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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 3 Ss 966/97 OLG Hamm

Leitsatz: Zum Begriff des Arbeitgebers in § 266 a stGB und zur Strohmannhaftung

Senat: 3

Gegenstand: Revision

Stichworte: Vorenthalten von Arbeitsentgelt, Arbeitgeberbegriff, Beitragsvorenthaltung, Organhaftung, Strohmann-GmbH, tatsächlicher Arbeitgeber, Unterlassungsdelikt

Normen: StGB 14 Abs. 1, StGB 266 a

Beschluss: Strafsache gegen O.S.,wegen Vorenthaltens von Arbeitsentgelt.

Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Minden vom 16. April 1997 hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 19.03.1998 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht und die Richterinnen am Oberlandesgericht und nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft einstimmig beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Minden zurückverwiesen.

Gründe:
Das Amtsgericht hat den Angeklagten wegen Beitragsvorenthaltung in 14 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten unter Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt. In den Urteilsgründen ist ausgeführt, der Angeklagte habe den gegen ihn erhobenen Anklagevorwurf eingeräumt. Danach habe er als verantwortlicher Geschäftsführer ein Gewerbe unter der Firma Cosmopolitan Kraftfahrzeuge-Handelsgesellschaft mit beschränkten Haftung in Bad Oeynhausen betrieben. Im Rahmen dieses Betriebes habe der Angeklagte neun bzw. zehn Arbeitnehmer beschäftigt. Für diese Arbeitnehmer habe er die Sozialversicherungbeiträge sowie die Beiträge zur Bundesanstalt für Arbeit für die Monate Juli 1995 bis August 1996 (14 Monate) in Höhe von insgesamt 31.316,78 DM der Einzugsstelle vorenthalten. Der Angeklagte habe sich bezüglich dieses Vorwurfs dahin eingelassen, er sei damals nur Strohmann der Firma gewesen, habe mit der Firma selbst aber nichts zu tun gehabt.

Der Amtsrichter hat den Angeklagten aufgrund des festgestellten Sachverhalts des Vorenthaltens von Arbeitsentgelt gemäß § 266 a StGB in 14 Fällen für schuldig befunden. Dazu heißt es in den Urteilsgründen:

"Die Einlassung, er habe nichts gewußt, kann ihn nicht entlasten. Der Angeklagte hat unter Zurückstellung von Bedenken hier einfach eine Strohmannfunktion übernommen. Es kann einfach nicht angehen, in dieser Situation dann zu akzeptieren, dass Täter, die in einer Strohmannposition handeln, nicht wegen § 266 a StGB zur Verantwortung gezogen werden können. Zumindest bedingt vorsätzlich hat der Angeklagte aus der Strohmannsituation durchaus den Eindruck gewinnen können und müssen, dass ggf. nicht alles rechtens liefe. "

Die vorgenommene Strafzumessung hat der Amtsrichter wie folgt begründet:

"Bei der Frage der Ahndung war dann bezüglich aller Taten zur Sicherung der Rechtsordnung, um gegen die Sozialbetrügereien vorzugehen, jeweils eine kurze Freiheitsstrafe von einem Monat festzusetzen.

Alle Strafen waren dann zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten zusammenzufassen.

Diese Strafe konnte dann noch einem zur Bewährung ausgesetzt werden."

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Angeklagten, mit der dieser eine Verletzung materiellen Rechts rügt. Mit der Revisionsbegründung wird von der Verteidigung geltend gemacht, der Begriff des "Arbeitgebers" im Sinne des § 266 a StGB bestimme sich nach sozialversicherungsrechtlichen Grundsätzen. Danach komme es entscheidend darauf an, wem in dem betreffenden Betrieb vom Arbeitnehmer die Dienste geleistet würden und zu wem der Arbeitnehmer in persönlicher Abhängigkeit stehe. Maßgebend sei insoweit der wahre Sachverhalt und nicht der durch Vorschieben eines Strohmanns widersprechende Schein. Der Angeklagte sei in dem hier in Rede stehenden Betrieb lediglich als Strohmann vorgeschoben gewesen, er habe von den Abläufen in dem Betrieb keine Kenntnis gehabt und den Betrieb nicht einmal ein einziges Mal aufgesucht. Infolge dessen könne der Angeschuldigte nicht als "Arbeitgeber" im Sinne des § 266 a StGB angesehen werden.

Die Revision ist zulässig und hat in der Sache einen zumindest vorläufig Erfolg. Sie führt zu einer Aufhebung des angefochtenen Urteils und zu einer Zurückverweisung der Sache an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Minden.

Die getroffenen Feststellungen tragen den Schuldausspruch wegen Vorenthaltens von Arbeitsentgelt gemäß § 266 a StGB in 14 Fällen nicht.

Die im vorliegenden Fall allein in Betracht kommende Alternative des § 266 a Abs. 1 StGB setzt voraus, dass der Arbeitgeber Beiträge des Arbeitnehmers zur Sozialversicherung oder zur Bundesanstalt für Arbeit der Einzugsstelle vorenthält. Der Begriff des "Arbeitgebers" bestimmt sich, wie von der Revision zutreffend ausgeführt worden ist, nach sozialrechtlichen Maßstäben. Danach ist als Arbeitgeber derjenige anzusehen, der einen anderen in der Weise beschäftigt, dass dieser in einem persönlichen Abhängigkeitsverhältnis zu ihm steht, und der dem Beschäftigten für die von diesem geschuldete und erbrachte Tätigkeit zur Lohnzahlung verpflichtet ist und das Unternehmensrisiko trägt (vgl. Seewald in Kasseler-Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Stand Februar 1997, § 28 e SGB IV Rz. 3). Dabei ist auf die tatsächlichen Verhältnisse abzustellen und nicht auf einen davon abweichenden äußeren Anschein, wenn anderenfalls sozialrechtliche Schutzzwecke gefährdet wären. Wird als Vertragspartner der Arbeitnehmer einem Strohmann vorgeschoben, ist daher nicht dieser, sondern derjenige, der tatsächlich die Arbeitgeberfunktionen ausübt, als Arbeitgeber anzusehen (vgl. BGH bei Herlan in GA 1955, 81; Lackner, StGB, 22. Aufl., § 266 a, Rz. 3; Schönke/Schröder/ Lenckner, StGB. 25. Aufl., § 266 a Rz. 11; Dreher/Tröndle, StGB, 47. Aufl., § 266 a Rz. 5). Eine solche Fallgestaltung ist vorliegend aber nicht gegeben. Nach den Urteilsfeststellungen waren die 9 bzw. 10 Arbeitnehmer, deren Beiträge zur Sozialversicherung sowie zur Bundesanstalt für Arbeit während des Zeitraumes von Juli 1995 bis August 1996 der Einzugsstelle vorenthalten worden sind, bei der Firma Cosmopolitan Kraftfahrzeuge-Handelsgesellschaft mbH in Bad Oeynhausen beschäftigt, so dass diese Gesellschaft, die als juristische Person eine eigene Rechtspersönlichkeit darstellt, als Arbeitgeberin anzusehen ist. Ein von dieser Sachlage abweichender äußerer Schein ist durch die Strohmannposition des Angeklagten als Geschäftsführer der Cosmopolitan KraftfahrzeugeHandels GmbH nicht erweckt worden, insbesondere führte die Geschäftsführerstellung des Angeklagten nicht dazu, dass dieser nunmehr selbst anstelle der GmbH nach außen hin als Arbeitgeber der in dem angefochtenen Urteil genannten neun bis zehn Arbeitnehmer erschienen ist. Demgemäss lässt sich eine Verantwortlichkeit des Angeklagten für das Vorenthalten der hier in Rede stehenden Arbeitnehmerbeiträge in Höhe von 31.316,78 DM auch nicht mit unmittelbar aus der Vorschrift des § 266 a StGB herleiten. Denn Normadressat dieser Vorschrift ist der Arbeitgeber. Die Arbeitgebereigenschaft stellt allerdings ein persönliches Merkmal im Sinne des § 14 Abs. 1 StGB dar (vgl. Lackner, StGB, a.a.O., § 266 a Rz. 4), so dass eine strafrechtliche Verantwortung des Angeklagten für die hier in Rede stehende Taten unter dem Gesichtspunkt der Organhaftung gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB gegeben sein kann.

Der Umstand, dass der Angeklagte in seiner Position als Geschäftsführer der GmbH lediglich als Strohmann fungierte, also ein weiterer "tatsächlicher" Geschäftsführer vorhanden gewesen sein muss, der das Unternehmen geleitet und die dazu erforderlichen Entscheidungen getroffen hat, lässt für sich allein eine Organhaftung des Angeklagten nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB nicht entfallen. Zwar kommt bei einer solchen Fallkonstellation ggf. auch eine strafrechtliche Haftung des "faktischen Geschäftsführers in Betracht. Diese tritt aber neben und nicht anstelle der Verantwortlichkeit einer wirksam bestellten Geschäftsführers (vgl. Kohlmann in Hachenburg, GmbHG, 8. Aufl., vor § 82 Rz. 14, 32 und 34).

Der Vorwurf eines strafbaren Verhaltens könnte dem Angeklagten aber nur dann gemacht werden, wenn er tatsächlich die Möglichkeit zur Erfüllung der der GmbH obliegenden Verpflichtung zur Abführung der Arbeitnehmerbeiträge an die Einzugsstelle gehabt hat. Denn die Unmöglichkeit normgemäßen Handelns lässt die Tatbestandsmäßigkeit bei Unterlassungsdelikten, zu denen auch § 266 a StGB gehört, entfallen (BGH NJW 1997, 131). Die Frage nach der Vorwerfbarkeit ist daher im Einzelfall anhand der konkreten Umstände zu entscheiden. Insoweit kann nicht allein an die formale Stellung des Angeklagten als Geschäftsführer der GmbH angeknüpft werden (vgl. BGH NStZ 1997, 545). Im vorliegenden Fall fungierte der Angeklagte nach den getroffenen Feststellungen nicht nur als Strohmann, hatte mit der Firma selbst auch nichts zu tun gehabt. Es erscheint daher fraglich, ob der Angeklagte tatsächlich überhaupt in der Lage war, die geschuldeten Arbeitnehmerbeiträge an die Einzugsstelle zu zahlen bzw. ob für ihn tatsächlich die Möglichkeit bestand, die Zahlung dieser Beiträge durch den nach der internen Geschäftsverteilung dafür Zuständigen zu überwachen, wobei im letzteren Fall außerdem zu berücksichtigen wäre, ob der Angeklagte Grund zu der Annahme hatte, dass die Beiträge durch diesen nicht oder nicht ordnungsgemäß abgeführt würden. Das angefochtene Urteil enthält zu diesen Umständen keine Ausführungen. Nach den Urteilsfeststellungen ist daher zweifelhaft, ob sich der Angeklagte gemäß § 266 a Abs. 1 StGB in Verbindung mit § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB strafbar gemacht hat. Das angefochtene Urteil war deshalb aufzuheben. Da weitere Feststellungen jedoch nicht ausgeschlossen erscheinen, war die Sache außerdem zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Minden zurückzuverweisen.

Vorsorglich wird für den Fall, dass es zur erneuten Verurteilung des Angeklagten kommen sollte, darauf hingewiesen, dass sich aus den Urteilsgründen nachvollziehbar ergeben muss, aufgrund welcher Umstände der Amtsrichter die nach § 47 Abs. 1 StGB nur in Ausnahmefällen vorgesehene Verhängung einer Freiheitsstrafe unter sechs Monaten als unverzichtbar angesehen hat. Nicht ausreichend ist es dagegen, wenn der Amtsrichter als Grund für die Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe ohne weitere Ausführungen lediglich die Sicherung der Rechtsordnung angibt, wie es in dem angefochtenen Urteil der Fall ist.


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