Aktenzeichen: 3 Ss OWi 1101/97 OLG Hamm
Leitsatz: Dem Betroffenen ist von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Rechtsbeschwerde zu gewähren, wenn durch unrichtige Zustellung an seinen Verteidiger ein Rechtsschein gesetzt worden ist, auf den sich der Beschwerdeführer verlassen durfte.
Gegenstand: OWi
Senat: 3
Stichworte: Rechtsschein durch unwirksame Zustellung an Verteidiger, Unwirksamkeit, Vollmacht bei den Akten, Wiedereinsetzung, Zustellung an Verteidiger
Normen: StPO 37 Abs. 3, StPO 145 a
Beschluss: Bußgeldsache gegen V.H.,
wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit im Straßenverkehr.
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen vom 13.06.1997 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Marl vom 02.06.1997 hat der 3. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 04.11.1997 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Landgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:
Dem Betroffenen wird von Amts wegen auf seine Kosten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Marl vom 02.06.1997 gewährt.
Gründe:
I. Das Amtsgericht Marl hat mit dem angefochtenen Beschluss gegen den Betroffenen eine Geldbuße in Höhe von 200,- DM wegen einer fahrlässigen Verkehrsordnungswidrigkeit gemäß §§ 3 Abs. 3, 41 (Zeichen 274) StVO (richtig: §§ 41 Abs. 2 Nr. 7 (Zeichen 274), 49 Abs. 3 Nr. 4 StVO, 24 StVG) verhängt. Das Amtsgericht hatte zuvor auf den 04.02.1997 Termin zur Hauptverhandlung anberaumt, zu dem sowohl der Betroffene als auch sein Verteidiger erschienen waren. Der Betroffene hatte den Geschwindigkeitsverstoß eingeräumt und sich zum Ende der Hauptverhandlung mit einer Entscheidung im Beschlußwege einverstanden erklärt.
Je eine Ausfertigung des Beschlusses ist sodann dem Betroffenen am 06.06.1997 und seinem Verteidiger am 10.06.1997 zugestellt worden. Der Verteidiger hat mit Schreiben vom 13.06.1997, eingegangen beim Amtsgericht Marl am 17.06.1997, Rechtsbeschwerde eingelegt und diese gleichzeitig begründet. Er hat mit näheren Ausführungen beantragt, das Verfahren wegen eingetretener Verfolgungsverjährung einzustellen. Eine Vollmacht des Verteidigers - datiert auf den 28.07.1997, ist auf Aufforderung der Staatsanwaltschaft vom 03.07.1997 am 11.08.1997 zu den Akten gereicht worden.
II. Dem Betroffenen war von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Rechtsbeschwerde zu gewähren. Die Frist zur Einlegung der Rechtsbeschwerde endete hier am 13.06.1997 aufgrund der Zustellung der Beschlußausfertigung an den Betroffenen am 06.06.1997, § 79 Abs. 3 OWiG i.V.m. § 341 Abs. 1 StPO. Die Zustellung der Ausfertigung an den Verteidiger war nämlich mangels ausreichender Bevollmächtigung des Verteidigers zum Zeitpunkt der Zustellung unwirksam und konnte daher nicht gemäß § 37 Abs. 3 StPO i.V.m. § 71 Abs. 1 OWiG Grundlage für die Berechnung des Ablaufs der Frist zur Einlegupg der Rechtsbeschwerde sein. Der gewählte Verteidiger gilt gemäß §§ 71 Abs. 1 OWiG, 145 a Abs. 1 StPO nur dann als ermächtigt, Zustellungen in Empfang zu nehmen, wenn sich eine Vollmacht bei den Akten befindet. Dies war hier nicht der Fall, da die Vollmacht erst zeitlich nach der Zustellung des Beschlusses zu den Akten gelangt ist und - da auf den 28.07.1997 datierend - auch erst nach diesem Zeitpunkt überhaupt unterzeichnet worden war. Deshalb hat der Verteidiger hier auch nicht etwa nachträglich seine wirksame Bevollmächtigung zum Zeitpunkt der Zustellung des angefochtenen Beschlusses nachgewiesen (vgl. dazu BGH, NStZ 1997, 293).
Damit war nur die Zustellung an den Betroffenen vom 06.06.1997 wirksam und die am 17.06.1997 eingegangene Rechtsbeschwerde verspätet.
Bei dieser Sachlage war dem Betroffenen von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Rechtsbeschwerde zu gewähren, §§ 71 Abs. 1 OWiG, 44, 45 Abs. 2, S.3 StPO. Der Beschluss vom 10.06.1997 ist nämlich dem Verteidiger des Betroffenen förmlich gegen Empfangsbekenntnis zugestellt worden. Dadurch hat das Amtsgericht hier aber den Rechtsschein gesetzt, § 37 Abs. 3 StPO sei im vorliegenden Fall anwendbar. Auf diesen Rechtsschein konnte sich der Beschwerdeführer verlassen, so dass die Fristversäumnis als unverschuldet anzusehen ist (so auch BGH, NStZ 1996, S. 97).
Die Kosten der Wiedereinsetzung fallen gem. § 71 As. 1 OWiG, §473 Abs. 7 StPO dem Betroffenen zur Last.
Durch die Gewährung der Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Rechtsbeschwerde wird die Monatsfrist zur Begründung des Rechtsmittels, § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, § 345 Abs. 1 StPO, erneut in Lauf gesetzt; die Begründungsfrist beginnt mit der Zustellung dieses Beschlusses (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 43. A., § 345 Rn. 6) an den Verteidiger des Betroffenen.
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