Aktenzeichen: 3 Ss OWi 371/98 OLG Hamm
Leitsatz: Zu den Anforderungen an eine prozeßordnungsgemäße Bezugnahme auf ein bei den Akten befindliches Lichtbild
Senat: 3
Gegenstand: OWi
Stichworte: Identifizierung anhand eines von einem Verkehrsverstoß gefertigten Fotos, prozeßordnungsgemäße Bezugnahme, Anforderung an die Beschreibung des Betroffenen im Urteil
Normen: 267 Abs. 1 Satz 3 StPO
Beschluss: Bußgeldsache gegen A.L.
,hier: Rechtsbeschwerde der Betroffenen.
Auf die Rechtsbeschwerde der Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Minden vom 2. Februar 1998 hat der 3. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 31.03.1998 durch den Richter am Landgericht als Einzelrichter gemäß § 80 a Abs. 2 OWiG beschlossen:
Das angefochtene Urteil wird mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Minden zurückgewiesen.
Gründe:
Durch das angefochtene Urteil hat das Amtsgericht die Betroffene wegen einer fahrlässigen Geschwindigkeitsüberschreitung innerhalb geschlossener Ortschaft nach §§ 3, 49 StVO mit einer Geldbuße von 400,00 DM belegt. Die Urteilsgründe lauten vollständig:
"Gegen die Betroffene wurde folgender Bußgeldbescheid erlassen:
"Der Betroffenen wird zur Last gelegt,
am 03.09.1997 - Uhrzeit 14.22 - 14.22
in Petershagen-Quetzen, L 772, Bückeburger Str. 133 FR N als Führer/Halter des Pkw Kennzeichen SHG-AU 867
folgende Verkehrsordnungswidrigkeit nach § 24 StVG begangen zu haben:
Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaft
Gemessene Geschwindigkeit 84 km/h
Abzgl. Toleranzwert 3 km/h ergibt 81 km/h
zulässige Höchstgeschwindigkeit 50 km/h
Geschwindigkeitsüberschreitung 31 km/h
§§ 3 (3), 41 (Z. 274), 49 StVO
Die Betroffene ist Halterin des erwähnten Pkw. Die Fotos Bl. 1 und 2 und Hülle Anl. Bl. 23 d.A. waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Sie zeigen deutlich erkennbare Identität an Kinn, Halspartie und Augenbereich, so dass das Gericht von der Identität der Betroffenen mit der Fahrerin zur Tatzeit ausgehen muss. Das Foto machte ein spontanes vergleichendes Erkennen möglich, so dass keinerlei Zweifel an der Identität bestanden.
Die Betroffene hat dann zumindest fahrlässig gehandelt, weil sie innerhalb geschlossener Ortschaft unter Abzug der Messtoleranz 31 km/h zu schnell fuhr.
Kosten: § 465 StPO. "
Gegen dieses Urteil richtet sich die rechtzeitig eingelegte und begründete Rechtsbeschwerde der Betroffenen, die bereits mit der Sachrüge Erfolg hat.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat wie folgt Stellung genommen:
"Das Amtsgericht Minden hat die Betroffene durch Urteil vom 02.02.1998 wegen fahrlässiger Geschwindigkeitsüberschreitung (§§ 3, 49 StVO) zu einer Geldbuße in Höhe von 400,00 DM verurteilt. Nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils befuhr die Betroffene am 03.09.1997 gegen 14.22 Uhr in Petershagen-Quetzen die L 772 und überschritt innerhalb geschlossener Ortschaft die zulässige Höchstgeschwindigkeit um vorwerfbare 31 km/h.
Die gemäß § 79 Abs. 2 Nr. 1 OWiG statthafte Rechtsbeschwerde ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie hat in der Sache Erfolg.
Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gebotene Überprüfung des Urteils deckt Rechtsfehler zum Nachteil der Betroffenen auf. Die Urteilsgründe tragen die Verurteilung wegen einer fahrlässig begangenen Geschwindigkeitsüberschreitung nicht. ...
Die Ausführungen im angefochtenen Urteil zur Identifizierung der Betroffenen als Fahrerin des Tatfahrzeuges genügen nicht den Anforderungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Der Bundesgerichtshof hat in seinem Beschluss vom 19.12.1995 (NZV 1996, 157 f) ausgeführt, dass es in den Fällen, in denen im Urteil gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO auf ein zur Identifizierung generell geeignetes Beweisfoto verwiesen wird, in der Regel keiner näheren Ausführungen bedarf. Etwas anderes gilt nur dann, wenn nach Inhalt und Qualität des Fotos Zweifel an seiner Eignung als Grundlage für die Identifizierung des Fahrers bestehen. Vorliegend ist jedoch eine Verweisung gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO, aufgrund derer das Foto Bestandteil der Urteilsgründe geworden wäre, nicht erfolgt. Die Formulierung "Das Foto machte ein spontanes vergleichendes Erkennen möglich, so dass keinerlei Zweifel an der Identität bestanden", stellt keine derartige Verweisung dar (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 42. Auflage, Rdn. 8 zu § 267; Senatsentscheidung vom 07.01.1997 - 3 Ss OWi 1522/96 m.w.N.). Allein der Hinweis auf das Beweisfoto unter Angabe der Fundstelle (Blattzahl) in der Akte stellt noch keine derartige Bezugnahme dar. Diese muss nämlich deutlich und zweifelsfrei in den Urteilsgründen zum Ausdruck kommen (BGH a.a.O., BayObLG, NZV 1995, 163, DAR 1996, 411). Erforderlich ist vielmehr, dass der Tatrichter zumindest zum Ausdruck bringt, dass die Bezugnahme "wegen der Einzelheiten" des Erscheinungsbildes der auf dem Beweisfoto abgebildeten Person erfolgt (BayObLG a.a.O.). Insbesondere reicht auch nicht der Hinweis darauf, dass die Beweisfotos Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, da sie ansonsten ohnehin nicht hätten verwendet werden dürfen. Im vorliegenden Fall bleibt aufgrund der wiedergegebenen Formulierung des angefochtenen Urteils offen, ob die Angabe der Fundstelle der Beweisfotos lediglich dazu dienen sollte, mitzuteilen, welche Aktenteile durch das Gericht in der Hauptverhandlung in Augenschein genommen worden waren, oder ob damit etwa beabsichtigt war, diese Lichtbilder zum Gegenstand der Urteilsgründe zu machen. Damit liegen die Voraussetzungen einer eindeutigen und zweifelsfreien Bezugnahme gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO gerade nicht vor.
Angesichts des Fehlens einer solchen Bezugnahme hätte das angefochtene Urteil aber Ausführungen zur Bildqualität enthalten und die abgebildete Person oder jedenfalls mehrere charakteristische Identifizierungsmerkmale so präzise beschreiben müssen, dass dem Rechtsmittelgericht anhand der Beschreibung in gleicher Weise wie bei der Betrachtung des Fotos die Prüfung ermöglicht wird, ob dieses zur Identifizierung generell geeignet ist (BGH, a.a.O.). Diesen Anforderungen genügt das angefochtene Urteil ebenfalls nicht. Es werden keine Identifizierungsmerkmale herausgearbeitet, sondern es wird nur die Feststellung getroffen, dass aufgrund der erkennbaren Identität an Kinn, Halspartie und Augenbereich das Gericht von der Identität der Betroffenen mit der Fahrerin zur Tatzeit ausgehen könne. Erforderlich wäre jedoch eine ins einzelne gehende Beschreibung der Merkmale gewesen, die zwingend den Schluss auf die Ergiebigkeit des Beweisfotos zur Identifizierung der Betroffenen ergeben hätte (vgl. BayObLG, DAR 1996, 411, Senatsbeschluss vom 30.01.1996 - 3 Ss OWi 1491/95 -).
Das angefochtene Urteil ist daher unter Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht Minden mit den Feststellungen aufzuheben. "
Diesen Ausführungen schließt sich der Senat an. Ergänzend ist noch anzumerken, dass das angefochtene Urteil auch keinerlei Angaben zur Person der Betroffenen, zu ihrem Einlassungsverhalten in der Hauptverhandlung und zur Ordnungsgemäßheit der Radarmessung enthält. Insbesondere jedoch das Fehlen jeglicher Ausführungen zur Höhe der verhängten Geldbuße und dazu, warum das Gericht von dem nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 BKatV i.V.m. lfd. Nr. 5.3.3 der Tabelle 1a regelmäßig in derartigen Fällen vorgesehenen Fahrverbot abgesehen hat, hätten zu einer Aufhebung im Rechtsfolgenausspruch geführt.
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