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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 3 Ws 182/98 OLG Hamm

Leitsatz: 1. Während einer unterbrochenen Hauptverhandlung ist über einen Haftprüfungsantrag ohne Beteiligung der Schöffen zu entscheiden.
2. Zu den Begründungsanforderungen einer während einer laufenden Hauptverhandlung ergehenden Haftentscheidung.

Senat: 3

Gericht: OLG Hamm

Gegenstand: Beschwerde

Stichworte: Begründung, Begründungsanforderungen an Haftentscheidung, Besetzung bei Haftentscheidung in Hauptverhandlung, Haft, Haftprüfung, Hauptverhandlung, Schöffen

Normen: 117 StPO, 76 GVG

Fundstelle: StV 1998, 388

Beschluss: Strafsache gegen B. u.a.,
hier: D.K.
hier: Beschwerde des Angeklagten gegen die Anordnung von Haftfortdauer.

Auf die Beschwerde des Angeklagten vom 14. April 1998 gegen den auf eine mündliche Haftprüfung vom 31. März 1998 ergangenen Haftfortdauerbeschluß der 9. Strafkammer des Landgerichts Bielefeld hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 22.04.1998 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Landgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Die Beschwerde wird auf Kosten des Beschwerdeführers als unbegründet verworfen.

Gründe:
I. Der Angeklagte K. hat sich im vorliegenden Verfahren aufgrund des Haftbefehls des Amtsgerichts Bielefeld vom 17. Juni 1994 - 9 Gs 1858/94 -, zuletzt neu gefaßt am 29. Februar 1996 durch das Landgericht Bielefeld - 9 KLs K 2/95 IX -, in der Zeit vom 17. Juni 1994 bis zum 21. Juni 1996 in Untersuchungshaft in der Justizvollzugsanstalt Bielefeld-Brackwede I befunden. An diesem Tage, dem 10. Verhandlungstag der seit dem 26. April 1996 laufenden Hauptverhandlung im Verfahren gegen B. u.a., hat die 9. Strafkammer des Landgerichts Bielefeld den Haftbefehl aufgehoben, weil mangels Fluchtgefahr kein Haftgrund mehr bestehe. Die Kammer hat ihre Entscheidung einerseits mit dem Alter des Angeklagten - er war damals 62 Jahre alt - und mit dem persönlichen Eindruck begründet, den der Angeklagte während seiner Vernehmung vor der Kammer bis zu diesem Zeitpunkt gemacht habe. Die Kammer hatte den Eindruck gewonnen, dem Angeklagten liege an einer Verteidigung vor Gericht wesentlich mehr als an einer Flucht. Zudem sei bei dem gesundheitlich angeschlagenen Angeklagten K.aus ärztlicher Sicht eine Herzkathederuntersuchung angeraten, die unter den Bedingungen einer Flucht nicht sichergestellt sei.

Am 3. Februar 1998 - an diesem Tage fand der 117. Verhandlungstag in der vorliegenden Strafsache statt - hat die 9.Strafkammer in der Besetzung mit drei Berufsrichtern und ohne Beteiligung der Schöffen außerhalb der Hauptverhandlung einen neuen Haftbefehl gegen den Angeklagten K.erlassen. Darin ist aufgeführt, nach dem bisherigen Ergebnis der Beweisaufnahme spreche vieles dafür, dass der Angeklagte K.den Vertretern der Refinanzierungsbanken vorgespiegelt habe, die P. GmbH nehme Kredite zur Refinanzierung werthaltiger, von der B.-Gruppe angekaufter Forderungen in Anspruch. Tatsächlich aber habe der Angeklagte K.nach Würdigung der bisher erhobenen Beweise gewußt, dass die der P. GmbH von den ausländischen Tochtergesellschaften der B.-Gruppe aus dem Sportbodenbereich angedienten Forderungen nicht bestanden hätten. Dem Angeklagten K.sei nämlich bekannt gewesen, dass eine zugunsten der P. GmbH eingerichtete Lockbox bei der Barclays Bank in New York nicht existiert habe und Zahlungen der amerikanischen Drittschuldner ab 1989/90 an die P. nicht erfolgt seien. Das bisherige Beweisergebnis deute ferner stark darauf hin, dass der Angeklagte K.die Umsatzlosigkeit der von der P. GmbH bei verschiedenen, im Ausland (z.B. Frankreich, England, Finnland) unterhaltenen Konten gekannt habe und er demgemäss gewußt habe, dass auch in diesen Ländern Zahlungen der Drittschuldner tatsächlich nicht geleistet worden seien. Daraus habe sich für ihn ergeben, dass die B.-Gruppe - ohne dass die Drittschuldner Zahlung geleistet hätten - für die Rückführung der von der P. bevorschußten Mittel gesorgt habe.

Diesen Sachverhalt hat die 9. Strafkammer als gemeinschaftliche Betrugshandlungen gemäß §§ 263 Abs. 1 und Abs. 3, 53, 25 Abs. 2 StGB gewertet.

Weiter hat die Kammer den Haftgrund der Fluchtgefahr gemäß §112 Abs. 2 Nr. 2 StPO bejaht. Dieser ergebe sich daraus, dass der Angeklagte K.nach den von der Kammer erteilten tatsächlichen und rechtlichen Hinweisen sowie den bisher erhobenen Beweisen davon ausgehen müsse, dass sich sein zu Beginn des Prozesses erklärtes Ziel voraussichtlich nicht erreichen lasse, die gegen ihn erhobenen Vorwürfe zu entkräften und freigesprochen zu werden. In der letzten Sitzung sei er zudem darauf hingewiesen worden, dass das Verfahren nach Ansicht der Kammer demnächst beendet werden könne, so dass der Angeklagte nunmehr damit rechnen müsse, in absehbarer Zeit mit einer erheblichen Freiheitsstrafe belegt zu werden. Die daraus resultierende Fluchtgefahr hat die Kammer weiter mit einem Nachahmeffekt, der durch die Flucht des Mitangeklagten B. ausgelöst werden könne, begründet.

Dieser Haftbefehl ist dem Angeklagten K., der am 3. Februar 1998 notfallmäßig intensivärztlicher Behandlung zugeführt und am 4. Februar 1998 im Krankenhaus festgenommen worden war, am 5. Februar 1998 im Justizkrankenhaus Fröndenberg gemäß §115a StPO verkündet worden.

Am 26. Februar 1998 hat die 9. Strafkammer mit drei Berufsrichtern und ohne Schöffen von Amts wegen eine mündliche Haftprüfung gemäß §118 StPO durchgeführt. Die Kammer hat einen Sachverständigen zum Gesundheitszustand des Angeklagten K. angehört. Die Anträge auf Aufhebung, hilfsweise Außervollzugsetzung des Haftbefehls sind verworfen, Fluchtgefahr ist weiterhin bejaht worden. Es ist die Einholung eines weiteren Gutachtens zum Gesundheitszustand des Angeklagten K., insbesondere zu seiner Haft- und Verhandlungsfähigkeit, angeordnet worden.

Auf Antrag der Verteidigung des Angeklagten K.vom 23. März 1998 hat am 31. März 1998 im Anschluß an die Hauptverhandlung dieses Tages eine mündliche Haftprüfung durch die drei Berufsrichter ohne die Schöffen stattgefunden.

Das Landgericht hat in dieser Besetzung entschieden, den Haftbefehl und dessen Vollzug aufrechtzuerhalten. Zur Begründung hat die Kammer aufgeführt, der Angeklagte K.sei zahlreicher Betrugstaten zum Nachteil der Refinanzierungsbanken dringend verdächtig. Nach dem bisherigen Ergebnis der Beweisaufnahme deute vieles darauf hin, dass der Angeklagte die Umsatzlosigkeit der bei verschiedenen im Ausland unterhaltenen Konten gekannt habe und gewußt habe, dass die P. GmbH bei der Barclays Bank in New York keine Lockbox und auch kein Lockbox-account unterhalten habe. Mit hoher Wahrscheinlichkeit sei ihm damit klar gewesen, dass die B. AG für die Rückführung der Bevorschussung durch die P. gesorgt habe, ohne dass die ausländischen Kommunen oder sonstigen ausländischen Drittschuldner - soweit es um den Sportstättenbau gegangen sei - Zahlungen geleistet hätten.

Auch Fluchtgefahr sei gegeben. Der Angeklagte K. habe im Falle seiner Verurteilung mit einer erheblichen Freiheitsstrafe zu rechnen, wobei das Prozeßende aus der Sicht der Kammer konkret ins Auge gefaßt sei. In dieser konkreten Situation halte es die Kammer unter Abwägung aller Gesichtspunkte für sehr wahrscheinlich, dass sich der Angeklagte K.im Falle der Aufhebung oder Außervollzugsetzung des Haftbefehls dem weiteren Verfahren durch Flucht entziehe. Dafür spreche auch das fortgeschrittene Lebensalter des Angeklagten. Die Kammer verkenne zwar nicht, dass der zunächst ergangene Haftbefehl unter anderem auch mit Blick auf das fortgeschrittene Lebensalter und den damals angegriffenen Gesundheitszustand des Angeklagten K. aufgehoben worden sei, inzwischen habe sich jedoch eine Veränderung der Umstände ergeben. Damals sei der Angeklagte K. davon ausgegangen, sich erfolgreich gegen die gegen ihn erhobenen Vorwürfe verteidigen zu können. Diese Vorstellung sei nach den dem Angeklagten gegebenen Hinweisen nicht mehr gegeben. Gerade mit Blick auf das Lebensalter werde die Flucht einen erheblichen Anreiz darstellen, den "Lebensabend" in Freiheit verbringen zu können. Hinzu komme, dass die "Hemmschwelle" für eine derartige Flucht durch die Flucht des Angeklagten Brandenberger abgesenkt sei. Die im Haftprüfungsverfahren vom Angeklagten und seinen Verteidigern hervorgehobenen Umstände stünden der Fluchtgefahr nicht entgegen. Es sei zwar anzunehmen, dass der Angeklagte K. seinem Sohn Thorsten bei dem Aufbau der gegründeten Factoringgesellschaft mit Rat und Tat zur Seite stehe, nicht jedoch, dass das weitere berufliche Schicksal seines Sohnes, der nach Auskunft des Angeklagten K. ein blendendes Examen gemacht habe, entscheidend von seiner Mitwirkung abhänge. Es sei zudem auch vorstellbar, dass sein Sohn Thorsten bei der Bewältigung der mit dem Aufbau des Unternehmens auftretenden Probleme Unterstützung durch den großen Freundeskreis des Angeklagten erfahre. Auch die intakten familiären und sozialen Bindungen stünden einer Flucht nicht entgegen.

Bei dieser Sachlage komme auch eine Haftverschonung nicht in Betracht.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde des Angeklagten vom 14. April 1998, die am folgenden Tage bei Gericht eingegangen ist und der die Kammer nicht abgeholfen hat. Die Beschwerde rügt unter näherer Darlegung, dass an der Haftprüfungsentscheidung nur die drei Berufsrichter, nicht jedoch auch die beiden Schöffen teilgenommen haben. Deshalb sei diese Entscheidung in fehlerhafter Besetzung zustande gekommen. Hinsichtlich der Ausführungen des angefochtenen Beschlusses zum dringenden Tatverdacht wird gerügt, dass die Annahme des dringenden Tatverdachts nicht in ausreichender Weise dargelegt worden sei, so dass dieser durch das Beschwerdegericht nicht überprüft werden könne. Erforderlich sei insoweit eine Darstellung des Beweisergebnisses mit den für die Haftfrage entscheidungserheblichen be- und entlastenden Gesichtspunkten. Letztlich meint die Beschwerde, die Fluchtgefahr sei unzureichend und mit an den Realitäten vorbeigehenden Argumenten zu Unrecht bejaht worden. Zumindest jedoch die Gestellung einer Sicherheit in Höhe von 1,5 Mio. DM durch Freunde in Verbindung mit einer engen Meldeauflage, notfalls auch die Verhängung von Hausarrest, seien geeignet, einer Fluchtgefahr hinreichend zu begegnen.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Beschwerde als unbegründet zu verwerfen.

II. Die gemäß § 304 StPO statthafte und auch sonst zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Die 9. Strafkammer hat bei ihrer Beschlußfassung vom 31. März 1998 in richtiger Besetzung entschieden. Die Begründung, mit der die Aufhebung oder Außervollzugsetzung des Haftbefehls vom 3. Februar 1998 abgelehnt worden ist, ist in der Sache nicht zu beanstanden.

1. In welcher Besetzung während einer laufenden Hauptverhandlung gerichtliche Entscheidungen und damit auch Haftentscheidungen von Schöffengerichten und Strafkammern zu treffen sind, ist grundsätzlich in §§ 76 Abs. 1 Satz 2, 30 Abs. 2 GVG geregelt. Danach wirken Schöffen bei Entscheidungen während der Hauptverhandlung, nicht aber bei solchen außerhalb der Hauptverhandlung mit. Gleichwohl ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten, in welcher Besetzung Entscheidungen, die auch ohne mündliche Verhandlung erlassen werden können, also insbesondere Haftentscheidungen, und die während einer laufenden, aber unterbrochenen Hauptverhandlung erforderlich werden, zu treffen sind.

Zum Teil wird vertreten, eine Entscheidung, die während einer unterbrochenen Hauptverhandlung erforderlich werde, sei eine solche außerhalb der Hauptverhandlung, so dass nur der oder die Berufsrichter ohne Beteiligung der Schöffen zur Entscheidung berufen seien (OLG Schleswig, NStZ, 1990, 198; OLG Hamburg, NStZ 1998, 99 f. = StV 1998, 143 f.; Karlsruher Kommentar-Boujong, StPO, 3. Auflage, § 126 Rdnr. 10; Löwe-Rosenberg, StPO, 24. Auflage, § 30 GVG Rdnr. 6; Katholnigg, Strafgerichtsverfassungsrecht, 2. Auflage, § 30 GVG Rdnr. 3; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 43. Auflage, § 30 GVG Rdnr. 3; Katholnigg, Anmerkung zu BGH vom 30.04.1997, JR 1998, 34, 36; BGH NJW 1987, 965 zu einer Entscheidung nach § 229 Abs. 2 StPO).

Andere vertreten die Auffassung, eine Unterbrechung könne nicht dazu führen, dass notwendig werdende Entscheidungen als außerhalb der Hauptverhandlung anfallend angesehen werden könnten, denn die Hauptverhandlung im Sinne von §§ 30, 76 GVG umfasse den gesamten Zeitraum vom Beginn der Hauptverhandlung durch Aufruf der Sache bis zur Verkündung eines Urteils oder einer verfahrenseinstellenden Entscheidung (Kissel, GVG, 2. Auflage, § 30 Rdnr. 7; Schlothauer, Anmerkung zu HansOLG Hamburg vom 01.10.1997, StV 1998, 144, 145 f.).

Schließlich wird bei der Frage der Besetzung danach unterschieden, ob ein Antrag in der Hauptverhandlung gestellt wird - dann soll eine Entscheidung unter Beteiligung der Schöffen erforderlich sein - oder außerhalb der Hauptverhandlung - dann sollen nur die Berufsrichter zur Entscheidung berufen sein (Löwe-Rosenberg, StPO, 25. Auflage, § 125 Rdnr. 16; OLG Düsseldorf, StV 1984, 159).

Zunächst ist festzuhalten, dass nach der Entscheidung des Bundesgerichtshof vom 30.04.1997 - StB 4/97 - (NJW 1997, 2531 f. = JR 1998, 33 f.) der Umstand, ob ein Haftantrag innerhalb oder außerhalb eines Hauptverhandlungstermins gestellt wird, kein maßgebliches Kriterium dafür darstellen kann, in welcher Besetzung über derartige Fragen zu entscheiden ist. Der Bundesgerichtshof hat unter Bezugnahme auf den Beschluss des Plenums des Bundesverfassungsgerichts vom 08.04.1997 (NJW 1997, 1497 ff.) ausdrücklich geklärt, eine derartige Differenzierung sei mit dem heutigen Verständnis des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) nicht vereinbar sei, da es so den Verfahrensbeteiligten in die Hand gegeben werde, in welcher Besetzung der Spruchkörper zu entscheiden habe.

Eine derartige Differenzierung dürfte zudem auch zu praktisch kaum lösbaren Konflikten führen, wenn man die Möglichkeit bedenkt, dass ein Verteidiger eines Angeklagten einen derartigen Antrag innerhalb, ein anderer Verteidiger desselben Angeklagten jedoch einen solchen außerhalb eines Hauptverhandlungstermins anbringt.

Somit bleibt zu klären, ob bei Haftprüfungsentscheidungen - nur hinsichtlich derer ist vorliegend eine Entscheidung geboten - während einer laufenden Hauptverhandlung Schöffen mitzuwirken haben oder nicht. Für die an erster Stelle genannte und wohl überwiegend vertretene Meinung, nach der eine Mitwirkung von Schöffen bei derartigen Entscheidungen während einer unterbrochenen Hauptverhandlung nicht zu erfolgen hat, spricht zunächst, dass auf diese Weise bei Verfahren vor großen Strafkammern bei den Landgerichten sichergestellt ist, dass über anstehende eilbedürftige Fragen in annähernd jedem Falle durch drei Richter entschieden werden kann. Wollte man die Mitwirkung der Schöffen fordern, müsste, wenn nur ein Schöffe vorübergehend nicht erreichbar ist, der Vorsitzende aufgrund seiner Eilkompetenz gemäß §§ 125 Abs. 2 Satz 2, 126 Abs. 2 Satz 3 StPO allein entscheiden. Dies erscheint angesichts des Umstandes, dass die Berufsrichter erreichbar sind, nicht sachgerecht, eröffnet im Übrigen in nicht hinnehmbarem Maße Manipulationsmöglichkeiten, insbesondere wenn Urlaubspläne von Schöffen während Unterbrechungen gemäß § 229 Abs. 2 StPO bekannt werden. Zudem kann das Erfordernis der Mitwirkung von Schöffen zu Verzögerungen bei der Entscheidung führen, weil sie zum Zwecke einer Entscheidung herbeigerufen werden müßten, was mit dem Beschleunigungsgebot und der Eilbedürftigkeit von Haftentscheidungen nicht zu vereinbaren ist (vgl. OLG Hamburg, NStZ, 1998, 99) und was auch unter Zumutbarkeitsüberlegungen für die beteiligten Schöffen als fragwürdig erscheint (Katholnigg, Anmerkung zu BGH vom 30.04.1997, JR 34, 36).
Auch der Umstand, dass ein Auseinanderfallen der Entscheidungskompetenz über Haftfragen und die Schuldfrage auf den ersten Blick als unbefriedigend erscheinen mag, weil es dadurch zu nicht miteinander zu vereinbarenden Ergebnissen kommen kann, erweist sich bei näherer Betrachtung nicht als tragfähiges Argument gegen eine Entscheidung nur durch die Berufsrichter. Vergegenwärtigt man sich nämlich, dass für die Entscheidungsbildung über eine Haftfrage eine einfache Mehrheit gemäß § 196 Abs. 1 GVG erforderlich ist, jedoch die Feststellung der Schuld gemäß § 263 StPO eine zwei Drittel Mehrheit erfordert, wird offenbar, dass die Möglichkeit divergierender Entscheidungen über Haftfragen und die Schuldfrage dem Gesetz immanent ist. Selbst wenn man die Schöffen bei derartigen Fragen beteiligen würde, ist somit nicht in jedem Falle sichergestellt, dass bei unveränderten Abstimmungsverhältnissen deckungsgleiche Entscheidungen getroffen werden.
Wesentliches Gewicht muss bei der Entscheidung, in welcher Besetzung über Haftfragen während einer unterbrochenen Hauptverhandlung zu befinden ist, dem Umstand zukommen, dass auch der Bundesgerichtshof erkennbar die Auffassung teilt, eine Entscheidung während einer unterbrochenen Hauptverhandlung sei eine solche außerhalb der Hauptverhandlung. Die entscheidungstragenden Ausführungen im Beschluss vom 30.04.1997 - StB 4/97 - (NJW 1997, 2531 f.), der allerdings ausdrücklich nur die Besetzung von Haftentscheidungen in Fällen des § 122 Abs. 2 GVG - Besetzung für Haftentscheidungen während der Hauptverhandlung vor Oberlandesgerichten - betrifft, zum Gebot des generell-abstrakt vorausbestimmten gesetzlichen Richters wären überflüssig und unverständlich, wenn der Bundesgerichtshof davon ausgegangen wäre, eine in einer unterbrochenen Hauptverhandlung ergehende Haftentscheidung sei eine solche, die während einer Hauptverhandlung ergehe, weil die Hauptverhandlung vom Aufruf der Sache bis zum Ende der Urteilsverkündung andauere (so aber Schlothauer, Anmerkung zu HansOLG Hamburg, StV 1998, 144, 145). Bei einer derartigen Sichtweise hätte der Bundesgerichtshof ohne weiteres dazu kommen können, dass über Haftfragen in der für die - fortdauernde - Hauptverhandlung bestimmten Besetzung zu entscheiden ist, ohne dass es entscheidungstragender verfassungsrechtlicher Erwägungen bedurft hätte.
Nach alledem ist festzuhalten, dass die 9. Strafkammer im Haftprüfungstermin in zutreffender Besetzung entschieden hat.

2. Das Landgericht hat in nicht zu beanstandener Weise dringenden Tatverdacht und den Haftgrund der Fluchtgefahr gemäß § 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO bejaht.

a) Dem Beschwerdeführer ist zwar zuzugestehen, dass der Haftfortdauerbeschluß, wie im Übrigen auch der zugrunde liegende Haftbefehl und der auf die Beschwerde ergangene Nichtabhilfebeschluß, keine ins Einzelne gehende Würdigung der in der Hauptverhandlung erhobenen Beweise enthält.

Eine solche ist aber auch zumindest in Fällen wie dem vorliegenden nach Ansicht des Senats weder erforderlich noch - im Regelfall- geboten. Der Senat teilt insoweit zumindest für Umfangsverfahren wie dem vorliegenden die Auffassung des OLG Frankfurt (StV 1995, 593 f.), dass sich das Tatgericht im Falle einer bereits seit längerer Zeit andauernden Beweisaufnahme bei einer Entscheidung über den dringenden Tatverdacht nicht, wie im Rahmen des § 261 StPO erforderlich, mit dem Sachverhalt und dem Ergebnis der Beweisaufnahme vollständig auseinanderzusetzen hat. Dies würde die an eine während einer Hauptverhandlung ergehende Haftentscheidung zu stellenden Anforderungen bei weitem überspannen. Ausreichend ist vielmehr, dass die Strafkammer alle Ergebnisse der bisherigen Beweisaufnahme in die Beratung über den dringenden Tatverdacht einfließen lässt, ohne dass diese mitgeteilt werden müssen. Es muss vielmehr genügen, die wesentlichen Ergebnisse der Bewertung der bisherigen Beweisaufnahme zumindest schlüssig mitzuteilen (OLG Frankfurt, StV 1995, 593, 594).
Vorliegend kommt hinzu, dass das Bestehen eines dringenden Tatverdachts seit Erlass des ersten gegen den Angeklagten K. ergangenen Haftbefehls zu keinem Zeitpunkt erkennbar in Frage gestellt worden ist. Der Senat hat in den Haftprüfungsentscheidungen gemäß §§ 121, 122 StPO jeweils nach eingehender Prüfung das Bestehen eines dringenden Tatverdachts bejaht. Die Aufhebung des Haftbefehls am 21. Juni 1996 erfolgte auch nur, weil das Bestehen eines Haftgrundes nunmehr verneint wurde. Somit ist bei der Frage, ob dringender Tatverdacht zu bejahen ist, auf die Gesamtsituation einschließlich der vorausgegangenen Haftentscheidungen abzustellen. Die hat sich aber auch nach Durchführung der bisherigen Beweisaufnahme nach der vorläufigen Würdigung der Kammer nicht zugunsten des Angeklagten K. verändert.

Aus der angefochtenen Entscheidung wird deutlich, dass und warum die Strafkammer nach Würdigung der aus ihrer Sicht zumindest im wesentlichen abgeschlossenen Beweisaufnahme zu der Überzeugung gelangt ist, gegen den Angeklagten K. bestehe weiterhin dringender Tatverdacht. dass bei dieser Beurteilung eine vollständige Würdigung der bisher erhobenen Beweise stattgefunden hat, erhellt sich daraus, dass die Kammer aus ihrer Sicht die Beweisaufnahme zumindest für nahezu abgeschlossen und den Angeklagten K. nach vorläufiger Bewertung der ihm zur Last gelegten Taten für dringend verdächtig hält. Zu diesem Ergebnis kann die Kammer nur nach Würdigung aller bisher erhobenen Beweise gekommen sein. Anhaltspunkte dafür, dass die Kammer bei der Prüfung des dringenden Tatverdachts wesentliche entlastende Umstände, die in der Hauptverhandlung zutage getreten sind, unberücksichtigt gelassen hat, sind nicht ersichtlich. Zwar hat die Verteidigung in der Beschwerde einzelne Umstände vorgetragen, die aus ihrer Sicht geeignet sein sollen, Zweifel am Bestehen eines dringenden Tatverdachts zu begründen. Ob dies jedoch wirklich der Fall ist, kann nur unter Berücksichtigung des gesamten Ergebnisses der Beweisaufnahme festgestellt werden. Insoweit ist jedoch eine Darstellung und Würdigung nach richtiger Ansicht nicht erforderlich. Da sich der Senat vom Ergebnis der Beweisaufnahme auch nicht im einzelnen Kenntnis verschaffen kann, muss es der Senat bei der Prüfung bewenden lassen, ob die Strafkammer mit einer in sich schlüssigen Begründung den dringenden Tatverdacht bejaht hat. Hiergegen ist insbesondere unter Berücksichtigung der Annahme eines fortbestehenden dringenden Tatverdachts nichts zu erinnern.
Dazu kommt, dass in Fällen wie dem vorliegenden auch faktisch eine umfassende Darstellung des bisherigen Beweisergebnisses nicht möglich ist. Eine solche Anforderung wäre mit dem Beschleunigungsgebot und der Eilbedürftigkeit von Haftentscheidungen nicht zu vereinbaren, da die Darlegung und die Würdigung einer nahezu abgeschlossenen, deutlich mehr als 100 Verhandlungstage dauernden Beweisaufnahme einen mehrwöchigen, wenn nicht sogar mehrmonatigen Zeitaufwand erfordern würde. Eine derartige Darlegung und Würdigung müsste zudem, um Aussagekraft zu haben, praktisch den Anforderungen des § 261 StPO genügen, so dass dies zu einem Schuldinterlokut führen würde, das der Strafprozeßordnung fremd ist.
Damit unterscheidet sich die vorliegende Situation grundlegend von denen, die den von der Verteidigung für die von ihr vertretenen Auffassung angeführten Rechtsprechungsnachweisen zugrunde gelegen haben.

Der Bundesgerichtshof hatte sich in seiner Entscheidung vom 16.08.1991 - 1 StE 6/89 - (StV 1991, 525) damit auseinanderzusetzen, dass der 6. Strafsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf als erkennendes Gericht nach 78 Verhandlungstagen aufgrund des bisherigen Ergebnisses der Beweisaufnahme die Annahme dringenden Tatverdachts gegen einen Angeklagten nicht mehr aufrechterhalten konnte. dass in einer derartigen Situation eine vorläufige Bewertung der durchgeführten Beweisaufnahme, wie vom Senat vorgenommen, zu erfolgen hat, liegt auf der Hand. dass der Bundesgerichtshof jedoch für jegliche Haftentscheidungen während einer Hauptverhandlung ähnliche Anforderungen stellen will, ist dieser Entscheidung nicht zu entnehmen.

Eine ähnliche Situation lag der Entscheidung des Kammergerichts (StV 1993, 252 f.) zugrunde.

Auch die von der Verteidigung angeführte Entscheidung des OLG Koblenz (StV 1994, 316 f.) weist Besonderheiten im Einzelfall auf, die eine umfassendere Auseinandersetzung mit den zuvor erhobenen Beweisen ausnahmsweise als unabdingbar erscheinen lassen. In diesem Fall hatte sich das Schöffengericht nach vollständiger Durchführung der Beweisaufnahme nicht zu einer Verurteilung des Angeklagten in der Lage gesehen und den Haftbefehl zudem aus den Gründen der bisherigen Anordnung, also nur aufgrund der im Ermittlungsverfahren gewonnenen Erkenntnisse, aufrechterhalten.

Bei der vorzunehmenden Gesamtwürdigung ist die vorläufige rechtliche Würdigung der Strafkammer, das Verhalten, dessen der Angeklagte dringend verdächtig ist, stelle sich als gemeinschaftlicher Betrug in zahlreichen besonders schweren Fällen dar, nicht zu beanstanden.

b) Auch die nunmehr durch die Strafkammer erneut bejahte Fluchtgefahr gemäß § 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO begegnet keinen Bedenken. Ebenso wie die Frage des dringenden Tatverdachts kann auch hier nur eine eingeschränkte, sich an revisionsrechtlichen Maßstäben anlehnende Überprüfung durch den Senat stattfinden, weil die Entscheidung letztlich auf einer Einschätzung der Kammer beruht, die wesentlich auch aufgrund der langen Hauptverhandlung gebildet worden ist.

Die Kammer ist aufgrund zumindest vertretbarer Erwägungen zu dem Ergebnis gekommen, dass nunmehr Fluchtgefahr bestehe. Der Umstand, dass die Kammer u.a. dem Angeklagten K. bereits am 14. Mai 1997 Hinweise entsprechend § 265 StPO gegeben hat, die darauf abzielten, dass eine Verurteilung durch die Kammer wahrscheinlich sei, und die ihn offenbar in der Folgezeit nicht veranlaßt haben, sich dem Verfahren durch Flucht zu entziehen, hat für die Entscheidung der Kammer erkennbar keine entscheidungserhebliche Rolle gespielt. Die Kammer hat vielmehr vertretbar darauf abgestellt, dass die Beweisaufnahme aus der Sicht der Kammer zumindest nahezu abgeschlossen ist, so dass sich die Gefahr einer Verurteilung zu einer langjährigen Freiheitsstrafe dem Angeklagten K. nunmehr aufdrängen muss. Damit wird sich in der Tat sein zunächst erklärtes Ziel, in der Hauptverhandlung seine Unschuld zu beweisen, endgültig zerschlagen haben. dass sich daraus und einem möglichen Nachahmeffekt nach der Flucht des Mitangeklagten Brandenberger eine erhebliche Fluchtgefahr ergibt, hat die Strafkammer in nicht zu beanstandender Weise ausgeführt. Weiter hat sich die Kammer mit nicht zu beanstandenden Erwägungen mit dem scheinbaren Widerspruch zwischen der Begründung des Haftaufhebungsbeschlusses vom 21. Juni 1996 und der des neuen Haftbefehls vom 3. Februar 1998 auseinandergesetzt und die von der Verteidigung im Haftprüfungstermin vorgebrachten Umstände in ihre Entscheidung miteinbezogen. Auch eine Haftverschonung hat die Kammer zumindest vertretbar abgelehnt. dass die Kammer nicht ausdrücklich auf eine Haftverschonung unter engen Meldeauflagen und Stellung einer Kaution in Millionenhöhe eingegangen ist, ist letztlich unschädlich. Erkennbar und für den Senat überzeugend hat die Kammer auch derartige Auflagen nicht für geeignet gehalten, der Fluchtgefahr wirksam zu begegnen.

Angesichts der offenbar durch die Kammer ins Auge gefaßten Verhängung einer hohen Gesamtfreiheitsstrafe erscheint die weitere Vollstreckung der Untersuchungshaft auch unter Berücksichtigung der bisher verbüßten Untersuchungshaft, des Lebensalters und des Gesundheitszustandes des Angeklagten K. nicht als unverhältnismäßig.
Der Beschwerde war daher der Erfolg zu versagen.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 StPO.


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