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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 3 Ss 1556/97 OLG Hamm

Leitsatz: Zum Vortäuschen einer Straftat, wenn der Fahrer eines Pkws zum Verbergen des Umstandes, dass er mit dem von ihm geführten Pkw in einen Verkehrsunfall verwickelt war, behauptet, dieser sei über Nacht von einem Fremden beschädigt worden sei.

Senat: 3

Gegenstand: Revision

Stichworte: Vortäuschen einer Straftat, Strafvereitelung

Normen: StGB145 d, StGB 142, StGB 258

Beschluss: Strafsache gegen C.L.,
wegen Vortäuschens einer Straftat.

Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil der 8. Strafkammer des Landgerichts Essen vom 23. September 1997 hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 28.05.1998 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft einstimmig beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird aufgehoben.

Der Angeklagte wird freigesprochen.

Die Staatskasse trägt die Kosten des gesamten Strafverfahrens sowie die dem Angeklagten in diesem Strafverfahren entstandenen notwendigen Auslagen.

Gründe:
I. Der Angeklagte wurde durch Urteil des Amtsgerichts Marl vom 24.02.1997 von dem gegen ihn erhobenen Vorwurf des Vortäuschens einer Straftat freigesprochen. Auf die gegen dieses Urteil eingelegte Berufung der Staatsanwaltschaft Essen hat das Landgericht Essen durch Urteil vom 23.09.1997 festgestellt, dass der Angeklagte sich wegen Vortäuschens einer Straftat schuldig gemacht hat. Es hat den Angeklagten gleichzeitig verwarnt und sich seine Verurteilung zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 60,- DM vorbehalten.

Nach den getroffenen Feststellungen war der Angeklagte am Abend des 12.07.1996 mit dem PKW Ford Sierra seines Vaters, der ihm das Fahrzeug überlassen hatte, zu einer Feier in der Nachbarschaft in der Straße öIm Strieken in Haltern gefahren und am 13.07.1996 gegen 04.15 Uhr ohne das Fahrzeug nach Hause zurückgekehrt. Als er am selben Morgen kurz vor 11.00 Uhr den PKW Ford Sierra zusammen mit seinem Vater in der Straße "Im Strieken" abholen wollte, wies der PKW einen linksseitigen Streifschaden auf, der, wie der Angeklagte wußte, dadurch entstanden war, dass er oder eine unbekannte Person bei einer Benutzung des Fahrzeugs mit einer Leitplanke in Berührung gekommen war. Seinem Vater gegenüber zeigte sich der Angeklagte aber über den Schaden erstaunt und erklärte diesem, das Fahrzeug sei unbeschädigt gewesen, als er es dort geparkt habe. Es müsse in der Nacht auf dem Parkplatz von einem anderen Fahrzeug gerammt worden sein.

Der Vater des Angeklagten wandte sich daraufhin an die Polizeiwache in Haltern, um Strafanzeige gegen den unfallflüchtigen Täter zu erstatten. Gegenüber dem Polizeibeamten W. schilderte der Vater des Angeklagten in dessen Gegenwart den ihm von dem Angeklagten mitgeteilten Sachverhalt. Der Angeklagte erhob dagegen keine Einwendungen. Soweit der Vater des Angeklagten die ihm gestellten Fragen zur Schadensentstehung nicht beantworten konnte, richtete der Polizeibeamte diese an den Angeklagten, der sie dann auch beantwortete. Anschließend legte der Beamte die gefertigte Verkehrsunfallanzeige, in der u.a. aufgeführt worden war, die Fahrertür des Fahrzeugs sei unverschlossen und eine Antenne abgebrochen gewesen, dem Angeklagten zur Unterzeichnung vor, die auch erfolgte. Der Angeklagte wollte auf diese Weise wider besseres Wissen bei dem Polizeibeamten den unrichtigen Gesamteindruck hervorrufen, eine ihm unbekannte Person müsse den PKW beschädigt haben und dann vom Unfallort geflüchtet sein.

Die Strafkammer ist nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung zu dem Ergebnis gelangt, dass eine Beschädigung des Fahrzeuges des Vaters des Angeklagten durch den Fahrer eines vorbeifahrenden anderen Fahrzeuges auszuschließen sei, ebenso eine Schadensverursachung durch einen unbekannten Dritten, der das Fahrzeug ohne Billigung des Angeklagten benutzt und anschließend wieder in der Straße öIm Strieken vor dem gleichen Haus wie zuvor geparkt habe. Vielmehr habe der Angeklagte wider besseres Wissen das Vorliegen einer Straftat gemäß § 142 StGB vorgetäuscht. Wie der Angeklagte gewußt habe, sei der Schaden nämlich von ihm selbst oder von einer Person hervorgerufen worden, die den PKW mit seiner Billigung genutzt habe. Es fehle daher an einer Verkehrsunfallflucht oder einer anderen rechtswidrigen Tat. Die Strafkammer hat den Angeklagten aufgrund dieser Handlungsweise des Vortäuschens einer Straftat gemäß § 145 d Abs. 1 Nr. 1 StGB für schuldig befunden und die bereits oben wiedergegebenen Rechtsfolgen mit dem angefochtenen Urteil gegen diesen verhängt.

Der Angeklagte hat gegen das Urteil des Landgerichts Essen vom 23.09.1997 Revision eingelegt. Er rügt sowohl eine Verletzung formellen als auch materiellen Rechts.

II. Die Revision ist begründet. Sie führt auf die erhobene Sachrüge zu einer Aufhebung des angefochtenen Urteils und zu einem Freispruch des Angeklagten. Infolgedessen bedurfte es keiner Erörterung der außerdem geltend gemachten Verfahrensrüge.

1. Die getroffenen Feststellungen tragen nicht die Verurteilung wegen Vortäuschens einer Straftat gemäß § 145 d StGB.

a) Der Tatbestand des § 145 d Abs. 1 Nr. 1 StGB setzt die Vortäuschung einer in Wirklichkeit nicht begangenen Straftat voraus (vgl. Tröndle, StGB, 48. Aufl., § 145 d Rdz. 5). Die Annahme der Strafkammer, der Angeklagte habe eine Straftat gemäß § 142 StGB nur vorgetäuscht, hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

Die Verpflichtungen aus § 142 StGB bestehen immer dann, wenn durch einen Verkehrsunfall ein anderer getötet, verletzt oder eine fremde Sache - nicht unerheblich - beschädigt worden ist. Erforderlich ist, dass durch das Geschehnis in den Rechtsbereich eines Dritten eingegriffen wird, nicht aber, dass dieser auch selbst Verkehrsteilnehmer ist. Die nach § 142 StGB zu erfüllenden Pflichten treffen daher auch denjenigen, der einen nicht unwesentlichen Schaden an dem von ihm geführten, einem anderen gehörigen Fahrzeug herbeiführt (vgl. BGHSt 9, 267). Eine solche Fallgestaltung war hier nach den getroffenen Feststellungen gegeben. Denn das nicht nur belanglos beschädigte Fahrzeug gehörte dem Vater des Angeklagten und stellte daher sowohl für den Angeklagten als auch für einen Dritten, der den PKW mit der Erlaubnis des Angeklagten benutzt hat, eine fremde Sache dar.

Zwar wäre, wenn der Angeklagte das Fahrzeug gefahren und dessen Beschädigungen verursacht hätte, eine rechtswidrige Tat nach § 142 StGB möglicherweise deshalb nicht gegeben, weil ein Feststellungsinteresse des Vaters des Angeklagten mit Rücksicht darauf nicht vorgelegen hätte, dass es sich bei dem Schädiger um seinen Sohn handelte, den er auf Schadenersatz nicht in Anspruch zu nehmen beabsichtigte, (vgl. OLG Hamm VRS 23, 105 und NJW 1971, 1469; Tröndle, StGB, 48. Aufl., § 142 Rdz 18). Für einen Dritten, dem der Angeklagte das Fahrzeug überlassen hat, würde dies aber nicht gelten. Für diesen Fall kann daher die Möglichkeit nicht ausgeschlossen werden, dass tatsächlich eine rechtswidrige Tat gemäß § 142 StGB durch den Dritten begangen worden ist, so dass sich eine Erfüllung der ersten Alternative des § 145 d Abs. 1 StGB durch den Angeklagten - wie die Strafkammer angenommen hat - nicht mit hinreichender Sicherheit feststellen lässt.

b) In dem zuletzt genannten Fall wäre eine Strafbarkeit des Angeklagten auch nicht wegen versuchter Täuschung über die Person eines Beteiligten an einer tatsächlich begangenen rechtswidrigen Tat gemäß § 145 d Abs. 2 Nr. 1 StGB - gegeben.
Schutzzweck des § 145 d StGB ist es, die staatlichen Verfolgungsbehörden vor einer unnützen Inanspruchnahme und Fehlleitung ihrer Verfolgungstätigkeit zu schützen (vgl. Rudolphi in SK, StGB, 5. Aufl., § 145 d Rdz. 1 a m.w.N; Willms in LK, StPO, 9. Aufl., §§ 145 d Rdz. 2). Entsprechend diesem Schutzzweck muss der Täter zur Tatbestandsverwirklichung versuchen, die Verfolgungsorgane in eine falsche Richtung zu lenken (vgl. Rudolphi in SK, a.a.O. Rdz. 14; Stree in Schönke/Schröder, StGB, 24. Aufl., § 145 d Rdz. 14; Schild in AK, StGB, § 145 d Rdz. 22; Lackner, StGB, 22. Aufl., § 145 d Rdz. 7). Es reicht nicht aus, dass die Tätigkeit der Ermittlungsbehörden nur erschwert oder behindert wird. Denn § 145 d StGB enthält keine allgemeine Strafandrohung gegen den, der die Tätigkeit der Ermittlungsbehörden in irgendeiner Weise erschwert (vgl. BGHSt 19, 305).

Die Erfüllung des Tatbestandes des § 145 d Abs. 2 Nr. 1 StGB kann dadurch geschehen, dass der Täter den Verdacht auf eine bestimmte Person oder auf sich selbst lenkt. Nach den getroffenen Feststellungen hat der Angeklagte dies nicht getan, sondern gegenüber der Polizei den Gesamteindruck erweckt, eine ihm unbekannte Person müsse das Fahrzeug seines Vaters beschädigt haben und anschließend geflüchtet sein.
Wird auf einen Unbekannten als Täter hingewiesen oder Strafanzeige ögegen Unbekannt erstattet, ist es unter Berücksichtigung des oben dargelegten Schutzzwecks des § 145 d StGB, die Behörden vor einer ungerechtfertigten Inanspruchnahme zu schützen, zur Verwirklichung des Tatbestandes des § 145 d Abs. 2 Nr.1 StGB erforderlich, dass der Täter durch konkrete Angaben die Ermittlungsbehörden in eine bestimmte falsche Richtung zu lenken versucht. Das bloße Berufen auf den ögroßen Unbekannten reicht für sich allein nicht aus (Rudolphi, SK, a.a.O., Rdz. 14 und 15; Stree in Schönke/ Schröder, 24. Aufl., § 145 d Rdz. 14 und in Festschrift für Lackner, 1987, S. 526 (535 ff); Krümpelmann, ZStW 96 (1984), S. 999 (1028); a.A. für den Fall, dass der Täter den Verdacht von einem Dritten ablenken will, Tröndle, StGB, a.a.O., § 145 d Rdz. 7 und wohl auch Willms in LK, StGB, 9. Aufl., § 145 d Rdz. 9). Vielmehr müssen konkrete Tatsachen oder Umstände behauptet werden, die auf einen anderen - wenn auch Unbekannten - als Täter hinweisen. Denn erst dann sind sie geeignet, die Ermittlungsbehörden hinters Licht zu führen und diese zu Nachforschungen nach dem Unbekannten zu veranlassen (vgl. OLG Celle NJW 1961, 1417).

Im vorliegenden Fall hat der Angeklagte bei der Anzeigenerstattung an Tatsachen lediglich angegeben, er habe das Fahrzeug unbeschädigt am 12.07.1996 abgestellt und am nächsten Tag in beschädigtem Zustand und mit unverschlossener Fahrertür wieder aufgefunden. Konkrete Angaben zu dem mutmaßlichen Täter, die geeignet gewesen wären, die Verfolgungsorgane bei der Tätersuche auf eine bestimmte falsche Spur zu leiten und unnütze Fahndungsmaßnahmen nach dem angeblich unbekannten Täter auszulösen, hat der Angeklagte nicht getätigt, sondern sich damit begnügt, auf einen Unbekannten als Täter hinzuweisen. Sein Verhalten erfüllt daher nicht den Tatbestand des § 145 d Abs. 2 Nr. 1 StGB.

Eine andere Beurteilung ist hier auch nicht aufgrund des Urteil des Bundesgerichtshofes vom 09.07.1954 (BGHSt 6, 251) geboten. Denn der Bundesgerichtshof hat darin lediglich entschieden, dass eine Anzeige "gegen Unbekannt" zur Tatbestandsverwirklichung jedenfalls dann ausreicht, wenn derjenige, der die Anzeige bewirkt oder veranlaßt, selbst zu den an der Straftat Beteiligten gehört. Eine solche Fallgestaltung ergibt sich hier jedoch bei Zugrundelegung der von dem Landgericht angenommenen zweiten Alternative, dass ein Dritter mit dem Fahrzeug des Vaters des Angeklagten tatsächlich gefahren ist und dieses beschädigt hat, nach den Urteilsfeststellungen nicht. Abgesehen davon stellt auch der Bundesgerichtshof in der oben genannten Entscheidung bei der Prüfung der Frage, ob der Tatbestand § 145 d Abs. 2 Nr. 1 StGB verwirklicht worden ist, auf den Schutzzweck dieser Vorschrift ab. Er führt nämlich aus, die Vorschrift solle die Strafverfolgungsbehörden davor schützen, ungerechtfertigt in Anspruch genommen zu werden oder unnütze Maßnahmen zu ergreifen. Jedenfalls der zuletzt genannte Grund treffe auf den zu entscheidenden Fall zu.

Zu berücksichtigen ist außerdem, dass es zur Verwirklichung des Tatbestandes des § 145 d Abs. 2 Nr. 1 StGB nicht genügt, dass die Behörden nur veranlaßt werden sollen, keine Nachforschungen gegen den wirklichen Täter anzustellen, da dann von einer ungerechtfertigten Inanspruchnahme der Strafverfolgungsbehörden nicht gesprochen werden kann (vgl. BGHSt 19, 305). Hier kann zumindest die Möglichkeit nicht ausgeschlossen werden, dass es dem Angeklagten ausschließlich darum ging, Ermittlungen gegen den Dritten als Täter zu verhindern, dass er aber weder die Behörden zu einer unnützen Suche nach dem angeblich unbekannten Täter veranlassen wollte noch damit rechnete, dass dies geschehen würde. Dafür spricht insbesondere, dass die Erstattung der Strafanzeige nach getroffenen Feststellungen nicht auf die Initiative des Angeklagten, sondern nur auf Drängen seines Vaters hin erfolgte.

3. In Betracht zu ziehen wäre, falls ein Dritter mit dem Fahrzeug des Vaters des Angeklagten gefahren sein sollte, allenfalls noch eine Strafbarkeit des Angeklagten gemäß § 258 Abs. 1, 1. Alternative StGB (Strafvereitelung). Voraussetzung dafür wäre, dass es sich bei der von dem Dritten begangenen Verkehrsunfallflucht nicht nur um eine rechtswidrige, sondern auch schuldhafte Tat gehandelt hat, zu Gunsten des Dritten keine persönliche Schuldausschließungsgründe eingreifen und keine Verfahrenshindernisse vorliegen. Denn nur dann bestünde ein staatlicher Anspruch auf Verhängung einer Strafe gegen den Dritten, den der Angeklagte hätte vereiteln können (vgl. Tröndle, StGB, 48. Aufl. § 258 Rdz. 2 und 3). Das Vorliegen der beiden zuerst genannten Voraussetzungen lässt sich hier aber auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen nicht bejahen. Diese enthalten nämlich weder Angaben zu der Person des Dritten noch Ausführungen zu dessen Vorstellungsbild und Willen im Falle einer von diesem begangenen Verkehrsunfallflucht gemäß § 142 StGB.

4. Der Senat hält es bei der hier gegebenen Sach- und Beweislage auch für ausgeschlossen, dass in einer erneuten Hauptverhandlung weitere Feststellungen getroffen werden, die zu einer Verurteilung des Angeklagten wegen Vortäuschens einer Straftat oder Strafvereitelung führen könnten. Der Angeklagte war daher freizusprechen.

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 467 Abs. 1 StPO.


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