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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 3 Ws 145/98 OLG Hamm

Leitsatz: "Erkennender Richter" im Sinne des § 28 Abs. 2 Satz 2 StPO ist nicht nur der Richter, der in der Hauptverhandlung mitwirkt, sondern auch derjenige, der nur nach § 27 StPO berufen ist, über Ablehnungsgesuche gegen die in der Hauptverhandlung mitwirkenden Richter zu entscheiden.

Senat: 3

Gegenstand: Beschwerde

Stichworte: Ablehnung wegen Befangenheit, Anfechtbarkeit des Beschlusses, erkennender Richter

Normen: StPO 28 Abs 2, StPO 27

Beschluss: Strafsache gegen B. u. a.,
hier gegen: den Kaufmann D.K.i,
wegen Betruges u. a.,
(hier:sofortige Beschwerde gegen Zurückweisung eines Ablehnungsgesuches).

Auf die sofortige Beschwerde des Angeklagten vom 13. März 1998 gegen den Beschluss der IX. Strafkammer des Landgerichts Bielefeld vom 6. März 1998 hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 02.04.1998 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und den Richter am Landgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten des Angeklagten als unzulässig verworfen.

Gründe:
Durch den angefochtenen Beschluss hat die Strafkammer das Ablehnungsgesuch des Angeklagten vom 18. Februar 1998 gegen den Richter am Amtsgericht Dr. M., den Richter am Landgericht K. und die Richterin am Landgericht H. als unbegründet zurückgewiesen.

Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Angeklaqten, die sich als unzulässig erweist.

Nach § 28 Abs. 2 Satz 2 StPO kann die Entscheidung, durch die ein Antrag auf Ablehnung eines Richters als unzulässig verworfen oder aber als unbegründet zurückgewiesen worden ist, nur zusammen mit dem Urteil angefochten werden, soweit die Ablehnungsentscheidung einen erkennenden Richter betrifft. Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben. Die Richter am Amtsgericht Dr. M., Richter am Landgericht K. und Richterin am Landgericht H. waren erkennende Richter im Sinne des § 28 Abs. 2 Satz 2 StPO. Sie haben zwar lediglich mitgewirkt an einer Entscheidung vom 16. Februar 1998, mit der sie ein Ablehnungsgesuch des Angeklagten vom 5. Februar 1998 betreffend die drei Berufsrichter und die beiden Schöffinnen der mit der Durchführung der Hauptverhandlung gegen den Angeklagten befaßten IX. großen Strafkammer wegen Besorgnis der Befangenheit als unbegründet zurückgewiesen haben. Mit dieser Entscheidung wurden die Richter am Amtsgericht Dr. M., Richter am Landgericht K. und Richterin am Landgericht H. für die Zeit ihres Tätigwerdens "erkennende Richter"; sie waren berufen, an der Entscheidung über das Ablehnungsgesuch des Angeklagten vom 5. Februar 1998 zu entscheiden und wurden damit Mitglieder des Spruchkörpers, der die Entscheidung über das Ablehnungsgesuch des Angeklagten vom 5. Februar 1998 zu treffen hatte. Dass "erkennender Richter" im Sinne des § 28 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht nur der Richter ist, der in der Hauptverhandlung mitwirkt, sondern auch derjenige, der nur nach § 27 StPO berufen ist, über Ablehnungsgesuche gegen die in der Hauptverhandlung mitwirkenden Richter zu entscheiden, entspricht der herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur (vgl. Kammergericht JR 1976/26; OLG Düsseldorf, JMBl. NW 1976/67; OLG Hamm: Entscheidung vom 17. Oktober 1989 - 1 Ws 347/89 - ; Löwe-Rosenberg-Wendisch, StPO, 25. Aufl., § 28 Rz. 13; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 43. Aufl., § 28 Rz. 6; Karlsruher-Kommentar-Pfeiffer, 3. Aufl., § 28 Rdz. 3; SK StPO-Rudolphi, StPO § 28 Rz. 9; Heidelberger Kommentar/Lemke, StPO, § 28 Rz. 8). Nur diese Auffassung wird dem Zweck der Vorschrift des § 28 Abs. 2 Satz 2 StPO gerecht, zu verhindern, dass die kurz bevorstehende oder bereits begonnene Hauptverhandlung verzögert oder aber ihre Durchführung gar in Frage gestellt wird.

Nach alledem erweist sich die sofortige Beschwerde des Angeklagten gegen den Kammerbeschluß vom 6. März 1998 als unzulässig.

Abgesehen hiervon hätte die sofortige Beschwerde des Angeklagten auch in der Sache keinen Erfolg. Mit der angefochtenen Entscheidung hat die beschließende Kammer im Ergebnis das Ablehnungsgesuch zu Recht als unbegründet zurückgewiesen. Die Kammer in ihrer Besetzung vom 16. Februar 1998 war entgegen der Auffassung der Verteidigung nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet, die Prüfung der Begründetheit des Ablehnungsgesuchs des Angeklagten gegen die fünf die Hauptverhandlung durchführenden Richter in der geschehenen Weise vorzunehmen. Ihr oblag nämlich festzustellen, ob das Vorgehen der genannten Richter den Anschein der Willkür erweckt hat, ob sich der Eindruck einer sachwidrigen auf Voreingenommenheit beruhenden und sich zum Nachteil des Angeklagten auswirkenden Behandlung aufdrängte (vgl. BayObLG DRiZ 1977, 244). Sie hat dazu in einer notwendigen Gesamtwürdigung die in der Haftanordnung vom 3. Februar 1998 im einzelnen aufgeführten konkreten Umstände, die für die Gefahr sprechen, dass sich der Angeklagte dem Verfahren durch Flucht entziehen werde, erörtert und bejaht. Angesichts der dargestellten konkreten Umstände für die Fluchtgefahr erscheint es abwegig, aus dem offensichtlichen Fassungsversehen im Beschluss vom 3. Februar 1998, die Kammer halte es "für möglich", dass der Angeklagte sich dem Verfahren durch Flucht entziehen werde, den Schluss zu ziehen, die Kammer hätte willkürlich zum Nachteil des Angeklagten einen falschen Prüfungsmaßstab angesetzt bzw. habe dabei aus Voreingenommenheit gehandelt. Dies hat die Strafkammer in ihrer Besetzung vom 16. Februar 1998 zutreffend erkannt und ausgeführt.

Ebenso verhält es sich mit der im Beschluss vom 16. Februar 1998 erfolgten Würdigung der in der Haftanordnung vom 3. Februar 1998 verwandten Formulierung zu dem durch die Flucht des Mitangeklagten Brandenberger ausgelösten Nachahmungseffekt bzw. ausgelösten möglichen Nachahmungseffekt. Die nicht wortwörtliche Wiederholung der Formulierung aus dem Beschluss vom 3. Februar 1998 in dem Beschluss vom 16. Februar 1998 lässt sich keinesfalls als willkürliches Verhalten der Strafkammer in ihrer Besetzung vom 16. Februar 1998 bewerten, das Anlass zur Besorgnis von Befangenheit geben könnte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO.


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