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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 3 Ss OWi 552/98 OLG Hamm

Leitsatz: Zur Frage, wann der Arbeitgeber des Betroffenen ggf. dazu zu vernehmen ist, ob dem Betroffenen bei Verhängung eines Fahrverbots der Verlust des Arbeitsplatzes droht.

Senat: 3

Gegenstand: OWi

Stichworte: Aufklärungsrüge, Aufhebung im Rechtsfolgenausspruch, drohende Entlassung, Fahrverbot, Geschwindigkeitsüberschreitung, unzumutbare Härte

Normen: 244 Abs. 2 StPO

Beschluss: Bußgeldsache gegen M.N.,
wegen Verkehrsordnungswidrigkeit.

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Minden vom 09.03.1998 hat der 3. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 02.06.1998 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft einstimmig beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch mit dem diesen zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben. In diesem Umfang wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Minden zurückverwiesen.

Gründe:
Gegen den Betroffenen wurde durch Urteil des Amtsgerichts Minden vom 9. März 1998 wegen fahrlässiger Geschwindigkeitsüberschreitung eine Geldbuße in Höhe von 200,-DM verhängt. Außerdem wurde durch das Amtsgericht ein Fahrverbot von einem Monat angeordnet.

Nach den getroffenen Feststellungen überschritt der Betroffene am 01.08.1997 um 10.43 Uhr in Minden-Todtenhausen auf der Todtenhauser Straße in Richtung Petershagen mit dem von ihm geführten PKW Mercedes die dort innerhalb geschlossener Ortschaft zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 34 km/h (gemessene Geschwindigkeit 87 km/h abzüglich 3 km/h Toleranzwert).

Der Betroffene hat nach den Urteilsgründen die festgestellte Geschwindigkeitsüberschreitung eingeräumt.

Zur Begründung des Rechtsfolgenausspruchs hat das Amtsgericht ausgeführt, der Betroffene habe zumindest fahrlässig die zulässige Höchstgeschwindigkeit so erheblich überschritten, dass eine Geldbuße von 200,- DM und ein Fahrverbot von einem Monat zu verhängen seien. Zu seiner Entlastung habe der Betroffene ausgeführt, er sei Gärtnermeister und im Gartenbau und in der Landwirtschaftspflege tätig. Er sei früher selbständiger Gartenbauunternehmer gewesen, habe aber Konkurs anmelden müssen und sei jetzt bei einer Firma S. tätig. Ihm drohe bei der Verhängung eines Fahrverbotes die Entlassung. Der Betroffene habe außerdem eine Erklärung seines Arbeitgebers mit folgendem Wortlaut vorgelegt:
"Sehr geehrter Herr N.,
bezug nehmend auf das Ihnen angedrohte Fahrverbot teilen wir Ihnen hiermit vorsorglich folgendes mit:
- als Gärtnermeister sind Sie für die Kundenbetreuung zuständig. Hierzu ist ein Führerschein dringend erforderlich.
- da die Gartensaison bevorsteht kann kein Urlaub zum Überbrücken des Fahrverbotes gewährt werden.
- wir fordern Sie hiermit auf, diese Angelegenheit zu Ihren Gunsten zu regeln, da sonst eine Entlassung kaum zu verhindern ist, um der Firma S. GmbH fehlende Aufträge und mangelnde Kundenbetreuung zu ersparen.

Das Gericht habe aufgrund dieser vorgelegten Erklärung nicht den Eindruck gewinnen können, dass hier eine unzumutbare Härte bei dem Betroffenen vorliege. Dessen Arbeitgeber drohe nur. Solche Bescheinigungen seien üblich und könnten deshalb keinesfalls Grundlage eines Abweichens von den Richtlinien zur Ahndung bei Geldbußen und Fahrverboten im Rahmen von Geschwindigkeitsüberschreitungen sein. Das Interesse der Allgemeinheit an einem geordneten und sicheren Fahrverkehr müsse vorgehen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die bei zutreffender Auslegung auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Rechtsbeschwerde des Betroffenen. Dieser wendet sich insbesondere gegen das verhängte Fahrverbot und macht eine Verletzung formellen Rechts geltend. Zur Begründung der erhobenen Verfahrensrüge trägt er vor, um jeden Zweifel auszuräumen, dass in der vorgelegten Erklärung seines - des Betroffenen - Arbeitgebers lediglich die Drohung einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu erblicken sei, hätte das Amtsgericht seinen - des Betroffenen - Arbeitgeber F.S. als Zeugen vernehmen müssen. Die Vernehmung dieses Zeugen hätte ergeben, dass er - der Betroffene - tatsächlich entlassen werden würde, sollte er seinen Führerschein abgeben müssen. Durch die Aussage des Zeugen F.S. wäre die richterliche Feststellung beeinflußt worden, so dass das Urteil in Bezug auf die Nebenfolge des Fahrverbotes auf dem gerügten Verfahrensmangel beruhe.

Die Rechtsbeschwerde hat in der Sache einen zumindest vorläufigen Erfolg. Sie führt zu einer Aufhebung des angefochtenen Urteils im Rechtsfolgenausspruch nebst den diesem zugrundeliegenden Feststellungen und zu einer Zurückverweisung der Sache in diesem Umfang an das Amtsgericht Minden.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Stellungnahme zu der Rechtsbeschwerde vom 15.05.1998 u.a. folgendes ausgeführt:

"Die erhobene Aufklärungsrüge genügt nach diesseitiger Auffassung der nach § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO gebotenen Form und ist damit zulässig. Sie benennt zunächst die Tatsache, die das Gericht zu ermitteln unterlassen haben soll und bezeichnet auch das Beweismittel, dessen sich das Gericht hätte bedienen sollen. Der Betroffene hat insoweit vorgetragen, sein Arbeitgeber werde ihn entlassen, sofern ein Fahrverbot verhängt werde, und den Zeugen als Beweismittel benannt. Ferner legt die Rechtsbeschwerde auch die Umstände dar, die nach Auffassung des Betroffenen das Gericht zu weiteren Ermittlungen hätten drängen müssen. Insoweit hat der Betroffene dargetan, die Vernehmung des Zeugen S. habe sich dem Gericht aufgrund des von ihm überreichten Schreibens vom 06.03.1998, dessen Inhalt im Urteil wiedergegeben ist, aufdrängen müssen.

Die Aufklärungsrüge ist nach diesseitiger Auffassung auch begründet.

Nach dem Inhalt des überreichten Schreibens erscheint es nicht ausgeschlossen, dass die Verhängung eines Fahrverbots zum Arbeitsplatzverlust für den Beschwerdeführer führen wird, also einen für die Entscheidung erheblichen Umstand, da besondere Härten, die im Verlust der wirtschaftlichen Existenz liegen können, bei der Entscheidung über die Verhängung des Fahrverbots zu berücksichtigen sind (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 09.06.1995 - 2 Ss OWi 623/95 -, Beschluss vom 26.06.1995 - 2 Ss OWi 703/95 -, Beschluss vom 12.10.1995 - 4 Ss OWi 874/95 -). Soweit das Gericht aus dem Schreiben vom 05.03.1998 lediglich den Schluss gezogen hat, "der Arbeitgeber drohe nur", handelt es sich um eine Vermutung, die letztlich die gebotene Beweiswürdigung und deren Würdigung antizipiert.

Das Amtsgericht hätte sich nur dann nicht näher mit der beruflichen Situation des Betroffenen auseinandersetzen müssen, wenn dieser bereits in einem solchen Umfang straßenverkehrsrechtlich in Erscheinung getreten wäre, dass er auch bei zu erwartenden durchgreifenden beruflichen Nachteilen die Einschränkung seines beruflichen Fortkommens auf jeden Fall hätte hinnehmen müssen (vgl. Senatsbeschluss vom 07.11.1995 - 3 Ss OWi 1126/95 -). Solche Umstände sind aber weder im Urteil mitgeteilt noch sonst ersichtlich.

Die Aufklärungsrüge ist schließlich auch nicht etwa deshalb unbegründet, weil der Betroffene es unterlassen hat, im Termin einen ausdrücklichen Beweisantrag auf Vernehmung seines Arbeitgebers zu stellen. Grundsätzlich richtet sich das Aufklärungsgebot nämlich unabhängig vom Prozeßverhalten der Verfahrensbeteiligten und der von ihnen gestellten Anträge an das Gericht.

Zwar ist anerkannt, dass der Verzicht auf einen Beweisantrag bei der Beurteilung der Frage, ob sich eine weitere Beweiserhebung dem Gericht hätte aufdrängen müssen, berücksichtigt werden darf (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, aaO). Das gilt aber nur dann, wenn sich die weitere Beweiserhebung nicht durch sonstige Umstände aufdrängt (vgl. BGHSt 16, 390 f; Beschluss vom 09.11.1983, aaO). Da der Beschwerdeführer dem Gericht vorliegend eine schriftliche Erklärung seines Arbeitgebers vorgelegt hatte, die nicht ohne weiteres dahin auszulegen war, der Arbeitgeber werde seine Kündigungsandrohung nicht ernsthaft verfolgen, konnte das Gericht unter Berücksichtigung der Pflicht zur Sachaufklärung von der Vernehmung des benannten Zeugen nicht absehen, wenn es auch bezüglich des Umfanges der Beweisaufnahme gem. § 77 OWiG freier gestellt und nicht an die Regeln des § 244 StPO gebunden ist. "

Diesen Ausführungen schließt sich der Senat an und macht sie zur Grundlage seiner Entscheidung.


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