Aktenzeichen: 3 Ws 204/98 OLG Hamm
Leitsatz: Zum Vorliegen "besonderer Umstände" im
Sinn von § 57 Abs. 2 Nr. 2 stGB
Senat: 3
Gegenstand:
Beschwerde
Stichworte: Anordnung der bedingten
Entlassung, besondere Umstände, Halbstrafe, Strafaussetzung zur
Bewährung
Normen: StGB 57 Abs. 2, StGb 57 Abs. 1
Beschluss: Strafsache gegen D.A.,
wegen
Bestechlichkeit u.a.,
(hier:sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft
gegen Anordnung der bedingten Entlassung).
Auf die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Münster vom 16. April 1998 gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer 22 a des Landgerichts Bielefeld vom 9. April 1998 hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 19.05.1998 durch die Richterin am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Landgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft, des Verurteilten und seines Verteidigers beschlossen:
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
Eine Aussetzung der Vollstreckung nach Verbüßung der Hälfte der gegen den Verurteilten durch Urteil des Landgerichts Münster vom 11. Juli 1996 erkannten Gesamtfreiheitsstrafe wird abgelehnt.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens fallen dem Verurteilten zur Last.
Gründe:
Durch Urteil des Landgerichts Münster vom
11. Juli 1996 ist der Verurteilte wegen Bestechlichkeit in 26 Fällen,
Vorteilsannahme in sechs Fällen, Verwahrungsbruchs in Tateinheit mit
Diebstahl in zwei Fällen und Verwahrungsbruchs in Tateinheit mit
Unterschlagung in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf
Jahren verurteilt worden. Dieses Urteil ist seit dem 4. Juni 1997
rechtskräftig. Der Verurteilte, der 704 Tage Untersuchungshaft erlitten
hatte, verbüßt die gegen ihn erkannte Freiheitsstrafe seit dem 8.
September 1997. Die Hälfte der erkannten Freiheitsstrafe hatte er am 8.
April 1998 verbüßt. Auf den Antrag des Verurteilten vom 5. Februar
1998 auf Reststrafenaussetzung bereits nach der Hälfte der erkannten
Freiheitsstrafe hat die Strafvollstreckungskammer mit Beschluss vom 9. April
1998 die Reststrafenaussetzung angeordnet, die Bewährungszeit auf drei
Jahre festgesetzt und dem Verurteilten nähere Auflagen und Weisungen
erteilt.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Münster, der sich die Generalstaatsanwaltschaft in Hamm angeschlossen hat.
Die sofortige Beschwerde führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Versagung der Reststrafenaussetzung bereits nach der Hälfte der erkannten Freiheitsstrafe. Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine derartige Entscheidung sind nach Auffassung des Senats nicht gegeben.
Es erscheint bereits zweifelhaft, ob die Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 S.1 Ziffer 2 StGB vorliegen. Danach kommt eine Reststrafenaussetzung überhaupt nur in Betracht, wenn sie unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit verantwortet werden kann. Bei der Entscheidung ist u.a. das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts zu berücksichtigen (§ 57 Abs. 1 S.2 StGB). Insoweit ist zu bedenken, dass der Verurteilte ausweislich seiner Angaben bei der Anhörung am 9. April 1998 ersichtlich wieder in verantwortlicher Stellung in der Rechtsanwaltspraxis seiner Verteidiger tätig ist. Er hat nach eigenen Angaben mit Geldangelegenheiten zu tun. Eine derartig von Entscheidungsbefugnis und Verantwortung geprägte Position mit ähnlichen Möglichkeiten, erneut zu versagen, wie zur Zeit der Begehung der Taten des vorliegenden Verfahrens wird er indessen nicht wieder erreichen, so dass diese Gesichtspunkte einer Reststrafenaussetzung (§ 57 Abs. 1 StGB) letztlich nicht entgegenstellen dürften.
Der Senat hat in Übereinstimmung mit der Strafvollstreckungskammer im Rahmen der persönlichen Verhältnisse des Verurteilten berücksichtigt, dass nunmehr sein soziales Umfeld unproblematischer geworden ist: Es ist davon auszugehen, dass die die Taten auslösende Beziehung zu seiner Ehefrau, die im Urteil im einzelnen dargelegt und auch vom Sachverständigen gewürdigt worden ist, nicht mehr besteht. Ein Abhängigkeitsverhältnis des Verurteilten zu seiner Ehefrau, das Ursache für die gravierenden Taten des vorliegenden Verfahrens war, liegt offenbar nicht mehr vor. Der Senat hat im Übrigen die von der Strafvollstrekkungskammer zugunsten des Verurteilten berücksichtigten Umstände - Geständnis, keine Vorstrafe, Strafeindruck - in seine Erwägungen einbezogen.
Indessen lassen sich nach Auffassung des Senats besondere Umstände i.S.d. § 57 Abs. 2 Ziffer 2 StGB, bei deren Vorliegen eine Reststrafenaussetzung bereits nach der Hälfte erfolgen kann, nicht feststellen. Der Senat hat insoweit erneut die von der Strafkammer im rechtskräftigen Urteil angeführten strafmildernden Gesichtspunkte erwogen. Demgegenüber war aber auch das über einen langen Zeitraum hinaus planvolle Vorgehen des Verurteilten zu berücksichtigen. Der Verurteilte hat sich im Rahmen der Bestechlichkeitsfälle nicht einmal damit begnügt, Gelder von Ausländern für die Erteilung von Bleiberechten zu kassieren, die sich von sich aus an ihn gewandt hatten, sondern hat sich sogar von dem Mitverurteilten Rusiti Interessenten vermitteln lassen, die zur Zahlung für Bleiberechte bereit waren. Zutreffend wird in der Beschwerdebegründung auf das gravierende Fehlverhalten insgesamt und auf den besonders gegen den Verurteilten sprechenden Bestechlichkeitsfall betreffend Beata Bernacka verwiesen.
Eine Würdigung des Tatgeschehens unter Berücksichtigung der persönlichen Verstrickung des Verurteilten in der Beziehung zu seiner Ehefrau, seines positiven Verhaltens im Vollzug, seiner Entwicklungsbemühungen durch Teilnahme an einer Therapie (Therapiebeginn: einen Tag vor Stellung des Halbstrafengesuchs!) erlaubt nicht die Bejahung besonderer Umstände i.S.d. § 57 Abs. 2 StGB, aufgrund deren eine Reststrafenaussetzung bereits nach Verbüßung der Hälfte der Strafe erfolgen kann.
Daher war der angefochtene Beschluss aufzuheben und eine Reststrafenaussetzung bereits nach der Hälfte der Verbüßung der erkannten Freiheitsstrafe abzulehnen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO.
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