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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 3 Ws 224/98 OLG Hamm

Leitsatz: 1. Bei im Übrigen günstiger Sozialprognose kann die Ablehnung der bedingten Entlassung nicht allein darauf gestützt werden, dass der Verurteilte die der Verurteilung zugrundeliegende Tat weiterhin leugnet und sich nach außen hin nicht mit ihr auseinandersetzt.
2. Zur Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit

Senat: 3

Gegenstand: Beschwerde

Stichworte: Ablehnung der bedingten Entlassung, Anforderungen an Prognose, Auseinandersetzung mit Tat, schwere Straftat, Vollzugslockerungen

Normen: 57 Abs. 1 StGB

Beschluss: Strafsache gegen U.P.,
wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes u.a.,
(hier: sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen die Ablehnung der bedingten Entlassung).

Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten vom 22.04.1998 gegen den Beschluss der 22 b Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bielefeld vom 14.04.1998 hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 26.05.1998 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten des Beschwerdeführers als unbegründet verworfen.

Gründe: I. Das Landgericht Köln hat den Beschwerdeführer am 20.02.1995 wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch einer Schutzbefohlenen in 14 Fällen und wegen sexueller Nötigung in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch einer Schutzbefohlenen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und neun Monaten verurteilt. Der zu diesem Zeitpunkt bereits mehrfach vorbestrafte Beschwerdeführer hat in der Vergangenheit u.a. eine Jugendstrafe von sechs Monaten wegen Diebstahls nach Widerruf verbüßen müssen.

Der Verurteilung durch das Landgericht Köln lag eine Vielzahl von Mißbrauchstaten zum Nachteil seiner am 25.04.1979 geborenen Stieftochter V. in den Jahren 1989 und 1990 sowie am 16.06.1994 zugrunde. Zumindest bei der letzten Tat hatte der Beschwerdeführer das Kind massiv bedroht.

2/3 der Strafe hatte der Strafe hatte der Beschwerdeführer am 19.04.1998 verbüßt. Die Justizvollzugsanstalt Geldern, in der sich der Beschwerdeführer bis zum 16.02.1998 im geschlossenen Vollzug befand, hatte einer bedingten Entlassung ebenso widersprochen wie die Staatsanwaltschaft Köln. Die Justizvollzugsanstalt hatte dies im wesentlichen damit begründet, dass dem Beschwerdeführer keine vollzuglichen Lockerungen gewährt werden konnten und er sich bislang mit seiner Straffälligkeit nicht auseinandergesetzt, vielmehr stets behauptet habe, er sei unschuldig verurteilt. Seit dem 17.02.1998 befindet sich der Verurteilte im offenen Vollzug der JVA Bielefeld-Senne.

Mit dem angefochtenen Beschluss hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bielefeld die bedingte Entlassung des Verurteilten abgelehnt, und zwar im Hinblick auf seine Vorstrafen, die Verbüßung der Jugendstrafe und insbesondere im Hinblick auf die fehlende Auseinandersetzung mit der Tat.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde des Verurteilten, mit der dieser auf seine günstige Entlassungssituation verweist und die Ansicht vertritt, die bedingte Entlassung könne ihm nicht deshalb verwehrt werden, weil er nach wie vor seine Unschuld beteuere.

II. Die gemäß § 454 Abs. 2 StPO statthafte und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.

Die bedingte Entlassung des Beschwerdeführers kann jedenfalls zum jetzigen Zeitpunkt unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit (§ 57 Abs. 1 Nr. 2 StGB n.F.) nicht verantwortet werden. Der Beschwerdeführer befindet sich nämlich erst seit Mitte Februar diesen Jahres im offenen Vollzug, zuvor konnte er nicht unter den Bedingungen von Vollzugslockerungen erprobt werden, so dass er sich - wie jeder andere Gefangene in vergleichbarer Situation auch - angesichts der Schwere der von ihm begangenen Tat und seiner sich daraus ergebenden, im Vergleich zu anderen Straftätern gesteigerten Gefährlichkeit noch einige Zeit wird im offenen Vollzug bewähren müssen, bevor einer bedingten Entlassung nähergetreten werden kann. Insoweit hatte der Senat immer schon in ständiger Rechtsprechung vertreten, dass bei besonders schweren und/oder gefährlichen Straftaten in der Regel ein höherer Grad von Wahrscheinlichkeit für eine künftige straffreie Führung vorliegen muss als in anderen Fällen (Senat, Beschluss vom 25.07.1995 - 3 Ws 205/95 OLG Hamm -; vgl. auch OLG Hamm, StV 1988, 348 m.w.N.). Diese Sichtweise ist durch die Neufassung des § 57 Abs. 1 Nr. 2 StGB mit dem ausdrücklichen Abstellen auf das Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit auch durch den Gesetzgeber noch einmal hervorgehoben und bestätigt worden. Dem entspricht auch, dass nach der Neufassung des § 454 Abs. 2 StPO bei Taten der hier vorliegenden Art eine bedingte Entlassung i.d.R. nur nach vorheriger Einholung des dort vorgesehenen Sachverständigengutachtens über die fortbestehende Gefährlichkeit des Täters in Betracht kommen dürfte.

Andererseits kann allerdings die bedingte Entlassung des Beschwerdeführers jedenfalls nicht allein mit der Begründung abgelehnt werden, dass dieser nach wie vor seine Unschuld beteuert und sich dementsprechend nach außen hin nicht hinreichend mit der Tat, die der Strafverbüßung zugrundeliegt, auseinandersetzt. Insoweit hatte der Senat zuletzt mit Beschluss vom 12.11.1996 (3 Ws 565/96) entschieden, dass bei im Übrigen günstiger Sozialprognose die Ablehnung der bedingten Entlassung nicht allein darauf gestützt werden kann, dass der Verurteilte die der Verurteilung zugrundeliegende Tat weiterhin leugnet und sich nach außen hin nicht mit ihr auseinandersetzt. Weder dem Wortlaut noch dem Sinn und Zweck des § 57 StGB ist nämlich zu entnehmen, dass eine bedingte Entlassung nur bei einem geständigen Täter erfolgen soll (Senat, a.a.O., OLG Hamm, StV 1988, 348). Wenn der Verurteilte, mag er auch eindeutig überführt sein, die Tat auch in der Vollstreckung weiterhin leugnet, so gibt dies allein jedenfalls in der Regel (zu einem besonders gelagerten Ausnahmefall vgl. OLG Hamm, NStZ 1989, 27 mit Anmerkung Eisenberg, NStZ 1989, 366) keinen hinreichenden Anlass zu einer negativen Beurteilung seiner Persönlichkeit, falls die Prognose im Übrigen günstig ist. Eine andere Bewertung würde allerdings dann eingreifen, wenn sich aus dem steten Leugnen des Verurteilten - was ggf. mit sachverständiger Hilfe aufzuklären ist - Rückschlüsse auf seine nach wie vor bestehende Gefährlichkeit im Hinblick auf die Begehung gleichartiger oder anderer schwerer Straftaten ergeben sollten (so OLG Hamm, NStZ 1989, 27). Dies wiederum wird bei Sexualstraftätern nach den Erfahrungen des Senates und offenbar auch nach der Wertung des Gesetzgebers, der nicht ohne Grund gerade bei solchen Straftätern zum Nachteil von Kindern die vorherige Einholung eines Sachverständigengutachtens über die Gefährlichkeitsprognose vorgesehen hat, in aller Regel der Fall sein. Der Beschwerdeführer sollte sich insoweit darüber im klaren sein, dass eine Auseinandersetzung mit der Tat nicht zuletzt auch in seinem Interesse liegt. Angesichts der Neuregelung der Bestimmungen über die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung (§ 66 StGB) muss er nämlich, sollte er nach seiner Entlassung aus der Strafhaft erneut wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes rückfällig werden, mit der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung rechnen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 StPO.


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