Diese Homepage verwendet Cookies, um Inhalte und Anzeigen zu personalisieren, Funktionen für soziale Medien anbieten zu können und die Zugriffe auf die Website zu analysieren. Außerdem gebe ich Informationen zu Ihrer Nutzung meiner Website an meine Partner für soziale Medien, Werbung und Analysen weiter.

OK Details ansehen Datenschutzerklärung

Rechtsprechung

Aktenzeichen: 3 Ss OWi 160/98 OLG Hamm

Leitsatz: Zum Umfang der erforderlichen Feststellungen beim Absehen von einem an sich verwirkten Fahrverbot

Senat: 3

Gegenstand: OWi

Stichworte: Absehen vom Fahrverbot, Tatumstände, Umstände in der Tat, Feststellungen zum möglichen Existenzverlust,
Geschwindigkeitsüberschreitung, Teilaufhebung

Normen: StVO 3, StVG 25, BKatV 2

Beschluss: Bußgeldsache gegen H.P.,
wegen Verkehrsordnungswidrigkeit.

Auf die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Essen vom 07.10.1997 gegen das Urteil des Amtsgerichts Bottrop vom 22. September 1997 hat der 3. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 24.05.1998 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft und des Betroffenen bzw. seines Verteidigers beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch nebst den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Bottrop zurückverwiesen.

Gründe:
I. Gegen den Betroffenen ist durch Urteil des Amtsgerichts Bottrop vom 22. September 1997 wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaft eine Geldbuße von 425,- DM festgesetzt worden.
Nach den Urteilsfeststellungen ist der Betroffene beruflich als EDV-Kaufmann im Außendienst tätig und bereits straßenverkehrsrechtlich in Erscheinung getreten. Beim Kraftfahrtbundesamt sind vier Voreintragungen verzeichnet, und zwar wurde gegen ihn wegen einer am 06.10.1995 erfolgten Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerorts um 31 km/h eine Geldbuße von 400,- DM festgesetzt. Von der Verhängung eines Fahrverbotes wurde abgesehen. Wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h um 24 km/h am 24.04.1996 wurde gegen den Betroffenen ein Bußgeld in Höhe von 100,- DM verhängt. Wegen einer Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 30 km/h im Bereich einer 30 km/h Begrenzung in Monheim am 20.04.1996 wurde gegen den Betroffenen eine Geldbuße von 180,- DM verhängt. Am 19.06.1996 überschritt der Betroffene innerorts in Bottrop die zulässige Höchstgeschwindigkeit um 21 km/h und wurde deshalb mit einer Geldbuße in Höhe von 125,- DM belegt.

Zur Sache hat das Amtsgericht festgestellt, dass der Betroffene am 25.02.1997 in Bottrop auf der B 223 außerhalb geschlossener Ortschaften die durch Zeichen 274/55 ausgewiesene zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 37 km/h überschritten hat. In den Urteilsgründen wird sodann ausgeführt, dass der Betroffene den Geschwindigkeitsverstoß zugegeben habe, sich aber dahingehend eingelassen habe, dass am Vorfalltag ein PKW vor ihm gefahren sei, der plötzlich und ohne ersichtlichen Grund seine Geschwindigkeit nahezu bis zum Stillstand herabgesetzt habe. In der Annahme, dass der Fahrer des vorausfahrenden Fahrzeugs Probleme mit seinem Fahrzeug habe, habe er - der Betroffene - deshalb an diesem Fahrzeug vorbeisetzen wollen. Als er sich auf gleicher Höhe mit dem vorausfahrenden PKW befunden habe, habe dessen Fahrer plötzlich beschleunigt. Da sich Gegenverkehr genähert habe, habe er Gas geben müssen, um an dem Fahrzeug vorbeifahren zu können. Dabei habe er die zulässige Höchstgeschwindigkeit überschreiten müssen, um eine Kollision mit dem Gegenverkehr zu vermeiden. Unmittelbar nach dem Überholmanöver habe er die zulässige Geschwindigkeit wieder herstellen wollen. In diesem Moment habe es aber auch schon geblitzt. Er sehe ein, dass sein Verhalten einen Verkehrsverstoß darstelle. Allerdings sei er dringend auf seine Fahrerlaubnis angewiesen. Als EDV-Kaufmann im Außendienst habe er weit entfernt gelegene Kunden zu betreuen und auch Anwerbearbeit zu leisten. Urlaubsanspruch bestehe nicht mehr. Auch bei einem zeitweiligen Verlust der Fahrerlaubnis drohe ihm der Verlust der Arbeit und damit seiner Existenz.

Das Amtsgericht hat das Verhalten des Betroffenen als eine Ordnungswidrigkeit gemäß §§ 41 Abs. 2, 49 StVO angesehen und gegen diesen eine Geldbuße in Höhe von 425,-DM verhängt. Zur Begründung des Rechtsfolgenausspruches hat das Amtsgericht ausgeführt:

"Dabei bedarf es allerdings der Prüfung der Frage, ob der mit einem Fahrverbot angestrebte Erfolg nicht auch mit der Erhöhung der Geldbuße erreicht werden kann, wenn es sich bei dem Pflichtverstoß des Kraftfahrzeugführers nicht um einen durch grobe Verkehrswidrigkeit und Rücksichtslosigkeit gekennzeichneten Verkehrsverstoß des Kraftfahrzeugführers handelt (BGH NZV 92, 79). Angesichts der Einlassung des Betroffenen ist zumindest von dieser Rücksichtslosigkeit nicht auszugehen, da die Beschleunigung des überholten Pkw und der nahende Gegenverkehr für die Erhöhung der Geschwindigkeit mitursächlich waren. Ob es dem Betroffenen möglich gewesen wäre, durch ein Bremsmanöver sich gefahrlos hinter dem beschleunigenden Pkw wieder einzureihen, lässt sich nicht beurteilen. Vor diesem Hintergrund erscheint die Verhängung eines Fahrverbotes nicht als unerlässlich, um auf den Betroffenen erfolgversprechend dahingehend einzuwirken, zukünftig keine Verkehrsverstöße mehr zu begehen. Trotz erheblicher Bedenken, die auf den zahlreichen und durchweg einschlägigen Voreintragungen des Betroffenen beruhen, hat das Gericht daher wegen des drohenden Existenzverlustes des Betroffenen zugunsten einer Verdoppelung der Regelgeldbuße von der Verhängung eines Fahrverbotes abgesehen. Die Erhöhung dieses Betrages von 400,- DM auf 25,- DM beruht auf der letzten Voreintragung. "

Gegen dieses Urteil richtet sich die auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Essen, mit der diese sich insbesondere gegen das Absehen von der Verhängung eines Fahrverbotes wendet. Jeweils unter näheren Ausführungen rügt sie sowohl eine Verletzung formellen als auch materiellen Rechts.

II. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig und hat in der Sache zumindest einen vorläufigen Erfolg. Sie führt aufgrund der erhobenen Sachrüge zu einer Aufhebung des angefochtenen Urteils im Rechtsfolgenausspruch nebst den diesen betreffenden Feststellungen und zu einer Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht Bottrop. Infolgedessen bedurfte es keiner Prüfung, ob die erhobene Verfahrensrüge einer Verletzung der Aufklärungspflicht hier durchgreift.

Die Gründe des angefochtenen Urteils tragen nicht die Entscheidung der Amtsrichterin, hier von der Verhängung eines Fahrverbotes abzusehen.

Entgegen der Ansicht des Amtsgerichts sieht allerdings die Bußgeldkatalogverordnung für eine Geschwindigkeitsüberschreitung von 37 km/h außerhalb geschlossener Ortschaft, wie sie hier festgestellt worden ist, nicht die Verhängung eines Fahrverbotes vor, sondern gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 BKatV i.V.m. Ziffer 5.3.4 der Tabelle 1 a der Anlage zu § 1 Abs. 1 BKatV erst ab einer Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerorts um 41 km/h. In Betracht käme hier aber die Verhängung eines Regelfahrverbotes nach § 2 Abs. 2 S.2 BKatV. Denn nach den Urteilsfeststellungen wurde gegen den Betroffenen wegen einer am 20.04.1996 begangenen Geschwindigkeitsüberschreitung in Höhe von 30 km/h eine Geldbuße von 180,- DM verhängt. Zwar ist die Rechtskraft dieser Bußgeldentscheidung in den Urteilsgründen nicht mitgeteilt worden. Da aber zwischen der Tat vom 25.02.1997, die Gegenstand des angefochtenen Urteils ist, und der Geschwindigkeitsüberschreitung vom 20.04.1996 ein Zeitraum von weniger als einem Jahr liegt, und die Bußgeldentscheidung betreffend die Geschwindigkeitsüberschreitung vom 20.04.1996 erst nach diesem Zeitpunkt rechtskräftig geworden sein kann, ist hier das Vorliegen der Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 S.2 BKatV zu bejahen. Die Erfüllung des Tatbestandes des § 2 Abs. 2 S.2 BKatV indiziert grundsätzlich das Vorliegen eines beharrlichen Verstoßes i.S.v.. § 25 Abs. 1 S.1 StVG, so dass in diesen Fällen in der Regel die Anordnung eines Fahrverbotes geboten ist (vgl. BGH, NJW 1992, 1397). Gemäß § 2 Abs. 4 BKatV kann in Ausnahmefällen unter Erhöhung der Geldbuße von der Verhängung eines Fahrverbotes abgesehen werden. Im Unterschied zu dem Regelfahrverbot in den Anwendungsfällen des § 24 a StVG, in denen nur Härten ganz außergewöhnlicher Art oder sonstige, das äußere und innere Tatbild beherrschende außergewöhnliche Umstände ein Absehen von der Verhängung des Regelfahrverbots rechtfertigen können, reichen in den Fällen des § 2 Abs. 1 und Abs. 2 BKatV dagegen möglicherweise schon erhebliche Härten oder eine Vielzahl für sich genommen gewöhnlicher und durchschnittlicher Umstände aus, um einen Ausnahmefall zu begründen (vgl. BGH, NJW 1992, 1397; BGH, NZV 1992, 117; der Senat in ständiger Rechtsprechung, u.a. Beschluss vom 17.07.1997 - 3 Ss OWi 371/97 - m.w.N.).

Die Amtsrichterin hat die Annahme eines Ausnahmefalls u.a. damit begründet, dass unter Berücksichtigung der Einlassung des Betroffenen dessen Verkehrsverstoß nicht als derart rücksichtslos eingestuft werden könne, dass die Verhängung eines Fahrverbotes unerlässlich erscheine. Abgesehen davon, dass das angefochtene Urteil keinerlei Ausführungen dazu enthält, aus welchen Gründen die Amtsrichterin die Darstellung des Betroffenen zu den Ursachen der Geschwindigkeitsüberschreitung als glaubhaft erachtet hat, rechtfertigt aber der von dem Betroffenen vorgetragene Sachverhalt nicht die Annahme eines Ausnahmefalls gemäß § 2 Abs. 4 BKatV. Nach der Einlassung des Betroffenen hatte nämlich der Fahrer des vor ihm fahrenden Fahrzeuges seinen PKW ohne Rücksicht auf den nachfolgenden Verkehr plötzlich nahezu bis zum Stillstand verlangsamt, ohne dass dafür ein Grund ersichtlich war. Angesichts dieses Verhaltens war es für den Betroffenen nicht vorauszusehen, wie sich der Fahrer des vor ihm befindlichen Fahrzeuges weiterhin verhalten würde. Der Betroffene hätte daher entweder mit dem Überholmanöver noch zuwarten oder aber das Überholmanöver abbrechen müssen, als der Fahrer des zu überholenden Fahrzeugs zu beschleunigen begann und deshalb bei einer Fortführung des Überholvorgangs eine Behinderung oder Gefährdung des Gegenverkehrs drohte. Darauf hätte der dem Betroffenen nachfolgende Verkehr gemäß § 1 StVO Rücksicht nehmen und diesem ein Wiedereinordnen nach rechts ermöglichen müssen (vgl. Jagusch/Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 34. Aufl., § 5 StVO Randziffer 29). Angesichts dessen sowie unter Berücksichtigung der Tatsache, dass sich ausweislich der Urteilsgründe keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass (etwaiger) dem Betroffenen nachfolgender Verkehr diesem ein Wiedereinscheren nach rechts bei einem Abbruch des Überholmanövers nicht ermöglicht hätte, hält die Erwägung der Amtsrichterin, ob es dem Betroffenen möglich gewesen wäre, durch ein Bremsmanöver sich gefahrlos hinter dem beschleunigenden PKW wieder einzureiben, lasse sich nicht beurteilen, einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.

Das Absehen von der Verhängung eines Fahrverbots ist auch nicht aus sonstigen Gründen gerechtfertigt.

Die Amtsrichterin hat zwar das Absehen von der Anordnung eines Fahrverbotes auch darauf gestützt, dass dem Betroffenen anderenfalls ein Existenzverlust drohe. Das Amtsgericht stützt diese Annahme aber lediglich auf die in dem angefochtenen Urteil wiedergegebene Einlassung des Betroffenen zu seinen beruflichen und wirtschaftlich en Verhältnissen, ohne eigene Feststellungen dazu getroffen zu haben, ob der Betroffene tatsächlich beruflich auf sein Fahrzeug angewiesen und ihm bei der Verhängung eines Fahrverbotes der Verlust seiner Arbeit und damit seiner Existenz drohe. Darüber hinaus lässt das angefochtene Urteil bis auf die ungeprüft übernommene Einlassung des Betroffenen, ein Urlaubsanspruch stehe ihm nicht mehr zu, jegliche Ausführungen dazu vermissen, welche Möglichkeiten dem Betroffenen zur Verfügung stehen, um die Dauer eines einmonatigen Fahrverbotes zu überbrücken.

Zu beanstanden ist schließlich, dass auch die Bußgeldzumessung nicht rechtsfehlerfrei erfolgt ist, da die Amtsrichterin für den festgestellten verstoß von einer Regelgeldbuße in Höhe von 200,- DM ausgegangen ist, die Bußgeldkatalogverordnung aber gemäß Ziffer 5.3.3 der Tabelle 1 a des Anhangs zu Nr. 5 der Anlage zu _1 Abs. 1 BKatV für Geschwindigkeitsüberschreitungen von 31 bis 40 km/h außerhalb geschlossener Ortschaften lediglich eine Regelgeldbuße von 150,- DM vorsieht.


zur Startseite "Rechtsprechung"

zum Suchformular

Die Nutzung von Burhoff-Online ist kostenlos. Der Betrieb der Homepage verursacht aber für Wartungs-, Verbesserungsarbeiten und Speicherplatz laufende Kosten.

Wenn Sie daher Burhoff-Online freundlicherweise durch einen kleinen Obolus unterstützen wollen, haben Sie hier eine "Spendenmöglichkeit".