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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 3 Ss 760/98 OLG Hamm

Leitsatz: 1. Erwachsene Familienmitglieder können einen Strafantrag wegen Hausfriedensbruch stellen.
2. Zu den Anforderungen an die tatsächlichen Feststellungen bei Hausfriedensbruch

Senat: 3

Gegenstand: Revision

Stichworte: Hausfriedensbruch, Inhaber des Hausrechts, Hausrecht, Schuldfähigkeit, Sprungrevision, Strafantrag durch erwachsene Familienmitglieder, Strafzumessung

Normen: StGB 123 Abs. 2, StGB 20

Beschluss: Strafsache gegen G.P.,
wegen Hausfriedensbruchs.

Auf die Sprungrevision des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Hattingen vom 13.03.1998 hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 2. Juli 1998 durch die Richterin am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft gemäß § 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Hattingen zurückverwiesen.

Gründe:
I. Das Amtsgericht Hattingen hat den Angeklagten wegen Hausfriedensbruchs zu einer Freiheitsstrafe von zwei Monaten unter Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt.

Der Verurteilung liegen folgende Feststellungen zugrunde:

"Der Angeklagte hat einen Drang, Reitställe aufzusuchen. Am 10.03.1977 wurde der Angeklagte in der unverschlossenen Sattelkammer des Reitstalls an der Felderbachstraße 107 in Hattingen angetroffen. Die Zeugin D. fand am Boden Sachen verstreut. Es konnte aber nicht festgestellt werden, dass der Angeklagte diese Gegenstände in die Hand genommen hatte, oder sonst irgend etwas selbst beschädigt hatte. Der Angeklagte hat diesen Reiterhof nicht nur einmal uneingeladen besucht.

Zur Schuldfähigkeit des Angeklagten hat das Amtsgericht folgendes ausgeführt:
"Der Sachverständige hat in dem auszugsweise verlesenen umfangreichen schriftlichen Gutachten bei den Akten dem Angeklagten nach eingehender Exploration seines bisherigen Lebensverlaufs und seiner Verhaltensweise Zurechnungsfähigkeit attestiert, lediglich die Möglichkeit einer starken Verminderung der Schuldfähigkeit als Folge eines Verkehrsunfalls angeführt. "

Zur Strafzumessung heißt es in dem angefochtenen Urteil in diesem Zusammenhang:

"Der Umstand, dass der Angeklagte unter den Voraussetzungen einer verminderten Schuldfähigkeit seine Rechtsbrüche begangen haben sollte, oder auch in Zukunft begehen würde, kann sich nicht weiter strafverkürzend oder strafmildernd auswirken. Die Straftaten sind ja gerade Ausfluß der besonderen Wesenslage des Angeklagten. Sollte diese zu einer Verminderung der Schuldfähigkeit geführt haben, wird gerade dadurch die Umwelt besonders gefährdet. "

Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte form- und fristgerecht Sprungrevision eingelegt.
Er greift das Urteil mit der Sachrüge sowie mit der "Verfahrensrüge", es fehle an einem formgültigen Strafantrag, an. Zu letzterem führt die Revision aus, dass der Strafantrag durch die Tochter des oder der Antragsberechtigten im eigenen Namen gestellt worden sei.

II. Die zulässige Revision des Angeklagten hat auch in der Sache einen zumindest vorläufigen Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils sowie zur Zurückverweisung der Sache an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Hattingen.

Kein Erfolg hat allerdings die Rüge, es fehle hier an einem ordnungsgemäßen Strafantrag. Insoweit handelt es sich um eine Prozeßvoraussetzung, die das Revisionsgericht von Amts wegen zu überprüfen hat. Nach Aktenlage ist der Strafantrag am 10.03.1997 durch die erwachsene - am 08.01.1976 geborene Tochter des Inhabers des Reitstalls Felderbachstraße 107 in Hattingen gestellt. Erwachsene Familienmitglieder des Hausrechtsinhabers sind aber bereits kraft ihrer Zugehörigkeit zur Familiengemeinschaft zur Wahrung des Hausrechtes befugt (BGHSt 21, 224, 226) und damit gleichzeitig auch strafantragsberechtigte Mitinhaber der Hausrechtes (vgl. Tröndle, StGB, 48. Aufl., § 123 Rdnr. 2, 22).

Die Revision hat indes mit der Sachrüge Erfolg.

Zunächst tragen die Feststellungen des angefochtenen Urteils den Schuldspruch wegen Hausfriedensbruchs gemäß § 123 Abs. 1 StGB nicht. Hier kommt die Verwirklichung dieses Tatbestandes nur in der Variante des Eindringens in das befriedete Besitztum eines anderen in Betracht. Das Eindringen setzt aber voraus, dass der Täter gegen den Willen des Berechtigten in die geschützten Räume gelangt ist. Erforderlich hierfür ist die Überwindung eines Hindernisses, dass aber auch nur psychischer Art im Sinne einer geistige Barriere sein kann, also auch in dem erkannten oder mutmaßlichen entgegenstehenden Willen des Hausrechtsinhabers bestehen kann (Tröndle, a.a.O., § 123 Rdnr. 10 m.w.N.). Hierzu enthält das angefochtene keine Feststellungen. Allein darauf, dass der Angeklagte in der unverschlossenen Sattelkammer des Reitstalls angetroffen wurde, lässt noch nicht den Schluss zu, dass er zuvor unter Überwindung eines zumindest psychischen Hindernisses dort eingedrungen war. Es hätte hier näherer Feststellung dazu bedurft, auf welche Weise der Reitstall gegen unbefugtes Betreten durch Dritte geschützt ist, wobei ggf. auch eine entsprechende Beschilderung ausreichen kann.

Darüber hinaus setzt sich das angefochtene Urteil nicht in nachvollziehbarer Weise mit der Schuldfähigkeit des Angeklagten auseinander. Allein die Mitteilung, ein Sachverständiger habe dem Angeklagten "Zurechnungsfähigkeit attestiert und "lediglich die Möglichkeit einer starken Verminderung der Schuldfähigkeit als Folge eines Verkehrsunfalls angeführt", erlaubt dem Revisionsgericht nicht die Überprüfung, welche Befunde der Sachverständige bei dem Angeklagten erhoben hat und welche Auswirkungen diese Befunde möglicherweise auf die Schuldfähigkeit des Angeklagten haben können. Auch ist die Frage der Aufhebung oder der erheblichen Verminderung der Schuldfähigkeit eine Rechtsfrage und keine medizinische Frage, so dass sich das Amtsgericht bereits deshalb nicht damit begnügen durfte, insoweit die Ergebnisse eines medizinischen Sachverständigengutachtens allein zu zitieren (vgl. hierzu Schönke/Schröder/Lenckner, StGB, 25. Aufl., § 20 Rdnr- 26).

Für die erneute Hauptverhandlung weist der Senat im Hinblick auf die Strafzumessungserwägungen des angefochtenen Urteils vorsorglich darauf hin, dass dann, wenn die Schuld infolge verminderter Schuldfähigkeit erheblich gemindert ist, eine Strafmilderung nicht aus schuldfremden Erwägungen, etwa aus spezial- oder generalpräventiven Gründen, versagt werden kann, da die Präventionszwecke nur innerhalb einer der Schuld angemessenen Strafe berücksichtigt werden dürfen (Schöncke/Schröder/ Lenckner, a.a.O. § 21 Rdnr. 15 m.w.N.). Eine danach gebotene Strafmilderung kann dem Angeklagten daher nur unter engen Voraussetzungen, etwa einer besonderen Tatschwere - die hier zweifellos nicht vorliegt - oder unter der Voraussetzung versagt werden, dass er den Ausnahmezustand, in dem er die Tat beging, schuldhaft herbeigeführt hat. Auch dies dürfte bei einer denkbaren Hirnschädigung aufgrund eines Verkehrsunfalls, wie in dem angefochtenen Urteil leider nur anklingt, kaum zu begründen sein.


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