Diese Homepage verwendet Cookies, um Inhalte und Anzeigen zu personalisieren, Funktionen für soziale Medien anbieten zu können und die Zugriffe auf die Website zu analysieren. Außerdem gebe ich Informationen zu Ihrer Nutzung meiner Website an meine Partner für soziale Medien, Werbung und Analysen weiter.

OK Details ansehen Datenschutzerklärung

Rechtsprechung

Aktenzeichen: 3 Ss OWi 1429/97 OLG Hamm

Leitsatz: Zu den Gründen für ein Absehen von einem an sich verwirkten Regelfahrverbot

Senat: 3

Gegenstand: OWi

Stichworte: Absehen vom Regelfahrverbot, Anwendungsgleichheit, besondere Härte, Geschwindigkeitsüberschreitung, Teilaufhebung

Normen: StVo 3, StVG 25, BKatV 2

Beschluss: Bußgeldsache gegen M.S.,
wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit im Straßenverkehr außerhalb geschlossener Ortschaften.

Auf die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Bielefeld gegen den Beschluss des Amtsgerichts Herford vom 25.09.1997 hat der 3.Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 27.04.1998 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Der angefochtene Beschluss wird im Rechtsfolgenausspruch mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Herford zurückverwiesen.

Gründe:
I. Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht Herford gegen den Betroffenen wegen einer fahrlässigen Verkehrsordnungswidrigkeit gemäß § 24 StVG, §§ 41 Abs. 2 Nr. 7 (Zeichen 274), 49 Abs. 3 Nr. 4 StVO eine Geldbuße in Höhe von 450,- DM festgesetzt, von der Verhängung des sich aus § 2 Abs. 2 BKatV ergebenden Regelfahrverbotes jedoch abgesehen. Nach den zugrundeliegenden Feststellungen hatte der Betroffene am 01.04.1997 mit seinem PKW im Bereich einer Autobahnbaustelle auf der BAB 2 bei Herford in Richtung Hannover in Höhe Kilometer 314,45 die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h um mindestens 38 km/h überschritten. Zuvor war er durch Bußgeldbescheid vom 23.08.1996 - rechtskräftig seit dem 17.09.1996 - wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung um 26 km/h zu einer Geldbuße in Höhe von 120,- DM verurteilt worden.

Zum Absehen von der Verhängung des Regelfahrverbots hat das Amtsgericht folgendes ausgeführt:
"Das Gericht hält im vorliegenden Fall ein Regelfahrverbot nicht für erforderlich. Der Betroffene hat bei der Voreintragung den für ein Fahrverbot vorgesehenen Regelwert gerade erreicht. Im vorliegenden Fall handelt es sich um eine Geschwindigkeitsüberschreitung auf der BAB auf einer geradlinigen Strecke. Bei diesem Wert allein käme ohne Voreintragung ein Regelfahrverbot nicht in Betracht. In derartigen Autobahnbaustellen ist eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf 60 km/h außer im Bereich der Überleitungen nicht die Regel. Vielfach gilt im Anschluß an eine Überleitung eine Beschränkung auf 80 km/h. Es kann daher einem Kraftfahrer passieren, dass er 400 m hinter dem ersten Schild in Gedanken schneller fährt, ohne dass dies auf besondere Unaufmerksamkeit oder sogar auf Rücksichtslosigkeit schließen lässt. Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Betroffene als Montageleiter auf seinen Führerschein in besonderer weise angewiesen ist, erschien ein Fahrverbot nicht erforderlich bei Erhöhung der Geldbuße. "

Gegen diesen Beschluss hat die Staatsanwaltschaft Bielefeld form- und fristgerecht Rechtsbeschwerde eingelegt und begründet. Die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft wendet sich allein gegen das Absehen von der Verhängung des Regelfahrverbotes gegen den Betroffenen.

II Die zulässige und nach dem eindeutigen Inhalt der Angriffsrichtung (§ 300 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 OWiG) auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Bielefeld hat auch in der Sache einen zumindest vorläufigen Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses im Rechtsfolgenausspruch mitsamt den zugrundeliegenden Feststellungen und zur Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Stellungnahme zu der Rechtsbeschwerde folgendes ausgeführt:

"Der Rechtsfolgenausspruch der angegriffenen Entscheidung hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Der Tatrichter hat rechtsfehlerhaft von der Verhängung des einmonatigen Regelfahrverbots gegen den Betroffenen abgesehen.
Die Entscheidung, ob trotz des Vorliegens eines Regelfalles in der Bußgeldkatalogverordnung der konkrete Sachverhalt Ausnahmecharakter hat und damit ein Absehen von dem Fahrverbot rechtfertigt, unterliegt zwar in erster Linie der Würdigung des Tatrichters (BGHSt 38, 231, 237), dem insoweit aber kein rechtlich ungebundenes, freies Ermessen eingeräumt ist (vgl. BGHSt 38, 125, 136). Der dem Tatrichter vorgegebene Ermessensspielraum ist nämlich durch die gesetzlich niedergelegten und von der Rechtsprechung herausgearbeiteten Zumessungskriterien eingeengt und unterliegt insoweit hinsichtlich der Angemessenheit der verhängten Rechtsfolge der Kontrolle durch das Rechtsbeschwerdegericht. Der Kontrolle unterliegt dabei insbesondere, ob der Tatrichter die der Bußgeldkatalogverordnung zugrundeliegenden Grundsätze der Rechtssicherheit und Anwendungsgleichheit beachtet hat (Senatsbeschlüsse vom 10.12.1996 3 Ss OWi 1045/96 -, 30.09.1996 - 3 Ss OWi 9722/96 u. 07.03.1996 - 3 Ss OWi 1304/95, JMBl. 1996, 246) .

Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das Amtsgericht hier zu Unrecht von der Verhängung des Regelfahrverbots abgesehen.
Im Unterschied zu dem Regelfahrverbot in den Anwendungsfällen des § 24 a StVG, in denen nur Härten ganz außergewöhnlicher Art oder sonstige, das äußere und innere Tatbild beherrschende außergewöhnliche Umstände ein Absehen von der Verhängung des Regelfahrverbots rechtfertigen können, reichen in den Fällen des § 2 Abs. 1 BKatV zwar möglicherweise schon erhebliche Härten oder eine Vielzahl für sich genommen gewöhnlicher und durchschnittlicher Umstände aus, um eine Ausnahme zu begründen (BGH NZV 1992, 117, 119; OLG Hamm, JMBl. NW 1996, 77 u. 246). Die Fallbeschreibungen der Katalogverordnung entfalten nämlich entsprechend der dort angewendeten Regelbeispieltechnik nur Indizwirkung und entbinden den Richter nicht von der Pflicht, dem Schuldprinzip (Art. 1 Abs. 1 u. Art. 20 Abs. 3 GG) und dem Verhältnismäßigkeitsprinzip (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG) durch eine Gesamtwürdigung zu entsprechen, in die die Umstände der Tat und die Sanktionsempfindlichkeit des Betroffenen einzustellen sind (BVerfG, NStZ 1996, 391, 392; BVerfG 90, 145, 173). Der Richter ist an die Indizwirkung des Regelbeispiels nicht gebunden. Es obliegt ihm vielmehr, im Rahmen einer Gesamtwürdigung unter Abwägung der Umstände des Einzelfalles in objektiver und subjektiver Hinsicht zu bestimmen, ob das gesamte Tatbild vom Durchschnitt der erfahrungsgemäß vorkommenden Fälle in solchem Maße abweicht, dass das Fahrverbot unangemessen wäre, mithin eine unverhältnismäßige Reaktion auf objektiv verwirklichtes Unrecht und subjektiv vorwerfbares Verhalten darstellt (BVerfG NStZ 1996, 391, 392 m.w.N.).
Das Vorliegen einer beruflichen Härte hat das Amtsgericht nicht ordnungsgemäß festgestellt. Es hat sich vielmehr bzgl. der Frage, inwieweit der Betroffene auf seine Fahrerlaubnis angewiesen ist, damit begnügt festzustellen, der Betroffene mache geltend, er sei als Montageleiter im In- und Ausland eingesetzt, fahre pro Jahr ca. 80 000 Kilometer und sei wegen seiner Berufsausübung auf seinen Führerschein angewiesen.
Die von dem Betroffenen dargetanen beruflichen Beeinträchtigungen, von deren Richtigkeit sich der Tatrichter nicht überzeugt hat, rechtfertigen das Abweichen von der gebotenen Verhängung des Fahrverbots nicht. Erhebliche berufliche Folgewirkungen für den Betroffenen, der eine Existenzgefährdung zumindest glaubhaft machen muss (zu vgl. OLG Celle NZV 1996, 117; OLG Hamm NZV 1996, 118; OLG Koblenz NZV 1996, 373) sind nicht dargetan. Das Amtsgericht hat die naheliegende Erwägung nicht angestellt, inwieweit der Betroffene die Auswirkungen eines Fahrverbots zumindest teilweise durch die Inanspruchnahme des Jahresurlaubes abzumildern in der Lage ist und ob eventuell Mitarbeiter des Betroffenen dessen Fahraufgaben ebenfalls kurzfristig übernehmen können. Auch hätte das Amtsgericht nähere Feststellungen dazu treffen müssen, inwieweit es dem Betroffenen durch die Inanspruchnahme öffentlicher Verkehrsmittel oder notfalls von Taxen möglich ist, seine Arbeitsstellen zu erreichen. Hinzu kommt, dass berufliche Nachteile als gewöhnliche und selbstverschuldete Folge eines Fahrverbots in aller Regel hinzunehmen sind. Anhaltspunkte dafür, dass dem Betroffenen konkret und unmittelbar der Verlust des Arbeitsplatzes im Falle der Verhängung des Fahrverbots droht, bestehen hier nicht (Senatsbeschluss vom 23.10.1997 - 3 Ss OWi 1111/97 -).

Andere erhebliche Härten oder eine Vielzahl für sich genommen gewöhnlicher und durchschnittlicher Umstände, die ein Absehen von der Verhängung des Fahrverbots rechtfertigen würden, sind nicht ersichtlich. Allein die Erwägung, dass die Geschwindigkeitsüberschreitung in dem im Bußgeldbescheid vom 23.08.1996 festgestellten Fall den für ein Fahrverbot gem. § 2 Abs. 2 S. 2 BKatV vorgesehenen Regelwert gerade erreicht hat, ist unbeachtlich, weil für § 1 Abs. 2 BKatV bestimmend ist, dass die im Bußgeldkatalog und in der Bußgeldkatalogverordnung festgesetzten Regelfolgen von fahrlässiger Begehung und gewöhnlichen Tatumständen ausgehen. Die Gesamtschau der vom Tatrichter zugunsten des Betroffenen berücksichtigten Umstände ist ebenfalls nicht geeignet, eine Ausnahme von der Verhängung des Regelfahrverbotes zu rechtfertigen (zu vgl. insoweit OLG Düsseldorf, NZV 1995, 406 m.w.N.).

Eine eigene Entscheidung des Senats gem. § 79 Abs. 6 OWiG kommt nicht in Betracht, weil weitere Feststellungen zur Frage der Anordnung des Fahrverbots zu treffen sind."

Diesen zutreffenden Ausführungen schließt sich der Senat nach eigener Sachprüfung an und macht sie zur Grundlage seiner Entscheidung.


zur Startseite "Rechtsprechung"

zum Suchformular

Die Nutzung von Burhoff-Online ist kostenlos. Der Betrieb der Homepage verursacht aber für Wartungs-, Verbesserungsarbeiten und Speicherplatz laufende Kosten.

Wenn Sie daher Burhoff-Online freundlicherweise durch einen kleinen Obolus unterstützen wollen, haben Sie hier eine "Spendenmöglichkeit".