Aktenzeichen: 3 Ws 107/98 OLG Hamm
Leitsatz: Zur Frage, wann wegen Ortsabwesenheit Sorge dafür getragen werden muss, dass man für gerichtliche Zustellungen jederzeit erreichbar ist.
Senat: 3
Gegenstand: Beschwerde
Stichworte: vorübergehende Abwesenheit, Auslagen, Kostenentscheidung, Privatklageverfahren, Urlaub, besondere Vorkehrungen, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
Normen: 44 StPO
Beschluss: Privatklageverfahren der Eheleute A.R. und G.R.- Privatkläger -
gegen Frau U.R., - Privatbeklagte -
wegen Körperverletzung u.a.
hier: sofortige Beschwerde gegen die Versagung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
Auf die sofortige Beschwerde der Privatkläger vom 5. Februar 1988 gegen den Beschluss der VIII. Strafkammer des Landgerichts Bielefeld vom 21. Januar 1998 hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 30. 04.1998 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und den Richter am Landgericht beschlossen:
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben, soweit den Privatklägern Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde gegen den Einstellungsbeschluß des Amtsgerichts Minden vom 18. September 1997 versagt worden ist.
Den Priavatklägern wird insoweit auf ihren Antrag und auf ihre Kosten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.
Soweit die sofortige Beschwerde der Privatkläger gegen den Einstellungsbeschluß des Amtsgerichts Minden vom 18. September 1997 als unzulässig verworfen worden ist, ist der Beschluss des Landgerichts Bielefeld vom 21. Januar 1998 damit gegenstandslos.
Gründe:
I. Mit Schreiben vom 21. Juli 1997 haben die Privatkläger gegen die Privatbeklagte beim Amtsgericht Minden Privatklage erhoben. Darin werfen sie der Privatbeklagten eine Vielzahl von Straftaten im Zeitraum Juli 1992 bis 15. April 1997 vor, die nur zum Teil im Wege der Privatklage verfolgt werden können. Das Amtsgericht Minden hat mit Beschluss vom 18. September 1997 das Privatklageverfahren eingestellt. Dabei ist unbeachtet geblieben, dass eine den Erfordernissen des §§ 381, 200 Abs. 1 StPO genügende Anklageschrift nicht eingereicht worden ist. Weiter ist hinsichtlich der erhobenen Vorwürfe überwiegend nicht feststellbar, dass der gemäß § 380 StPO erforderliche Sühneversuch stattgefunden hat. Schließlich ergibt sich aus der Privatklageschrift, dass die vorgeworfenen Beleidigungen und Körperverletzungen vom 15. April 1997 zwar Gegenstand einer Sühneverhandlung am 28. April 1997 gewesen sein sollen, diesbezüglich aber bereits früher durch Anwaltsschriftsatz Privatklage vor dem Amtsgericht Minden erhoben worden sein soll. Inwieweit dieses frühere Verfahren dem neuen Verfahren entgegen steht, ist nicht geprüft worden.
Der Einstellungsbeschluß des Amtsgerichts Minden ist den Privatklägern mit einer ordnungsgemäßen Rechtsmittelbelehrung am 30. September 1997 im Wege der Ersatzzustellung zugestellt worden. Für beide Privatkläger ist jeweils eine Ausfertigung des Beschlusses der "N.H." (richtig wohl: N.K.) als zur Familie gehörender erwachsener Hausgenossin oder im Dienst der Familie stehender Erwachsenen in der Wohnung der Privatkläger übergeben worden.
Mit Anwaltsschriftsatz vom 4. November 1997 haben die Privatkläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde gegen den Einstellungsbeschluß des Amtsgerichts Minden vom 18. September 1997 beantragt und zugleich sofortige Beschwerde gegen diesen Beschluss eingelegt. Das Landgericht Bielefeld hat durch Beschluss vom 21. Januar 1998 den Antrag auf Wiedereinsetzung als unbegründet und die sofortige Beschwerde gegen den Einstellungsbescheid als unzulässig verworfen. Dieser Beschluss, dem keine Rechtsmittelbelehrung beigefügt war, ist den Privatklägern formlos übersandt worden. Hiergegen wenden sich die Privatkläger mit ihrem Schreiben vom 5. Februar 1998, mit dem sie weiter eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand begehren und die sofortige Beschwerde gegen den Einstellungsbeschluß weiterverfolgen.
II. Das Schreiben der Privatkläger vom 5. Februar 1998 ist als sofortige Beschwerde gegen den die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand versagende Entscheidung des Landgerichts Bielefeld vom 21. Januar 1998 auszulegen. Es ist als fristgerecht eingelegt zu behandeln, da dem Beschluss des Landgerichts Bielefeld weder die gemäß §§ 46 Abs. 3, 311 StPO erforderliche Rechtsmittelbelehrung beigefügt war noch eine förmliche Zustellung erfolgt ist.
Die sofortige Beschwerde gegen die Versagung der Wiedereinsetzung hat auch in der Sache Erfolg.
Der angegriffene Beschluss des Landgerichts Bielefeld geht schon unzutreffend davon aus, die Beschwerdeführer hätten für die Zeit ihrer Abwesenheit, die vom 28. September 1997 bis zum 26. Oktober 1997 dauern sollte, sich dann aber wegen einer Panne bis zum Abend des 29. Oktober 1997 erstreckte, allein wegen der Erhebung der Privatklage dafür Sorge tragen müssen, dass gerichtliche Zustellungen sie jederzeit erreichten.
Das Landgericht hat dabei nicht berücksichtigt, dass es für die Beschwerdeführer vorliegend praktisch um den ersten Zugang zu Gericht ging und in derartigen Fällen keine überspannten Anforderungen an die Erreichbarkeit gestellt werden dürfen (vgl. BVerfGE 41, 332, 335). Es lag ersichtlich auch keiner der besonderen Fälle vor, in denen der Empfänger wegen einer Ortsabwesenheit den Erhalt von Sendungen zu gewährleisten hat. Die Dauer der glaubhaft gemachten Abwesenheit betrug etwa einen Monat, mithin einen Zeitraum, der noch als vorübergehende Abwesenheit anzusehen ist (vgl. BVerfGE 41, 332, 336 - längstens 6 Wochen) und von daher für sich genommen regelmäßig noch keine besonderen Vorkehrungen erfordert. Auch der Umstand, dass die Beschwerdeführer unter dem 21. Juli 1997 Privatklage erhoben hatten, begründet keine derartigen gesteigerten Pflichten. Anders als in den Fällen, in denen der Angeklagte von der Teilnahme an der Hauptverhandlung entbunden war, unentschuldigt einer solchen ferngeblieben ist oder ein Berufungsverfahren betreibt (vgl. AK-StPO, 1988, § 44 Rdnr. 29; Karlsruher Kommentar, StPO, 3. Auflage, § 44 Rdnr. 21; Löwe-Rosenberg, StPO, 24. Auflage, § 44 Rdnr. 24), mußten die Beschwerdeführer nicht jederzeit mit gerichtlichen Zustellungen, die Rechtsmittelfristen enthielten, rechnen.
Im übrigen haben die Beschwerdeführer durch Vorlage einer schriftlichen Erklärung des V.K. vom 5. Februar 1998 zumindest im Beschwerdeverfahren glaubhaft gemacht, in hinreichendem Maße derartige Vorkehrungen sogar getroffen zu haben. Zunächst ist aufgrund des Umstandes, dass unter der Zustellanschrift eine zur Entgegennahme von Sendungen annahmebereite und geeignete Person anwesend war, nachgewiesen, dass die Entgegennahme von Postsendungen sichergestellt war. Herr K. hat darüber hinaus bezeugt, die beiden zuzustellenden Sendungen, wie die anderen Briefsendungen auch, den Beschwerdeführern nachgesandt zu haben. Mehr als das zu veranlassen, kann von den Beschwerdeführern nicht erwartet werden. dass die zuzustellenden Schriftstücke, wie von den Beschwerdeführern vorgetragen, ihnen unter der Konstanzer Anschrift nicht zugegangen, sondern erneut an die Heimatanschrift gelangt sind, ist schon deshalb glaubhaft, weil eine Nachsendung dieser Sendungen nur innerhalb des Amtsgerichtsbezirks vorgesehen war. Der Senat hat auch keinen Zweifel, dass die Sendungen den Beschwerdeführern deshalb erst nach ihrer am Abend des 29. Oktober 1997 erfolgten Rückkehr zur Kenntnis gelangt ist.
Danach ist nicht ersichtlich, dass die Beschwerdeführer an der Versäumung der Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde gegen den Einstellungsbeschluß des Amtsgerichts Minden ein Verschulden trifft. Sie haben auch innerhalb einer Woche (§45 Abs. 1 Satz 1 StPO) den Wiedereinsetzungsantrag gestellt und zugleich die versäumte Handlung nachgeholt. Ihnen war damit auf ihre Kosten (§ 473 Abs. 7 StPO) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
III. Ein Auslagen- und Kostenentscheidung ist nicht veranlaßt. Ob in Fällen wie dem vorliegenden gemäß § 464 Abs. 1 und 2 StPO eine Kosten- und Auslagenentscheidung veranlaßt ist, ist umstritten (vgl. dazu Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 43. Auflage, § 464 Rdnrn. 2 ff., 11; Löwe-Rosenberg-Hilger, StPO, 24. Auflage, §473 Rdnr. 13 jeweils m.w.Nachw.). Für den vorliegenden Fall hält der Senat eine Kosten- und Auslagenentscheidung für entbehrlich, weil insoweit von einer verfahrensabschließenden Entscheidung nicht gesprochen werden kann (so auch die weitergehende, aber zumindest für den vorliegenden Fall überzeugende Entscheidung des HansOLG Hamburg, NStZ 1991, 100, 101.).
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