Aktenzeichen: 3 Ws 152 und 153/98 OLG Hamm
Leitsatz: Zum verneinten Widerruf von Strafaussetzung zur Bewährung wegen einer neuen Straftat bei unterlassener Gesamtstrafenbildung
Senat: 3
Gegenstand: Beschwerde
Stichworte: Absehen von Gesamtstrafe, Bewährungsversagen in Zeit vor hypothetischer Gesamtstrafenbildung, Gesamtstrafenbildung wegen mangelhafter Feststellungen unmöglich, Widerruf
Normen: StGB 56 f, StGB 55
Beschluss: Strafsache gegen I.H.,
wegen Unterschlagung u.a., hier: sofortige Beschwerde gegen den Widerruf in zwei Verfahren.
Auf die sofortigen Beschwerden der Verurteilten vom 13. März 1998 gegen die Beschlüsse der 16. Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bielefeld vom 20. Februar 1998 hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 06.04.1998 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und den Richter am Landgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:
Die angefochtenen Beschlüsse werden aufgehoben.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der der Verurteilten insoweit erwachsenen notwendigen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt.
Gründe:
I. Die bereits zweimal wegen Diebstahls zu Geldstrafen vorbestrafte Beschwerdeführerin ist durch Urteil des Amtsgerichts Arnsberg vom 12. März 1996 - 4 Ds 38 Js 1347/95 (27/96) -, rechtskräftig seit dem 20. März 1996, wegen eines am 19. Oktober 1995 begangenen (Laden-)Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von sechs Wochen verurteilt worden. Es ist eine Bewährungszeit von zwei Jahren festgesetzt worden.
Am 10. Januar 1997, rechtskräftig seit dem 18. Januar 1997, ist die Beschwerdeführerin erneut durch das Amtsgericht Arnsberg - 4 Ds 12 Js 752/96 (471/96) - verurteilt worden. Gegen sie ist wegen Unterschlagung in vierzehn Fällen eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten verhängt worden, deren Vollstreckung auf drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt worden ist. Dieser Verurteilung lagen Einzeltaten zugrunde, die die Verurteilte in der Zeit von Januar bis einschließlich April 1996 begangen hatte. Die genauen Daten der einzelnen Taten sind nicht festgestellt worden. Die Notwendigkeit, mit der Verurteilung vom 12. März 1996 eine - gebrochene - Gesamtstrafe zu bilden, ist übersehen worden.
Am 17. Februar 1997 ist festgestellt worden, dass die gesetzlich vorgesehene Gesamtstrafenbildung unterblieben ist. Zugleich hat sich herausgestellt, dass aufgrund der insoweit unzureichenden Feststellungen im Urteil des Amtsgerichts Arnsberg vom 10. Januar 1997 eine nachträgliche Gesamtstrafenbildung faktisch nicht möglich ist, weil nicht mehr festgestellt werden kann, welche Einzeltaten die Verurteilte bis zum 12. März 1996 und welche sie danach begangen hat.
Innerhalb der beiden ursprünglich festgesetzten Bewährungszeiten ist die Beschwerdeführerin erneut straffällig geworden und wegen eines am 14. Februar 1997 begangenen (Laden-)Diebstahls am 24. Juni 1997 durch das Amtsgericht Arnsberg zunächst zu einer zweimonatigen Freiheitsstrafe mit Strafaussetzung zur Bewährung und schließlich durch das Landgericht Arnsberg am 18. September 1997 zu einer zweimonatigen Freiheitsstrafe ohne Bewährung verurteilt worden. Dieses Urteil ist seit dem 26. September 1997 rechtskräftig. Die Verurteilte hat diese Freiheitsstrafe in der Zeit vom 12. Januar bis zum 11. März 1998 in der Justizvollzugsanstalt Bielefeld-Brackwede I verbüßt.
Durch die angefochtenen Beschlüsse hat die 16. Strafvollstreckungskammer Bielefeld die Bewährungen in beiden Verfahren widerrufen, weil die Verurteilte in der Bewährungszeit in krasser Weise erneut straffällig geworden sei. Die Beschlüsse sind der Verurteilten am 10. März 1998 zugestellt worden.
Hiergegen hat die Verurteilte am 13. März 1998, eingegangen beim Landgericht Bielefeld am selben Tage, sofortige Beschwerde eingelegt. Die angekündigte Begründung ist nicht erfolgt.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die sofortige Beschwerde als unbegründet zu verwerfen.
II. Die Rechtsmittel der Verurteilten hatten Erfolg. Die angefochtenen Beschlüsse waren aufzuheben. Die Strafvollstreckungskammer wird im Verfahren StVK H 436/98 (16) LG Bielefeld nunmehr zu prüfen haben, ob andere Gründe einem Erlass der Freiheitsstrafe von sechs Wochen aus dem Urteil des Amtsgerichts Arnsberg vom 12. März 1996 entgegenstehen.
Den sofortigen Beschwerden der Verurteilten konnte deshalb der Erfolg nicht versagt werden, weil die Verurteilte so zu behandeln ist, als wenn die neue Straftat vom 14. Februar 1997 nicht in die Bewährungszeiten der beiden Verfahren gefallen wäre.
Das Erfordernis, nachträglich eine Gesamtstrafe in den beiden widerrufenen Verfahren zu bilden, ist am 17. Februar 1997 festgestellt worden. Es ist davon auszugehen, dass eine derartige Entscheidung zeitnah erfolgt wäre, wenn die Feststellungen des Urteils des Amtsgerichts Arnsberg vom 10. Januar 1997 das zugelassen hätten. Ebenfalls ist als sicher davon auszugehen, dass die Vollstreckung der in einem solchen Verfahren zu bildenden beiden Strafen erneut zur Bewährung ausgesetzt worden wäre. Die Vorbelastungen der Verurteilten waren bekannt. In beiden Verfahren war ihr Strafaussetzung zur Bewährung bewilligt worden. Dass die Verurteilte am 14. Februar 1997 erneut straffällig geworden war, ist dagegen erstmals am 14. April 1997 in den vorliegenden Bewährungsverfahren bekannt geworden, und somit zu einem Zeitpunkt, in dem der eigentlich erforderliche Gesamtstrafenbeschluß bei normalem Geschäftsablauf schon rechtskräftig hätte sein können. Wäre die Gesamtstrafenbildung aber zeitnah nach dem 17. Februar 1997 erfolgt, wäre eine neue Bewährungszeit festzusetzen gewesen. Die Tat vom 14. Februar 1997 wäre nicht in diese neu zu bestimmende Bewährungszeit gefallen und hätte auch nicht mehr einen Widerruf nach sich ziehen können (vgl. Tröndle, StGB, 47. Auflage, § 56 f Rdnr. 3 a m. w. Nachw.). Dass eine nachträgliche Gesamtstrafenbildung wegen der unzureichenden Feststellungen im Urteil des Amtsgerichts Arnsberg vom 10. Januar 1997 nicht erfolgen konnte, darf der Verurteilten aber nicht zum Nachteil gereichen, so dass sie so zu behandeln ist, als wenn eine Gesamtstrafenbildung erfolgt wäre.
Die Staatskasse hatte die Kosten der Rechtsmittel zu tragen, weil die Beschwerdeführerin mit ihren Rechtsmitteln Erfolg hatte.
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