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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 3 Ws 76/98 OLG Hamm

Leitsatz: Zur Anordnung der bedingten Entlassung nach Verbüßung von 2/3 der erkannten Strafe

Senat: 3

Gegenstand: Beschwerde

Stichworte: Bedingte Entlassung, Strafaussetzung zur Bewährung nach 2/3 der zu verbüßenden Strafe, Bewährungsbeschluß

Normen: StGB 57 Abs. 1

Beschluss: Strafsache gegen H.B.,
wegen Steuerhinterziehung pp.,
(hier:sofortige Beschwerde gegen die Ablehnung der bedingten Entlassung).

Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten vom 28. Januar 1998 gegen den Beschluss der 16. Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bielefeld vom 26. Januar 1998 hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 17.03.1998 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Die Aussetzung des noch nicht verbüßten Strafrests aus dem Gesamtstrafenbeschluß des Amtsgerichts Wuppertal vom 29. Dezember 1995 (13 Ls 21 Js 1328/94, Gesamtstrafe von 2 Jahren 4 Monaten) wird zum 31. März 1998 angeordnet.

Der noch nicht verbüßte Strafrest wird zur Bewährung ausgesetzt.

Die Bewährungszeit beträgt 3 Jahre.

Der Verurteilte hat Wohnung zu nehmen bei seinem Sohn H.B. Jeden Wohnungswechsel muss er der Strafvollstreckungskammer zu dem oben angegebenen Aktenzeichen ankündigen.

Er wird der Aufsicht und Leitung des für seinen Wohnsitz zuständigen hauptamtlichen Bewährungshelfers unterstellt.

Die Belehrung über die Strafaussetzung zur Bewährung wird dem Leiter der Justizvollzugsanstalt Bielefeld-Brackwede II übertragen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der dem Verurteilten insoweit erwachsenen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt.

Gründe:
Durch den angefochtenen Beschluss hat die Strafvollstreckungskammer eine Reststrafenaussetzung zur Bewährung nach § 57 Abs. 1 StGB abgelehnt. Sie hat zur Begründung auf eine Vielzahl von strafrechtlichen - auch einschlägigen - Vorbelastungen und frühere Strafverbüßungen verwiesen und ausgeführt, dass bisherige gerichtliche Maßnahmen keinen dauerhaften Gesinnungs- und Verhaltenswandel hätten bewirken können. Der Verlobung des Verurteilten mit einer 25-jährigen Polin, mit der er eine gemeinsame, jetzt 3 Jahre alte Tochter hat, hat die Vollstreckungskammer kein ausreichendes stabilisierendes Gewicht beigemessen; sie hat insoweit ausgeführt, dass erst die Zukunft zeigen müsse, ob diese Verbindung stabilisierend auf den Verurteilten wirke. Seine im Mai 1997 geschiedene Ehe habe jedenfalls Straftaten nicht verhindern können.

Die hiergegen gerichtete rechtzeitig eingelegte sofortige Beschwerde des Verurteilten hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur bedingten Entlassung des Verurteilten.

Auch der Senat verkennt nicht, dass der Verurteilte in früherer Zeit in außergewöhnlichem Umfang strafrechtlich in Erscheinung getreten ist. Indessen liegt die letzte zur Verurteilung gelangte Straftat schon lange zurück. Sie wurde ausweislich des Strafregisterauszugs im Mai 1980 begangen und führte zu einer Geldstrafe von 25 Tagessätzen. Freiheitsstrafe hatte der Verurteilte zuletzt verbüßt aufgrund Gesamtstrafenbeschlusses des Amtsgerichts Velbert vom 21. Juli 1978 (2 Jahre Gesamtfreiheitsstrafe wegen zweier Fälle von Straßenverkehrsgefährdung und Fahren ohne Fahrerlaubnis sowie wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort). Dem Gesamtstrafenbeschluß lagen zwei Urteile des Amtsgerichts Velbert vom 6. Mai 1976 und 15. März 1977 zugrunde. Die Gesamtfreiheitsstrafe wurde teilverbüßt. Der Strafrest wurde ausgesetzt zur Bewährung und schließlich erlassen mit Wirkung vom 28. Februar 1983. Nach alledem ist der Verurteilte über einen langen Zeitraum bis zur Begehung der dem vorliegenden Gesamtstrafenbeschluß zugrundeliegenden Taten nicht strafrechtlich in Erscheinung getreten. Die Umsatzsteuerhinterziehungen, die Gegenstand der Verurteilung durch das Amtsgericht Wuppertal vom 15. Mai 1995 waren, begannen im Jahre 1989. Die Taten, geahndet durch Urteil des Amtsgerichts Hattingen vom 30. Juni 1994 und vom Amtsgericht Wuppertal am 3. Mai 1995 (Verkehrsvergehen und Verletzung der Konkursantragspflicht), waren im Jahre 1993 begangen.

In der Zwischenzeit hatte somit ersichtlich eine Stabilisierungsphase bei dem Betroffenen bis zur Begehung der nunmehr zu verbüßenden Straftaten eingesetzt.
Im Strafvollzug, der erst am 23. Juni 1996 beginnen konnte, als der Verurteilte in Frankfurt/Oder am Grenzübergang aufgrund Haftbefehls festgenommen wurde, nachdem er auf einem Campingplatz in Hattingen nicht mehr angetroffen werden konnte, hat der Verurteilte eine positive Entwicklung erkennen lassen. Er wurde bereits am 4. September 1996 für den offenen Vollzug zugelassen. Am 10. September 1996 wurde im Freigang erlaubt, und am 24. Februar 1997 erhielt er die Möglichkeit, in einem freien Beschäftigungsverhältnis zu arbeiten. Er hat lange Zeit bis zu einer Erkrankung bei einer Firma Hörmann gearbeitet, gute Arbeit verrichtet und entsprechend verdient. Seine Einkünfte hat er verwandt für den Unterhalt seiner 25-jährigen Lebensgefährtin und das gemeinsame Kind sowie zur Abtragung von Schulden, die nach Angaben des Verurteilten etwa 350.000,- DM betreffen sollen. Nachdem seine Ehe im Mai 1997 geschieden worden ist, will er nunmehr seine Lebensgefährtin heiraten; wohnen will er zunächst bei einem Sohn in Barntrup-Detmold.

Sein Antrag auf bedingte Entlassung nach Verbüßung bereits der Hälfte der gegen ihn erkannten Freiheitsstrafe ist durch Beschluss der Strafvollstreckungskammer vom 9. September 1997 abgelehnt worden. Die Strafvollstreckungskammer hatte in dieser Entscheidung eine ausreichend günstige Sozialprognose bejaht und zutreffend ausgeführt, dass dem Verurteilten in allen drei dem Gesamtstrafenbeschluß zugrundeliegenden Erkenntnissen Strafaussetzung zur Bewährung zugebilligt und somit eine günstige Sozialprognose bestätigt worden war. Die Versagung der Strafaussetzung zur Bewährung nach § 57 Abs. 2 StGB erfolgte seinerzeit wegen Fehlens besonderer Umstände im Sinne dieser Vorschrift.

In der Folgezeit hat sich der Verurteilte ausweislich der Stellungnahme des Leiters der Justizvollzugsanstalt Bielefeld-Brackwede vom 19. September und vom 10. März 1998 weiterhin beanstandungsfrei geführt und befindet sich weiterhin im offenen Vollzug. In Gesprächen mit Betreuern in der JVA hat er zu erkennen gegeben, dass er zu seinen Straftaten steht und sich konkret mit seinem Fehlverhalten auseinandergesetzt hat. Der Leiter der Justizvollzugsanstalt hat sowohl in seiner Stellungnahme vom 19. September 1997 als auch in derjenigen vom 10. März 1998 eine Reststrafenaussetzung nach § 57 Abs. 1 StGB befürwortet. Die Staatsanwaltschaft Wuppertal hat einer bedingten Entlassung nicht widersprochen. Die weiteren Lebensumstände des Verurteilten, dessen polnische Lebensgefährtin bereits seit mehreren Jahren zu ihm steht, erscheinen ausreichend stabil. Angesichts der Lebenssituation des Verurteilten, der sich über einen längeren Zeitraum straffrei gehalten hat und angesichts der Art der dem vorliegenden Verfahren zugrundeliegenden Straftaten kann nach Auffassung des Senats auch unter Beachtung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit eine Reststrafenaussetzung verantwortet werden. Dabei hat der Senat die Umstände der zur Verurteilung gelangten Taten und auch das Gewicht der bei einem Rückfall bedrohten Rechtsgüter in seine Erwägungen einbezogen.

Nach alledem erscheint eine Reststrafenaussetzung vertretbar.

Der angefochtene Beschluss war daher aufzuheben. Die bedingte Entlassung war anzuordnen.

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 473 Abs. 1 StPO.


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