LK-Laufhütte, a.a.O., Rdnr. 8).

Entgegen der Annahme des Amtsgerichts genügt dafür jedoch nicht das Zusammenkommen zu rein persönlichen Zwecken, wie z.B. zu einer Geburtstagsfeier (Schönke/Schröder/Stree, a.a.O., Rdnr. 5; LK-Laufhütte, a.a.O., Rdnr. 8). Sinn und Zweck der Regelung des § 86 a StGB bedingen insoweit eine einengende Auslegung des Versammlungsbegriffes.

Bereits die gleichwertig nebeneinanderstehenden Begehungsformen des öffentlichen Verwendens der Kennzeichen oder des Verwendens in verbreiteten Schriften oder auch die Verbreitung der Kennzeichen neben dem Verwenden in Versammlungen lassen erkennen, dass die Benutzung des Kennzeichens im privaten Bereich von der Strafbestimmung nicht erfaßt werden soll.

Darüber hinaus ist Sinn und Zweck der Vorschrift des § 86 a StGB zum einen die Abwehr einer Wiederbelebung der verbotenen Organisation und der von ihr verfolgten verfassungsfeindlichen Bestrebungen, auf die das Kennzeichen symbolhaft hinweist. Die Vorschrift dient aber auch der Wahrung des politischen Friedens dadurch, dass jeglicher Anschein einer solchen Wiederbelebung sowie der Eindruck bei in- und ausländischen Beobachtern des politischen Geschehens in der Bundesrepublik Deutschland vermieden wird, in ihr gebe es eine rechtsstaatswidrige innenpolitische Entwicklung, die dadurch gekennzeichnet sei, dass verfassungsfeindliche Bestrebungen der durch das Kennzeichen angezeigten Richtung geduldet würden. Auch ein solcher Eindruck und die sich daran knüpfenden Reaktionen können den politischen Frieden empfindlich stören. § 86 a StGB will auch verhindern, dass die Verwendung von Kennzeichen verbotener verfassungsfeindlicher Organisationen - ungeachtet der damit verbunden Absichten - sich wieder derart einbürgert, dass das Ziel, solche Kennzeichen aus dem Bild des politischen Lebens in der Bundesrepublik grundsätzlich zu verbannen, nicht erreicht wird mit der Folge, dass sie schließlich auch wieder von den Verfechtern der politischen Ziele, für die das Kennzeichen steht, gefahrlos gebraucht werden können (BGHSt 25, 30, 33).

Aus dieser Zweckbestimmung ergibt sich, dass das Verwenden nationalsozialistischer Kennzeichen bei Zusammenkünften im privaten Bereich ohne gesellschaftlichen Bezug kein Verwenden in Versammlungen i.S.d. § 86 a StGB darstellt. Von einem solchen Zusammentreffen privater Art, wie z.B. einer Geburtstagsfeier, wird das politische Leben in der Bundesrepublik Deutschland und damit die öffentliche Meinung nicht unmittelbar berührt. Es fehlt jeglicher Bezug zum sozialen und gesellschaftlichen Bereich. Darüber hinaus besteht auch nicht die begründete Wahrscheinlichkeit der Weitergabe. Der demokratische Rechtsstaat und der politische Frieden wird hierdurch auch nicht abstrakt gefährdet.

Den vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen lässt sich auch nicht mit hinreichender Sicherheit entnehmen, ob von einem öffentlichen Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen auszugehen ist. Für den Begriff der "Öffentlichkeit" ist nicht die Öffentlichkeit des Ortes entscheidend, an dem das Kennzeichen verwandt wird. Es kommt darauf an, dass das Kennzeichen von einem größeren, nach Zahl und Individualität unbestimmten oder durch nähere Beziehungen nicht verbundenen Personenkreis wahrgenommen werden kann (OLG Hamm, GA 1980, 222; OLG Celle, NStZ 1994, 440; Schönke/Schröder/Lenckner, StGB, 25. Aufl., § 186 Rdnr. 19). Dabei müssen mehr als zwei unbeteiligte Personen die Kennzeichen wahrnehmen oder wahrnehmen können (OLG Hamm, GA 1980, 222).

Nach den bisherigen Feststellungen des Tatrichters ist nicht erkennbar, ob der Angeklagte "öffentlich gehandelt hat. Der Begriff "Geburtstagsfeier" spricht an sich gegen eine Öffentlichkeit. Allerdings hat das Amtsgericht festgestellt, dass auf der Geburtstagsfeier ein "ständiges Kommen und Gehen herrschte. Die weiteren Ausführungen enthalten jedoch keine Hinweise darauf, welche Personen die Geburtstagsfeier besucht und ggf. wieder verlassen haben. Es ist auch nicht erkennbar, ob an der Geburtstagsfeier ausschließlich geladene Gäste und ggf. Freunde von geladenen Gästen - in beiden Fällen würde es an der Öffentlichkeit des Einladungskreises fehlen (OLG Celle, NStZ 1994, 440) - teilgenommen haben oder ob nicht möglicherweise - wie heute in Kreisen Jugendlicher durchaus üblich auch ungeladene Gäste, die mit den im Übrigen Anwesenden nicht durch nähere Beziehungen verbunden waren, anwesend waren. Ist die Verwendung des Kennzeichens verfassungswidriger Organisationen über den Kreis von durch persönliche Beziehungen verbundenen Personen hinaus für mehr als zwei Personen wahrnehmbar, so ist das Merkmal der Öffentlichkeit zu bejahen (OLG Celle, NStZ 1990, 440). Das Amtsgericht wird daher in der erneuten Verhandlung nähere Feststellungen zur Zusammensetzung des Personenkreises, die an der Geburtstagsfeier teilgenommen haben, zu treffen haben. Entscheidend kommt es darauf an, ob auch nicht durch persönliche Beziehungen verbundene Personen anwesend waren.

Auf die Revision des Angeklagten V. war daher aus den soeben aufgeführten Gründen das Urteil im angefochtenen Umfang aufzuheben. Angesichts der Tatsache, dass es sich um einen sachlichrechtlichen Fehler handelt, erstreckt sich die Aufhebung des Urteils gemäß § 357 StPO auch auf die Mitangeklagten G.und K., die keine Revision eingelegt haben.

Eine eigene Sachentscheidung gemäß § 354 StPO war dem Senat nicht möglich, da - wie bereits ausgeführt - die nicht ausschließbare Möglichkeit besteht, dass in der neuen Verhandlung weitere Feststellungen zum Begriff der "Öffentlichkeit' getroffen werden können.


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