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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 3 Ws 111/98 OLG Hamm

Leitsatz: Zur Ablehnung der bedingten Entlassung unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit

Senat: 3

Gegenstand: Beschwerde

Stichworte: Ablehnung der bedingten Entlassung, Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit (Grundsätze), Sachverständigengutachten

Normen: StGB 57 n.F.

Beschluss: Strafsache gegen H.B.,
wegen Vergewaltigung u.a.,
(hier: Ablehnung der bedingten Entlassung aus der Strafhaft).

Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten vom 26.02.1998 gegen den Beschluss der 16. Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bielefeld vom 13.02.1998 hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 17.03.1998 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten des Beschwerdeführers als unbegründet verworfen.

Gründe:
I. Mit seiner am 26.02.1998 bei dem Landgericht Bielefeld eingegangenen sofortigen Beschwerde vom selben Tage wendet sich der Verurteilte gegen den ihm am 23.02.1998 zugestellten Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bielefeld vom 13.02.1998. Die Strafvollstreckungskammer hat mit dem angefochtenen Beschluss nach Anhörung der Staatsanwaltschaft Arnsberg, des Leiters der Justizvollzugsanstalt Bielefeld-Senne und nach mündlicher Anhörung des Verurteilten die Aussetzung der Vollstreckung der Restfreiheitsstrafe zur Bewährung aus dem Urteil des Landgerichts Arnsberg vom 28.02.1995 nach Verbüßung von 2/3 der verhängten Freiheitsstrafe abgelehnt. Das Landgericht hatte den Beschwerdeführer wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit sexueller Nötigung, wegen versuchten schweren Menschenhandels in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und wegen versuchter räuberischer Erpressung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Der Beschwerdeführer hatte am 05.10.1994 eine Frau im Treppenhaus des Hauses, in dem er seinerzeit wohnte, überfallen, in sein Zimmer geschleppt und sie dort zunächst vergewaltigt. Anschließend hatte er der Geschädigten eine etwa 3,5 cm lange Schnittwunde oberhalb des linken Handgelenkes mit einem Messer zugefügt, um sie gefügig zu machen, für ihn als Prostituierte zu arbeiten. Daraufhin zwang er die Geschädigte, mit ihm zur Post und Sparkasse zu gehen, um dort für ihn Geld von ihren Konten abzuheben, was jedoch mangels Kontendeckung nicht gelang. Daraufhin unternahm er noch mehrfach Versuche, die Geschädigte der Prostitution zuzuführen.

II. Die gemäß § 454 Abs. 2 StPO, § 57 StGB statthafte und gemäß § 311 Abs. 2 StPO fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde. ist zulässig, jedoch nicht begründet.

Die bedingte Entlassung des Beschwerdeführers, der am 16.02.1998 2/3 der gegen ihn verhängten Freiheitsstrafe verbüßt hatte, kann unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit nicht verantwortet werden, § 57 Abs. 1 Nr. 2 StGB.
Die Entscheidung über die bedingte Entlassung des Beschwerdeführers hat hier auf der Grundlage des § 57 Abs. 1 Nr. 2 StGB n.F. zu erfolgen. Die Neufassung aufgrund des Gesetzes zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten vom 26. Januar 1998 (BGBl Jahrgang 1998 Teil I Nr. 6, S. 160) ist am 31.01.1998, dem Tage nach der Verkündung des Gesetzes im Bundesgesetzblatt, in Kraft getreten (Art. 8). Sie hätte daher bereits von der Strafvollstreckungskammer der Entscheidung über die bedingte Entlassung des Beschwerdeführers zugrunde gelegt werden müssen. dass dies hier unterblieben ist, führt hingegen zu keiner für den Beschwerdeführer günstigeren Entscheidung, da eine bedingte Entlassung des Beschwerdeführers nach der Neufassung des § 57 Abs. 1 Nr. 2 StGB noch weniger in Betracht kommt als nach der alten Fassung.
Mit der Neufassung des § 57 Abs. 1 Nr. 2 StGB wollte der Gesetzgeber klarstellen, dass bei der Entscheidung nach § 57 StGB eine Abwägung zwischen dem Resozialisierungsinteresse des Verurteilten und dem Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit vorzunehmen ist. Dabei werde insbesondere darauf abgestellt, dass es von dem Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsgutes und dem Sicherheitsbedürfnis der Allgemeinheit abhängig sei, welches Maß einer Erfolgswahrscheinlichkeit für eine Aussetzung des Strafrestes nach § 57 StGB verlangt werden müsse (Bericht des Rechtsausschusses, Bundestags-Drucks. 13/9062, S. 9).
Bei dieser Begründung der Neufassung erscheint fraglich, ob es sich hier tatsächlich nur um eine Klarstellung der bisherigen Rechtslage oder nicht doch um eine Verschärfung der Entlassungsvoraussetzungen im Fall besonders gefährlicher Straftäter handelt, zumal § 57 Abs. 1 S.2 StGB n.F. ausdrücklich das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsgutes als bei der Entscheidung über die bedingte Entlassung zu berücksichtigenden Umstand hervorhebt.

Im vorliegenden Fall führt die Neufassung des § 57 Abs. 1 StGB jedenfalls dazu, dass im Falle des Verurteilten, der durch die zugrundeliegende Straftat eine ganz erhebliche Gefährlichkeit und Rücksichtslosigkeit auf dem Gebiet der Sexualdelinquenz gezeigt hat und der nach der Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt in Situationen, in denen er meint, sich selbst und seiner Umgebung seine Überlegenheit demonstrieren zu müssen, zu Rücksichtslosigkeit und Brutalität fähig ist, dies insbesondere unter Alkoholeinfluß, ein besonders hohes Maß an Erfolgswahrscheinlichkeit gegeben sein muss, bevor ein Erprobungsversuch gewagt werden kann. Dieses Maß an Erfolgswahrscheinlichkeit kann gerade auch unter Berücksichtigung des nicht immer einwandfreien Vollzugsverhaltens des Beschwerdeführers, der noch am 29.08.1997 durch einen positiven THC-Befund in der Anstalt aufgefallen war, allein durch die von ihm zu seinen Gunsten angeführten Umstände - Arbeitsstelle, Eheschließung, Geburt des Kindes - nicht begründet werden. Dies hat die Strafvollstreckungskammer mit zutreffenden Erwägungen rechtsfehlerfrei erkannt und dabei insbesondere auch auf die erheblichen strafrechtlichen Vorbelastungen des Beschwerdeführers abgestellt. Der Senat weist ergänzend darauf hin, dass eine bedingte Entlassung des Beschwerdeführers gem. § 454 Abs. 2 Nr. 2 StPO n.F. ohnehin nur dann in Betracht kommt, wenn zuvor ein Sachverständigengutachten zu der Frage eingeholt worden ist, ob bei dem Verurteilten keine Gefahr mehr besteht, dass seine durch die Tat zutage getretene Gefährlichkeit fortbesteht.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 StPO. ]


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