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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 3 Ss 1395/97 OLG Hamm

Leitsatz: 1. Zur Begründung einer Vermögenfürsorgepflicht durch Vertrag.
2. Lässt sich der Angeklagte gegenüber dem Vorwurf der Vorenthaltens von Arbeitnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung dahin ein, er habe zum Zeitpunkt der Fälligkeit seiner Verpflichtungen zur Abführung der Arbeitnehmerbeiträge weder Geld für die Auszahlung der Löhne noch für die Sozialversicherungsbeiträge zur Verfügung gehabt, muss sich der Tatrichter damit auseinandersetzen.

Senat: 3

Gegenstand: Revision

Stichworte: Abtretung an Kreditgeber, Aufhebung, Betrug, Dreiecksbetrug, Untreue

Normen: StGB 266, StGB 266 a, StGB 263

Beschluss: Strafsache gegen H.T.,
wegen Untreue.

Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Gütersloh vom 6. August 1997 hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 05.03.1998 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht und die Richterinnen am Oberlandesgericht und nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft einstimmig beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.

Der Angeklagte wird freigesprochen, soweit ihm mit dem angefochtenen Urteil zur Last gelegt wird, sich in 47 Fällen der Untreue gemäß § 266 StGB schuldig gemacht zu haben.
Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten einschließlich derjenigen Kosten und notwendigen Auslagen, die in der ersten Instanz entstanden sind, werden der Landeskasse auferlegt, soweit der Angeklagte freigesprochen worden ist.

Soweit das angefochtene Urteil hinsichtlich der Verurteilung des Angeklagten wegen Vorenthaltens von Arbeitnehmerbeiträgen zu Sozialversicherungen in vier Fällen aufgehoben worden ist, wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Gütersloh zurückverwiesen.

Gründe:
I. Mit dem angefochtenen Urteil ist der Angeklagte wegen Untreue in 47 Fällen und wegen Vorenthaltens von Arbeitnehmerbeiträgen zu Sozialversicherung in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt worden.

Nach den von dem Amtsgericht getroffenen Feststellungen war der Angeklagte, der sich als Handelsvertreter im Verlagsgeschäft selbständig gemacht hatte, mit der Erstellung eines Buches, dass eine Darstellung der Firmenchronik alteingesessener Firmen eingebettet in die Stadt- und Kreisgeschichte beinhalten und den Titel "Traditionen im Kreis Gütersloh" tragen sollte, befaßt. Ein Gewinn durch die Herausgabe dieses Buches sollte sich nach Deckung der zunächst fremd finanzierten Kosten maßgeblich daraus ergeben, dass die in dem Buch vorgestellten Firmen aus dem Kreis Gütersloh je nach dem Umfang der Darstellung ihrer Firmenchronik Beträge zwischen 4.000,00 DM und 15.000,00 DM bei der Buchveröffentlichung zahlen sollten. Aufgrund einer mit dem Angeklagten getroffenen Absprache übernahm es der Zeuge N., Firmen in Gütersloh als Kunden für das Projekt des Angeklagten zu gewinnen, wobei er als selbständiger Handelsvertreter tätig wurde. Ihm gelang es in der Folgezeit, eine erhebliche Anzahl von Firmen anzuwerben, die an einer Darstellung ihrer Chronik in dem Buch des Angeklagten interessiert waren. Der auf der Grundlage der von diesen Firmen zu zahlenden Beträge errechnete Bruttoumsatz betrug ca. 800.000,00 DM. Der Zeuge N. hatte dem Angeklagten außerdem zur Deckung von Verbindlichkeiten in Höhe von etwa 160.000,00 DM aus der vorangegangenen Veröffentlichung des Buches mit dem Titel "Traditionen in der Stadt Potsdam" durch schriftlichen Darlehnsvertrag vom 30.07.1993 ein bis zum 30.09.1994 zurückzuführendes Darlehn in Höhe von 200.000,00 DM gewährt. Nachdem es zwischen dem Angeklagten und dem Zeugen N. zu erheblichen Streitigkeiten und persönlichen Differenzen gekommen war, verlangte der Zeuge N. von dem Angeklagten eine Absicherung sowohl seines Darlehnsrückzahlungsanspruches als auch seiner Provisionsforderungen, die ihm gegen den Angeklagten aufgrund seiner Tätigkeit als Handelsvertreter aus der Anwerbung Gütersloher Firmen zustanden. Durch schriftliche Abtretungsvereinbarung vom 12.09.1994 trat daraufhin der Angeklagte zur Sicherung der Darlehns- und Provisionsforderungen des Zeugen N. nebst weiterer Zinsen und Kosten an den Zeugen seine Ansprüche aus den von dem Zeugen N. vermittelten Verträgen mit Anzeigenkunden, die in dem Buch "Traditionen im Kreis Gütersloh" vorgestellt werden sollten, ab.

Auch die Sparkasse Gütersloh, die bereits in der Vergangenheit ihre Bereitschaft signalisiert hatte, die mit der Herausgabe des Buches verbundenen Kosten, insbesondere die Druckkosten, die Kosten für die beschäftigten Mitarbeiter, sowie die Lebenshaltungskosten des Angeklagten und seiner Familie vorzufinanzieren, war nunmehr zu einem finanziellen Engagement, ohne dass ihr Sicherheiten bestellt wurden, nicht mehr bereit. Am 08.11.1994 - bei der Datumsangabe 08.11.1995 in dem angefochtenen Urteil handelt es sich unter Berücksichtigung der angegebenen Tatzeiten offensichtlich um ein Versehen - schlossen die Sparkasse Gütersloh, vertreten durch den Zeugen H., der Angeklagte und der Zeuge N. eine schriftliche Vereinbarung. Danach verpflichtete sich die Sparkasse Gütersloh, die noch notwendigen Auslagen gemäß Kostenaufstellung vom 20.10.1994 für das von dem Angeklagten herauszugebende Buch bis zu dessen Erscheinen, insbesondere die Druckkosten, allerdings nicht die Provisions- und Darlehnsforderungen des Zeugen N., zu finanzieren. Der Zeuge N. gab die von dem Angeklagten an ihn abgetretenen Forderungen wieder frei, und der Angeklagte trat diese Forderungen an die Sparkasse Gütersloh als Änderung zur Globalzession vom 22.09.1994 ab. Außerdem wurde vereinbart, dass die aus den Buchverkäufen eingehenden Erlöse zu 55 % der Sparkasse Gütersloh und zu 45 % dem Zeugen N. zufließen sollten, wobei zwischen den Vertragsparteien Einigkeit darüber herrschte, dass diese Vereinbarung sich nicht ausschließlich auf den Erlös aus späteren Buchverkäufen, deren Größenordnung zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht absehbar war, beziehen sollte, sondern dass damit in erster Linie die Zahlungen der in dem Buch des Angeklagten dargestellten-Firmen auf die an die Sparkasse abgetretenen Forderungen aus den wesentlichen von dem Zeugen N. vermittelten Verträgen gemeint sein sollten. Die Vertragsparteien einigten sich außerdem mündlich darüber, dass die von dem geworbenen Firmen gezahlten Gelder von dem Angeklagten auf sein Konto bei der Sparkasse Gütersloh mit der Kontonummer 4698 eingezogen werden sollten, um sodann entsprechend der getroffenen Vereinbarung an die Sparkasse Gütersloh bez. an den Zeugen N. weitergeleitet zu werden. Während des Zeitraumes von Dezember 1994 bis Juli 1995 - um die Jahreswende 1994/1995 erfolgte die Veröffentlichung des Buches "Traditionen im Kreis Gütersloh" - wurden dem oben genannten Konto des Angeklagten ganz überwiegend durch Überweisungen der in dem Buch des Angeklagten dargestellten Firmen über 450.000,00 DM zugeführt und anschließend entsprechend der Vereinbarung vom 08.11.1994 aufgeteilt. In dem Zeitraum vom 13. Dezember 1994 bis zum 11. September 1995 nahm der Angeklagte aber gleichzeitig in insgesamt 55 Fällen Schecks von angeworbenen und in dem Buch auch dargestellten Firmen entgegen, reichte diese jedoch nicht auf sein Konto bei der Sparkasse Gütersloh ein, sondern zog die Scheckbeträge in Höhe von insgesamt 293.805,06 DM ohne Rücksprache mit der Sparkasse Gütersloh über ein Konto seiner Ehefrau G.T. bei der Dresdner Bank sowie in vier Fällen über ein eigenes Konto bei der Postbank Hannover ein. Die Scheckeinziehungen durch den Angeklagten erfolgten in den Fällen 1 bis 42 und 51 bis 55 der Liste Seite 10 des Urteils während des Zeitraumes vom 13.12.1994 bis zum 09.03.1995 und in den Fällen 43 bis 50 dieser Liste während des Zeitraumes von 03.08.1995 bis 11.09.1995. Die abredewidrig eingezogenen Gelder verwandte der Angeklagte zur Tilgung eigener Verbindlichkeiten, und zwar im wesentlichen zur Begleichung von Kosten, die mit der Erstellung und dem Vertrieb seines Buches "Traditionen im Kreis Gütersloh" im Zusammenhang standen.

Nachdem für die Sparkasse Gütersloh deutlich geworden war, dass der Angeklagte Schecks abredewidrig über das Konto seiner Ehefrau eingezogen hatte, kündigte sie schließlich im Mai 1995 die dem Angeklagten zur Verfügung gestellten Kredite und legte ihre Inhaberschaft an den von dem Angeklagten ihr abgetretenen Forderungen gegenüber den in dem Buch des Angeklagten dargestellten Firmen offen.
Der Angeklagte hatte, als er mit der Erstellung des Buches "Traditionen im Kreis Gütersloh" befaßt war, als Arbeitnehmer seine Ehefrau G.T., pflichtversichert bei der DAK in Gütersloh, sowie Herrn Walkenfort, pflichtversichert bei der Barmer Ersatzkasse in Bielefeld, beschäftigt. Da dem Angeklagten von der Sparkasse Gütersloh infolge seiner abredewidrigen Einziehung von Firmengeldern die Kredite gekündigt worden waren, konnte er für die beiden Arbeitnehmer die Arbeitnehmeranteile für die Monate April und Mai 1995, fällig am 15. Mai und 15. Juli 1995, in Höhe von insgesamt 2.644,50 DM nicht mehr zahlen.

Der Angeklagte hat sich nach den Urteilsfeststellungen zu diesem Sachverhalt dahingehend eingelassen, dass er zu dem Fälligkeitszeitpunkten im April und Mai 1995 weder Geld für die Auszahlung der Löhne noch für die Sozialversicherungsbeiträge mehr zur Verfügung gehabt habe. Bei den Ratenzahlungsvereinbarungen mit den Versicherungen im Juli 1995 habe er geglaubt, dass die Sparkasse vielleicht doch noch zahle.

Das Amtsgericht ist aufgrund der getroffenen Feststellungen zu dem Ergebnis gelangt, dass sich der Angeklagte in den Fällen der abredewidrig eingezogenen Schecks der Untreue im Sinne der zweiten Alternative des § 266 Abs. 1 StGB in 47 Fällen strafbar gemacht habe. Bezüglich der Scheckeinzugfälle 43 bis 50 sowohl des Urteils als auch der Anklageschrift vom 6. August 1996 hat das Amtsgericht das Verfahren auf Antrag des Anklagevertreters im Hauptverhandlungstermin nach § 154 Abs. 2 StPO eingestellt.
Das Amtsgericht hat die Ansicht vertreten, der Angeklagte habe eine wesentliche und nicht nur beiläufige Pflicht zur fremdnützigen Vermögensfürsorge rechtsgeschäftlich dadurch übernommen, dass er die Zahlungen der in seinem Buch dargestellten Firmen auf die an die Sparkasse abgetretenen Forderungen auf sein Konto zur Weiterleitung an die Sparkasse und an den Zeugen N. einziehen sollte. Diese Verpflichtung habe er verletzt, als er die ihm übergebenen Schecks abredewidrig über sein Konto bzw. über das Konto seiner Ehefrau eingezogen habe. Dadurch sei dem zu betreuenden Vermögen der im Hinblick auf die Zahlungseingänge berechtigten Sparkasse und des Zeugen N. auch Nachteil zugefügt worden, da die Gelder entgegen der getroffenen Absprache nicht in deren Verfügungsmacht gelangt seien.

Das Amtsgericht hat den Angeklagten außerdem auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen des Vorenthaltens von Arbeitnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung in vier Fällen gemäß § 266 a StGB für schuldig befunden. Es hat für diese vier Fälle jeweils Einsatzstrafen von einem Monat und für die 47 Taten gemäß § 266 StGB Einsatzfreiheitsstrafen von jeweils zwei Monaten angesetzt und aus diesen Einzelfreiheitsstrafen eine Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten gebildet, deren Vollstrekkung zur Bewährung ausgesetzt worden ist.

Gegen das oben genannte Urteil richtet sich die Revision des Angeklagten, mit der dieser sowohl eine Verletzung formellen als auch materiellen Rechts rügt.

II. Die Revision hat bereits mit der erhobenen Sachrüge Erfolg. Diese führt nämlich zu einem Freispruch des Angeklagten hinsichtlich des Vorwurfes der Untreue in 47 Fällen sowie in bezug auf die Verurteilung des Angeklagten gemäß § 266 a StGB in vier Fällen zu einer Aufhebung des angefochtenen Urteils und im Umfang dieser Aufhebung zu einer Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht zur erneuten Verhandlung und Entscheidung. Die erhobenen Verfahrensrügen bedurften daher keiner Erörterung.

1. Die Verurteilung des Angeklagten wegen Untreue in 47 Fällen kann keinen Bestand haben.

a) Untreue gemäß § 266 StGB in der von dem Amtsgericht angenommenen Tatbestandsalternative des Treuebruchs setzt voraus, dass der Täter innerhalb eines nicht unbedeutenden Pflichtenkreises zu einer fremdnützigen Vermögensfürsorge verpflichtet ist sowie, dass dem Täter die ihm übertragene Tätigkeit nicht durch ins einzelne gehende Weisungen vorgezeichnet ist, sondern ihm Raum für eigenverantwortliche Entscheidungen und eine gewisse Selbständigkeit beläßt (vgl. BGH NJW 1991, 2574; Lackner, StGB, 22. Aufl., § 266 Rz. 9; Dreher/Tröndle, StGB, 47. Aufl., § 266 Rz. 8, jeweils mit weiteren Nachweisen). Aus vertraglichen Verpflichtungen kann ein derart qualifiziertes Treueverhältnis nur hergeleitet werden, wenn die Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen nicht nur beiläufige Vertragspflicht, sondern Hauptgegenstand und damit typischer und wesentlicher Inhalt der Rechtsbeziehung zwischen den Beteiligten ist (vgl. BGH wistra 1984, 143 m.w.N.; Lackner a.a.O., § 266 Rz. 11, jeweils m.w.N.).

Nach den getroffenen Feststellungen war zwischen dem Angeklagten und der Sparkasse Gütersloh zum Zwecke der Finanzierung der notwendigen Auslagen für die Herausgabe des Buches "Traditionen im Kreis Gütersloh" ein Kreditvertrag abgeschlossen worden. Typische und wesentliche Verpflichtung des Kreditnehmers ist es, den ihm gewährten Kredit zurückzuzahlen. Die Rückführung des aufgenommenen Darlehns bleibt auch dann alleinige Hauptpflicht des Kreditnehmers, wenn dieser durch den Kreditgeber ermächtigt worden ist, die zur Sicherung des Kredites von ihm abgetretenen Forderungen im eigenen Namen einzuziehen sich aber gleichzeitig verpflichtet hat, die eingezogenen Beträge jeweils an den Kreditgeber zur Tilgung der Kreditverbindlichkeit abzufahren. Denn auch bei einer solchen Fallgestaltung hat der Kreditnehmer lediglich zur Erfüllung seiner vertraglichen Hauptverpflichtung an den Kreditgeber zu leisten, nicht aber für diesen zu handeln (vgl. BGH wistra 1984, 143). Durch die Vereinbarung über die Einbeziehung der abgetretenen Forderungen und die Weiterleitung der eingezogenen Geldbeträge an den Kreditgeber unter Anrechnung auf die Kreditverbindlichkeit wurde lediglich eine Abrede über die Art und Weise der Erfüllung der dem Kreditnehmer aus dem Darlehnsvertrag obliegenden Hauptverpflichtung - Rückzahlung des Darlehen - getroffen.

Eine Vermögensfürsorgepflicht des Angeklagten von einigem Gewicht, wie sie § 266 StGB für die Begehung des Treuebruchstatbestandes voraussetzt, ist daher im vorliegenden Fall im Verhältnis zu der Sparkasse als Kreditgeberin durch die Vereinbarung vom 08.11.1994 nicht begründet worden. Ebensowenig lässt sich eine derartige qualifizierte Verpflichtung des Angeklagten zur Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen im Verhältnis zu dem Zeugen N. feststellen. Diesem stand nämlich nicht gegen den Angeklagten, sondern nur gegen Sparkasse Gütersloh als Inhaberin der abgetretenen Forderungen ein Anspruch darauf zu, dass an ihn 45 % der Erlöse aus diesen Forderungen abgeführt wurden.

b) Der Angeklagte hat sich auch nicht der Untreue in der Form des Mißbrauchstatbestandes schuldig gemacht. Denn der Angeklagte war nach den getroffenen Feststellungen von der Sparkasse Gütersloh zu einer Einziehung der zur Sicherung seiner Darlehensverbindlichkeiten abgetretenen Forderungen, und zwar wohl im eigenen Namen, da die Zession zunächst nicht offen gelegt worden war, ermächtigt worden. Soweit der Angeklagte die erhaltenen Schecks nicht über das vereinbarte Konto bei der Sparkasse Gütersloh eingezogen und damit nicht an die Zessionarin weitergeleitet hat, war dieses Verhalten zwar abredewidrig. Es beinhaltete aber keinen Missbrauch einer Verfügungs- oder Verpflichtungsmacht, wie sie § 266 Abs. 1 Satz 1, 1. Alternative StGB voraussetzt. (vgl. BGH wistra 1984, 143).

2. Das Verhalten des Angeklagten erfüllt auch keinen sonstigen Straftatbestand, insbesondere kommt mangels einer Täuschungshandlung des Angeklagten auch kein Betrug gemäß § 263 StGB in Betracht. Denn der Angeklagte hat die 47 Schecks nicht mittels einer Täuschung der Scheckgeber über seine Berechtigung zur Einziehung der an die Sparkasse Gütersloh abgetretenen Forderungen und damit auch zur Entgegennahme von Scheckzahlungen erlangt, sondern war aufgrund der ihm erteilten Einziehungsermächtigung tatsächlich befugt, die Schecks entgegen zu nehmen.
Der Angeklagte war daher von dem Vorwurf der Untreue in 47 Fällen freizusprechen.

3. Für den Fall einer etwaigen Wiederaufnahme des Verfahrens, soweit dieses gemäß § 154 Abs. 2 StPO hinsichtlich der Fälle 43 bis 50 der Liste Seite 10 des Urteils eingestellt worden ist, weist der Senat vorsorglich auf folgendes hin:

Die Einziehung der Schecks geschah in den Fällen 43 bis 50 jeweils nach der im Mai 1995 erfolgten Offenlegung der Sicherungszession durch die Sparkasse Gütersloh gegenüber den in dem Buch des Angeklagten dargestellten Firmen und nach der Kündigung der Kredite gegenüber dem Angeklagten, so dass mit Rücksicht darauf, dass die abredewidrigen Scheckeinziehungen des Angeklagten der Sparkasse Gütersloh nach den Urteilsfeststellungen bekannt waren, davon auszugehen ist, dass diese gegenüber dem Angeklagten auch die erteilte Einziehungsermächtigung widerrufen hatte. Dann käme ein Betrug des Angeklagten in Betracht. Denn die Einziehung der abgetretenen Forderungen und die Entgegennahme zur Erfüllung dieser Forderungen geleisteter Schecks beinhaltete dann konkludent die Erklärung, Inhaber der Forderungen oder zu deren Einziehung berechtigt zu sein (vgl. Dreher/Tröndle, StGB, 47. Aufl., § 263 Rdz. 7). Fraglich wäre ein Betrug des Angeklagten aber, falls Schuldnern der abgetretenen Forderungen bei der Hingabe der Schecks die Zession nicht bekannt war, etwa, weil sie von der Abtretungsanzeige keine Kenntnis hatten oder weil sich die Abtretungsanzeige der Sparkasse Gütersloh nicht oder nicht hinreichend deutlich auf diejenigen Forderungen bezogen hat, die durch die Scheckzahlungen beglichen werden sollten. Die Schuldner konnten in diesem Fall gemäß § 407 Abs. 1 BGB mit befreiender Wirkung noch an den Angeklagten zur Erfüllung der abgetretenen Forderungen leisten, so dass ihnen durch die Scheckhingabe ein Vermögensschaden nicht entstanden wäre.
Die Annahme eines Betruges zu Lasten der Sparkasse Gütersloh in der Form des sogenannten "Dreiecksbetruges" würde voraussetzen, dass man die Tilgung einer abgetretenen Forderung durch Zahlung des Schuldners an den Altgläubiger gemäß § 407 BGB als betrugsrelevante Verfügung des Schuldners über das Vermögen des Zessionars ansieht(bejahend OLG Celle NJW 1994, 142; Lackner in LK, StGB, 10. Aufl., § 263 Rdz. 109 ff (115) m. w. Nw; a.A. Samson/Günther in SK-StGB, Stand Juni 1996, § 263 Rdz. 97, 98 m. w. Nw.; Linnemann in wistra 1994, 167 und Krack/Radtke in JuS 1995, 17, jeweils zugleich kritische Besprechung der Entscheidung des OLG Celle NJW 1994, 142). Für eine abschließende Entscheidung des Senats über diese Frage besteht derzeit kein Anlass. Der Senat weist allerdings - ohne einer solchen Entscheidung vorgreifen zu wollen - darauf hin, dass sich Bedenken gegen die Annahme einer betrugsrelvanten Vermögensverfügung bei einer solchen Fallgestaltung daraus ergeben könnten, dass die Vorschrift des § 407 BGB ausschließlich dem Schutz des Schuldners dient, der gutgläubig an einen Nichtgläubiger leistet. Die Tilungswirkung zu Lasten des wahren Gläubigers im Falle des § 407 Abs. 1 BGB ist Folge der Gutgläubigkeit und der daraus sich ergebenden Schutzwürdigkeit des Schuldners, der in Unkenntnis der Abtretung an den alten Gläubiger gezahlt hat. Sie beruht dagegen nicht darauf, dass der Schuldner befugt ist, über das Vermögen des Neugläubigers zu verfügen.

4.) Auch die Verurteilung des Angeklagten wegen Vorenthaltens von Arbeitnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung gemäß § 266 a StGB in 4 Fällen hält einer rechtlichen Nachprüfung in materiell-rechtlicher Hinsicht nicht stand.

Das angefochtene Urteil lässt nämlich eine hinreichende Auseinandersetzung mit der Einlassung des Angeklagten, er habe zum Zeitpunkt der Fälligkeit seiner Verpflichtungen zur Abführung der Arbeitnehmerbeiträge im April und Mai 1995 - gemeint ist wohl für April und Mai 1995 entsprechend den Feststellungen auf Seite 13 des angefochtenen Urteils - weder Geld für die Auszahlung der Löhne noch für die Sozialversicherungsbeiträge zur Verfügung gehabt, vermissen.

Dies wäre aber erforderlich gewesen. Denn die Unmöglichkeit normgemäßen Handelns lässt die Tatbestandsmäßigkeit bei Unterlassungsdelikten, zu denen auch das Vorenthalten von Arbeitnehmerbeiträgen gemäß § 266 a StGB zählt, entfallen. Dem Arbeitgeber kann daher ein strafbarer Verstoß gegen § 266 a StGB dann nicht vorgeworfen werden, wenn ihm die Abführung der Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung zum FälligkeitsZeitpunkt wegen Zahlungsunfähigkeit oder aus anderen Gründen nicht möglich war (vgl. BGH NJW 1997, 131 sowie 133).

Allerdings kann die Zahlungsunfähigkeit zum Fälligkeitszeitpunkt den Arbeitgeber dann nicht entlasten, wenn dieser durch zusätzliche Vorkehrungen dafür hätte Sorge tragen müssen, dass er zum Fälligkeitszeitpunkt über ausreichende Mittel verfügte oder Maßnahmen hätte unterlassen müssen, die geeignet waren, seine Liquidität zu verringern (vgl. BGH NJW 1997, 133).

Auch unter Berücksichtigung dieses Gesichtspunktes war eine Auseinandersetzung mit der Einlassung des Angeklagten hier nicht entbehrlich. Das Amtsgericht hat zwar festgestellt, der Angeklagte sei zu einer Zahlung der Arbeitnehmerbeiträge an die Einzugsstelle deshalb nicht in der Lage gewesen, weil die Sparkasse Gürtersloh wegen der abredewidrigen Einziehung der Beträge aus den abgetretenen Forderungen die gewährten Kredite gekündigt habe. Diese Feststellung lässt sich jedoch an Hand der Urteilsgründe nicht nachvollziehen. Gemäß Ziffer 1 der in den Urteilsgründen wiedergegebenen Vereinbarung vom 08.11.1994 hatte die Sparkasse Gütersloh sich nämlich lediglich verpflichtet, die noch notwendigen Auslagen gemäß Kostenaufstellung vom 20.10.1994 für das Buch "Traditionen im Kreis Gütersloh" bis zum Erscheinen des Buches zu finanzieren. Erschienen war das Buch aber nach den Urteilsfeststellungen schon um die Jahreswende 1994/1995. dass und gegebenenfalls welche konkreten Kredite dem Angeklagten über diesen Zeitpunkt hinaus in welcher Höhe gewährt worden wären, wenn er nicht abredewidrig eingezogene Beträge der Sparkasse Gütersloh vorenthalten hätte, lässt sich aus dem angefochtenen Urteil nicht entnehmen.
Das angefochtene Urteil war daher auch bezüglich der Verurteilung wegen Vorenthaltens von Arbeitnehmerbeiträgen in 4 Fällen aufzuheben und, da insoweit weitere Feststellungen möglich erscheinen, im Umfang dieser Aufhebung zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Gütersloh zurückzuverweisen.


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