Aktenzeichen: 3 Ws 108/98 OLG Hamm
Leitsatz: Zur Anordnung und Aufrechterhaltung der akustischen Überwachung von Besuchen eines geständigen Angeklagten, dessen Mittäter jedoch nicht geständig sind.
Senat: 3
Gegenstand: Beschwerde
Stichworte: akustische Besuchskontrolle, Besuchsüberwachung, Dolmetscher, U-Haft
Normen: StPO 119 Abs. 3
Beschluss: Strafsache gegen B.S.,
wegen schweren Raubes,
(hier:Beschwerde gegen Überwachung der mit Angehörigen geführten Besuchsgespräche in kurdischer Sprache durch einen vereidigten Dolmetscher).
Auf die Beschwerde des Angeklagten vom 29. Januar 1998 gegen den Beschluss des Vorsitzenden der IV. Strafkammer des Landgerichts Bielefeld vom 30. Dezember 1997 hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 19.03.1998 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht und die Richterinnen am Oberlandesgericht und nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:
Die Beschwerde wird mit der Maßgabe verworfen, dass die Anordnung betreffend die Anwesenheit eines vereidigten Dolmetschers bei Besuchsgesprächen des Angeklagten mit seinen Familienangehörigen in kurdischer Sprache bis zum Abschluß des Verfahrens 61 Js 506/97 StA Bielefeld in erster Instanz, in dem die Hauptverhandlung am 17. April 1998 beginnt, aufrechterhalten bleibt.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der dem Angeklagten erwachsenen notwendigen Auslagen werden zur Hälfte der Staatskasse auferlegt. Im übrigen trägt sie der Angeklagte selbst.
Gründe:
Der Angeklagte befindet sich seit dem 7. Mai 1997 in Untersuchungshaft. Mit Haftbefehl des Amtsgerichts Bielefeld vom 15. April 1997 wurde er für dringend verdächtig befunden, gemeinschaftlich handelnd mit den gesondert verfolgten H.Z. und Ö.D. sowie dem Mitangeklagten S.F. am 19. Dezember 1996 in Bielefeld einen bewaffneten Raubüberfall auf eine Spielhalle verübt zu haben. Wegen dieses Tatvorwurfs ist der Angeklagte durch - bisher nicht rechtskräftiges - Urteil der IV. großen Strafkammer des Landgerichts Bielefeld vom 9. Januar 1998 wegen schweren Raubes zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt worden, wobei die Strafkammer das Vorliegen eines minder schweren Falles angenommen hat.
Auf Antrag des Angeklagten vom 22. Dezember 1997 hat der Vorsitzende der IV. Strafkammer mit Beschluss vom 30. Dezember 1997 dem Angeklagten gestattet, mit seinen Angehörigen Gespräche in kurdischer Sprache zu führen, sofern dies in Anwesenheit eines vereidigten Dolmetschers geschehe. Der Angeklagte hat mit Schreiben vom 29. Januar 1998 Beschwerde gegen diesen Beschluss insoweit eingelegt, als die Anwesenheit eines vereidigten Dolmetschers bei Besuchsgesprächen mit seinen Angehörigen angeordnet ist. Dieser Beschwerde hat der Vorsitzende der Strafkammer IV mit Beschluss vom 11. Februar 1998 mit näheren Ausführungen nicht abgeholfen.
Die Beschwerde hat nur zum Teil Erfolg. Bis zum Abschluß des Verfahrens 61 Js 506/97 StA Bielefeld in erster Instanz muss es bei der Anordnung der Anwesenheit eines vereidigten Dolmetschers bei Besuchsgesprächen des Angeklagten mit seinen Verwandten in kurdischer Sprache verbleiben. Diese Beschränkung ist erforderlich zur Erreichung des Zwecks der Untersuchungshaft. Insoweit schließt sich der Senat den Erwägungen des Vorsitzenden der IV. Strafkammer in seiner Nichtabhilfeentscheidung vom 11. Februar 1998 an. Der Angeklagte selbst ist zwar in dem Verfahren 61 Js 506/97 nach anfänglichem Leugnen geständig, ebenso wie er es im vorliegenden Verfahren war. Seine Mitangeschuldigten H.Z. und S.F. - Mittäter auch des Raubüberfalls im vorliegenden Verfahren -, haben aber jede Tatbeteiligung in Abrede gestellt. Dem Aussageverhalten des Angeklagten kommt in jenem Verfahren ein nicht unbedeutendes Gewicht zu. Ähnlich verhält es sich hinsichtlich der gesondert angeklagten Mittäter im Fall vom 19. Dezember 1996, H.Z. und Ö.D. die ihre Tatbeteiligung abgestritten haben und deren Verurteilung nicht rechtskräftig ist. Insoweit kann einer Aussage/Einlassung des Angeklagten S. erhebliche Bedeutung zukommen. Insgesamt ist die im Nichtabhilfebeschluß geäußerte Gefahr, dass bei einer nicht von einem Dolmetscher überwachten Besuchsdurchführung in kurdischer Sprache durch die Verwandten des Angeklagten Einfluß auf das Aussageverhalten des Angeklagten genommen und somit die Durchführung der noch offenen Strafverfahren gefährdet wird, gegeben.
Eine Aufrechterhaltung der Anordnung über die Anwesenheit eines vereidigten Dolmetschers ist bei dieser Sachlage vom Angeklagten auch unter Berücksichtigung der unter dem besonderen Schutz des Art. 6 GG stehenden Ehe und Familie hinzunehmen. Die zeitliche Beschränkung dieser Anordnung trägt der Aufgabe des Staates, in Erfüllung seiner verfassungsrechtlichen Pflicht, für die Erhaltung von Ehe und Familie zu sorgen und nachteilige Auswirkungen des Freiheitsentzuges im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren aber auch unter angemessener Beachtung der Belange der Allgemeinheit zu begrenzen, ausreichend Rechnung.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 StPO.
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