Aktenzeichen: 3 Ss OWi 443/98 OLG Hamm
Senat: 3
Gegenstand: OWi
Stichworte: leichtfertigkeit, Lohnsteuer, falsche Schuldform: Fahrlässigkeit anstelle Liechtfertigkeit
Normen: 80 AO
Beschluss: Bußgeldsache gegen U.J.,
wegen Verstoßes gegen § 380 AO.
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Bielefeld vom 09.10.1997 hat der 3. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 04.06.1998 durch den Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:
Das angefochtene Urteil wird mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Bielefeld zurückverwiesen.
Gründe: I. Das Amtsgericht Bielefeld hat den Betroffenen unter Freisprechung im übrigen wegen fahrlässigen Verstoßes gegen § 380 AO zu einer Geldbuße in Höhe von 250,- DM verurteilt. Nach den zugrundeliegenden Feststellungen soll der Betroffene, der Geschäftsführer der Firma "Studio J. GmbH" ist, die Lohnsteuer für seine Beschäftigten für den Monat Januar 1996 nicht rechtzeitig bis Mitte Februar 1996, sondern erst am 12.03.1996 an das Finanzamt in Bielefeld abgeführt haben. Das Amtsgericht hat festgestellt, dass der Betroffene fahrlässig gegen § 380 AO verstoßen habe, indem er die Lohnsteuer verspätet abführte. Weitere Feststellungen zur Schuldform enthält das angefochtene Urteil nicht.
Gegen das in seiner Anwesenheit ergangene Urteil hat der Betroffene mit am 13.10.1997 bei den Bielefelder Justizbehörden eingegangenem Schreiben seiner Verteidiger Rechtsbeschwerde eingelegt und diese nach Urteilszustellung am 22.01.1998 mit weiterem Schreiben vom 29.01.1998, bei den Bielefelder Justizbehörden am selben Tage eingegangen, begründet. Der Betroffene erstrebt seine Freisprechung. Er rügt die Verletzung materiellen Rechts, insbesondere die Verurteilung wegen eines fahrlässigen Verstoßes gegen § 380 AO, obgleich nach dieser Bestimmung nur vorsätzliches oder leichtfertiges Handeln den Tatbestand der Ordnungswidrigkeit erfülle.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Rechtsbeschwerde mit der Maßgabe zu verwerfen, dass ein leichtfertiger Verstoß gegen § 380 AO gegeben sei. Die Generalstaatsanwaltschaft ist der Ansicht, das Amtsgericht habe in Abgrenzung von der Schuldform des Vorsatzes diejenige verwirklichte Schuldform annehmen wollen, die das Gesetz vorsehe und habe dabei nur irrtümlich auf eine fahrlässige Begehungsweise abgestellt.
II. Die zulässige Rechtsbeschwerde des Betroffenen hat auch in der Sache Erfolg. Das Rechtsmittel ist begründet, da das Amtsgericht den Betroffenen wegen fahrlässiger Gefährdung der Abzugssteuern gemäß § 380 Abs. 1 AO verurteilt hat, obwohl dem Gesetz ein solcher Tatbestand fremd ist. Ordnungswidrig ist die Gefährdung der Abzugssteuern gemäß § 380 Abs. 1 AO vielmehr nach dem insoweit eindeutigen Gesetzeswortlaut nur dann, wenn der Betroffene entweder vorsätzlich oder zumindest leichtfertig handelt. Die für den inneren Tatbestand der Ordnungswidrigkeit damit zumindest erforderliche Leichtfertigkeit bedeutet einen besonders hohen Grad von Fahrlässigkeit, der etwa der groben Fahrlässigkeit des bürgerlichen Rechts entspricht und insbesondere erfordert, dass der Betroffene mit besonderem Leichtsinn oder mit besonderer Gleichgültigkeit gegenüber seinen Pflichten handelt, dass er außer acht lässt, was jedem einleuchten muss (vgl. Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, § 378 AO Rdnr. 6 m.w.N.). Das Amtsgericht ist offenbar rechtsirrtümlich davon ausgegangen, dass bereits eine fahrlässige Begehungsweise zur Erfüllung des Tatbestandes des § 380 Abs. 1 AO ausreicht. Es finden sich in dem angefochtenen Urteil keinerlei tatsächliche Feststellungen, die den Schluss auf zumindest leichtfertiges Handeln des Betroffenen zulassen. Mit dieser Frage hat sich das Amtsgericht erkennbar aufgrund des geschilderten Rechtsirrtums gar nicht auseinandergesetzt. Von daher scheidet auch die von der Generalstaatsanwaltschaft angeregte Verwerfung der Rechtsbeschwerde unter "Berichtigung"' des Tenors des angefochtenen Urteils von vornherein als bar jeder tatsächlichen Grundlage in den Urteilsfeststellungen aus.
Andererseits kam die von dem Betroffenen begehrte Freisprechung nicht in Betracht, da zur Frage der Leichtfertigkeit ergänzende Feststellungen zu treffen sind und auch nicht erkennbar ist, dass solche Feststellungen nicht mehr getroffen werden können.
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