Aktenzeichen: 3 Ss 245/98 OLG Hamm
Leitsatz: ZUm Verfahren bei der Entfernung des Angeklagten aus der Hauptverhandlung nach § 247 StPO.
Senat: 3
Gegenstand: Revision
Stichworte: Aufhebung, Ausschließung des Angeklagten, Entfernung des Angeklagten aus der Hauptverhandlung, Gerichtsbeschluss, Begrüdnung
Normen: 247 StPO
Beschluss: Strafsache gegen H.S.,
wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes.
Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Bielefeld vom 18. Dezember 1997 hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 27.05.1998 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht und die Richterinnen am Oberlandesgericht und nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft einstimmig beschlossen:
Das angefochtene Urteil wird nebst den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Bielefeld zurückverwiesen.
Gründe:
Der Angeklagte ist durch Urteil des Amtsgerichts Bielefeld vom 18. Dezember 1997 wegen versuchten sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen in Tateinheit mit versuchtem sexuellen Missbrauch eines Kindes zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten unter Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt worden. Tatopfer war nach den Urteilsfeststellungen die zur Tatzeit 9 Jahre alte Tochter des Angeklagten R.S. Der Angeklagte hat die ihm zur Last gelegte Tat in Abrede gestellt. Das Amtsgericht hat ihn jedoch aufgrund der Aussage der Zeugin R.S. der ihm vorgeworfenen Tat als überführt angesehen.
Ausweislich des Sitzungsprotokolls vom 18.12.1997 wurde R.S. "in Abwesenheit des Vaters vernommen".
Sodann heißt es in der Sitzungsniederschrift:
"Der Angeklagte wurde wieder hereingerufen um 12.10 Uhr.
Ich habe keine weiteren Fragen an meine Tochter."
Gegen das o.g. Urteil richtet sich die Revision des Angeklagten, mit der dieser unter näheren Ausführungen die Verletzung formellen Rechts geltend macht. Außerdem hat er die allgemeine Sachrüge erhoben.
Die Revision hat mit der erhobenen Verfahrensrüge einer Verletzung des § 247 Satz 4 StPO Erfolg.
Aufgrund der Tatsache, dass nach der Sitzungsniederschrift vom 18.12.1997 nur die Vernehmung der Zeugin R.S. in Abwesenheit des Angeklagten erfolgt und dieser sofort nach der Vernehmung wieder in den Sitzungssaal hineingerufen worden ist, ist davon auszugehen, dass der Angeklagte sich entsprechend seinem Vorbringen in der Revisionsbegründung auf Anordnung des Gerichtes während der Vernehmung seiner Tochter als Zeugin aus dem Sitzungssaal entfernt hatte. Diese Anordnung des Gerichtes beruhte, da die Zeugin R.S. damals erst 14 Jahre alt und zudem die leibliche Tochter des Angeklagten war, ersichtlich auf der Vorschrift des § 247 StPO.
Eine vorübergehende Ausschließung des Angeklagten von der Hauptverhandlung gemäß § 247 StPO bedarf allerdings eines begründeten Beschlusses durch das Gericht (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 43. Aufl., § 247 Randziffer 14), was hier aber ausweislich des Sitzungsprotokolls vom 18.12.1997 nicht der Fall war, da darin ein solcher Beschluss nicht erwähnt ist.
Die Frage, ob bereits dem Fehlen eines auf § 247 StPO gestützten und mit Gründen versehenen Gerichtsbeschlusses die Bedeutung eines absoluten Revisionsgrundes zukommt oder ob eine Verletzung des § 338 Nr. 5 StPO dann angenommen werden kann, wenn die sachlichen Voraussetzungen des § 247 StPO nicht vorliegen oder es zweifelhaft bleibt, ob das Gericht von den danach zulässigen Erwägungen ausgegangen ist, wird in der höchstrichterlichen Rechtsprechung unterschiedlich beurteilt (vgl. insoweit BGH, StV 1984, 102). Im vorliegenden Falle konnte diese Frage jedoch dahingestellt bleiben, da jedenfalls die Rüge der Verletzung des § 247 S.4 StPO hier durchgreift. Die Sitzungsniederschrift vom 18.12.1997 enthält keinen Vermerk darüber, dass der Amtsrichter den Angeklagten, nachdem dieser wieder im Sitzungssaal anwesend war, gemäß § 247 S. 4 StPO von dem wesentlichen Inhalt der Aussage der Zeugin R.S. Kenntnis gegeben hat. Die Unterrichtung des Angeklagten gemäß § 247 S.4 StPO gehört zu den wesentlichen Förmlichkeiten der Hauptverhandlung i.S.d. § 273 Abs. 1 StPO. Deren Beachtung kann daher nach § 274 StPO nur durch das Protokoll bewiesen werden (vgl. BGH, StV 1992, 359; 1984, 102). Aufgrund der negativen Beweiskraft des Sitzungsprotokolls ist es daher hier als bewiesen anzusehen, dass der Angeklagte durch das Gericht über den wesentlichen Inhalt der Aussage der Zeugin R.S in der Hauptverhandlung nicht unterrichtet worden ist. Da es sich bei der Zeugin R.S um die Hauptbelastungszeugin handelte und der Angeklagte zudem nicht durch einen Verteidiger vertreten war, kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Angeklagte infolge der unterbliebenen Unterrichtung über den Inhalt der Aussage seiner Tochter nicht in der Lage war, sein Fragerecht gegenüber dieser Zeugin sachgerecht auszuüben (vgl. insoweit BGH, StV 1992, 359). Es ist daher nicht auszuschließen, dass das angefochtene Urteil auf dem festgestellten Verfahrensverstoß beruht. Angesichts dessen bedurfte es keiner Überprüfung der weiteren von dem Angeklagten geltend gemachten Verfahrensrügen sowie der erhobenen allgemeinen Sachrüge.
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