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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 3 Ss OWi 697/98 OLG Hamm

Leitsatz: Zum Absehen von einem an sich verwirkten Fahrverbot

Senat: 3

Gegenstand: OWi

Stichworte: Absehen vom Fahrverbot, Beharrlichkeit, Ausbauzustand der Straße, berufliche Nachteile, Raser, Tatzeit

Normen: StVO 3, BKatV 2, StVG 25 Abs. 1 Satz 1

Beschluss: Bußgeldsache gegen J.F.,wegen fahrlässiger Geschwindigkeitsüberschreitung innerorts, hier: Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft.

Auf die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Bielefeld gegen das Urteil des Amtsgerichts Herford vom 29. Januar 1998 hat der 3. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 11.08.1998 durch den Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und den Richter am Landgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft und des Betroffenen bzw. seines Verteidigers beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Herford zurückverwiesen.

Gründe:
I. Durch das angefochtene Urteil ist gegen den Betroffene wegen einer am 17. August 1997 um 0.05 Uhr in Vlotho auf der Mindener Straße innerorts begangenen fahrlässigen Geschwindigkeitsüberschreitung um 30 km/h eine - erhöhte - Geldbuße von 400,00 DM verhängt worden. Bereits am 8. Januar 1997 war gegen den Betroffenen wegen einer am 3. November 1996 begangenen Geschwindigkeitsüberschreitung um 31 km/h ein Bußgeld in Höhe von 150,00 DM verhängt worden. Der entsprechende Bußgeldbescheid des Landkreises Osnabrück ist seit dem 29. Januar 1997 rechtskräftig. Das Amtsgericht hat von der Verhängung eines Fahrverbots trotz Vorliegens der Voraussetzungen gemäß § 2 Abs. 2 BKatV unter Erhöhung des Regelbußgeldes von 120,00 DM auf 400,00 DM abgesehen, weil ein beharrlicher Pflichtverstoß nicht vorliege und die Verhängung eines Fahrverbotes unverhältnismäßig sei. Im wesentlichen hat das Amtsgericht ausgeführt, die Messstelle habe sich an einer gut ausgebauten Straße befunden, deren Fahrbahnen durch eine durchgezogene Linie getrennt seien. Der Fahrbahnrand sei mit einer Leitplanke abgegrenzt, so dass eine Gefahr für Fußgänger nicht bestanden habe. Der Verstoß habe sich zur Nachtzeit ereignet, es habe nur geringes Verkehrsaufkommen bestanden. Der Betroffene sei kein "Raser". Er sei bisher nur einmal verkehrsrechtlich in Erscheinung getreten und habe den Verstoß sofort eingeräumt. Zudem sei der Betroffene, der sich den Vorfall ödurchaus zu Herzen genommen habe, beruflich auf seinen Führerschein angewiesen. Ohne Führerschein sei ihm die Berufsausübung praktisch nicht möglich. Eine vorübergehende andere Verwendung des Betroffenen stoße auf Schwierigkeiten. Wegen der Einzelheiten wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil hat die Staatsanwaltschaft Bielefeld rechtzeitig Rechtsbeschwerde eingelegt und das Rechtsmittel nach Zustellung des Urteils am 12. März 1998 mit der näher ausgeführten Rüge der Verletzung materiellen Rechts rechtzeitig begründet. Die Rechtsbeschwerdebegründung ist zwar zunächst dem Amtsgericht Hamburg übersandt worden, letztlich jedoch rechtzeitig am 4. April 1998 beim Amtsgericht Herford eingegangen.

Die Generalstaatsanwaltschaft ist der Rechtsbeschwerde beigetreten.

II. Die Staatsanwaltschaft Bielefeld wendet sich mit seiner zulässigen Rechtsbeschwerde ersichtlich nur gegen den Rechtsfolgenausspruch und die insoweit getroffenen Feststellungen. Die Rechtsbeschwerde ist damit als auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt anzusehen.

Die Rechtsbeschwerde hat auch einen zumindest vorläufigen Erfolg. Die Erwägungen und Vermutungen des Amtsgerichts im angefochtenen Urteil rechtfertigen ein Absehen von der Verhängung des (Regel-)Fahrverbots gemäß § 2 Abs. 2 BKatV nicht.

Zunächst ist nicht nachvollziehbar dargelegt, warum ein beharrlicher Pflichtenverstoß nicht anzunehmen sei. Der Betroffene ist binnen eines Jahres nach rechtskräftiger Belegung mit einer Geldbuße wiederum mit einer deutlichen Geschwindigkeitsüberschreitung aufgefallen. Das Verhalten des Betroffenen hat der Verordnungsgeber als Regelfall eines beharrlichen Verkehrsverstoßes i.S.d. § 25 Abs. 1 Satz 1 StVG durch § 2 Abs. 2 Satz 2 BKatV erfaßt. Die aufgeführten Umstände rechtfertigen eine andere Beurteilung ersichtlich nicht.

Die Erwägungen, mit denen das Amtsgericht von der Verhängung eines Fahrverbotes gemäß § 2 Abs. 4 BKatV abgesehen hat, sind ebenfalls rechtsfehlerhaft. Nach dieser Vorschrift kann zwar in Ausnahmefällen unter Erhöhung der Geldbuße von der Verhängung eines Fahrverbots abgesehen werden. Hierfür reichen nach obergerichtlicher Rechtsprechung möglicherweise schon erhebliche Härten oder aber eine Vielzahl für sich genommen gewöhnlicher und durchschnittlicher Umstände aus, um eine Ausnahme zu begründen (BGH NZV 1992, 117, 119; ständige Rechtsprechung des Senats, u.a. Beschluss vom 7. März 1996 - 3 Ss OWi 1304/95 - in JMBl. NW 1996, 246; Beschluss vom 30.09.1996 - 3 Ss OWi 972/96 -; Beschluss vom 10.12.1996 - 3 Ss OWi 1405/96 -; vgl. auch OLG Naumburg NZV 1995, 161).

Derartige Umstände, die ein Absehen von der Verhängung eines Fahrverbots unter Erhöhung der Geldbuße rechtfertigen können, lassen sich dem angefochtenen Urteil jedoch nicht entnehmen. Zwar unterliegt die Entscheidung, ob trotz Vorliegens eines Regelfalls der konkrete Sachverhalt Ausnahmecharakter hat und somit von der Verhängung eines Fahrverbots abgesehen werden kann, in erster Linie der Beurteilung durch den Tatrichter (BGH, NZV 1992, 286, 288). Ihm ist jedoch insoweit kein rechtlich ungebundenes, freies Ermessen eingeräumt, das nur auf das Vorliegen von Ermessensfehlern hin vom Rechtsbeschwerdegericht überprüfbar ist, sondern der dem Tatrichter verbleibende Entscheidungsspielraum ist durch gesetzlich niedergelegte oder von der Rechtsprechung herausgearbeitete Zumessungskriterien eingeengt und unterliegt insoweit hinsichtlich der Angemessenheit der verhängten Rechtsfolge in gewissen Grenzen der Kontrolle durch das Rechtsbeschwerdegericht. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der Annahme der Voraussetzungen eines Durchschnittsfalls oder Regelfalls, zu der auch die Frage der Verhängung des Fahrverbots oder des Absehens von einem solchen nach der Bußgeldkatalogverordnung zu zählen ist (vgl. hierzu die genannten Senatsentscheidungen).

Der Fahrzeugführer, der binnen eines Jahres nach rechtskräftiger Belegung mit einer Geldbuße wiederum mit einer deutlichen Geschwindigkeitsüberschreitung auffällt, hat gezeigt, dass diese massive Warnung ins Leere gegangen ist (BVerfG, VM 96, 57 f). Die demgegenüber vom Amtsgericht aufgeführten Umstände sind weder allein noch in ihrer Gesamtheit betrachtet geeignet, den Schluss zuzulassen, der erzieherische Erfolg sei auch mit einer wesentlich höheren Geldbuße erreichbar.

Nach einhelliger obergerichtlicher Rechtsprechung rechtfertigt nicht jeder berufliche Nachteil die Ausnahme vom Regelfahrverbot, sondern grundsätzlich darf nur eine Härte ganz außergewöhnlicher Art, die ggf. im Verlust der wirtschaftlichen Existenz zu sehen ist, zum Verzicht auf ein Fahrverbot führen (vgl. OLG Hamm, VRS 90, 210, 212; OLG Hamm, DAR 1996, 325; OLG Hamm NZV 1995, 366, 367). Insoweit fehlen jedoch ausreichende und geprüfte Feststellungen des Amtsgerichts zu den beruflichen Folgen eines Fahrverbotes durch den Betroffenen. So war insbesondere zu erörtern, ob mögliche berufliche Folgen dadurch gemildert werden können, dass der Betroffene seinen Jahresurlaub oder zumindest einen Teil davon während der Dauer des Fahrverbots in Anspruch nimmt. Weiter bedarf es der Prüfung, inwieweit der Betroffene zumindest vorübergehend etwa durch Wechsel oder Tausch des Einsatzgebietes seiner Arbeit auch ohne Führerschein nachkommen kann. Nicht zuletzt bedarf es der Klärung, welche Folgen sich für den Betroffenen bei der Vollstreckung eines einmonatigen Fahrverbotes ergeben. Das angefochtene Urteil erweckt den Eindruck, es habe insoweit auf die Folgen abgestellt, die bei den vom Betroffenen betreuten Jugendlichen möglicherweise eintreten werden. Die vom Betroffenen vorgelegte Bescheinigung seines Arbeitgebers ist viel zu allgemein gehalten, um das Maß der beruflichen Folgen für den Betroffenen auch nur abschätzen zu können. Die eigenen Angaben des Betroffenen sind zudem nicht ungeprüft hinzunehmen (vgl. dazu Senat, Beschluss vom 11.03.1997 - 3 Ss OWi 100/97 -).

Andere erhebliche Härten oder eine Vielzahl für sich genommen gewöhnlicher und durchschnittlicher Umstände, die ein Absehen von der Verhängung des Fahrverbotes rechtfertigen würden, sind den Urteilsgründen nicht zu entnehmen. Weder der gute Ausbauzustand der Straße (vgl. dazu OLG Hamm, Beschluss vom 07.05.1998
-4 Ss OWi 426/98 -) noch der Umstand, dass der Betroffene die Ordnungswidrigkeit zur Nachtzeit bei geringem Verkehrsaufkommen begangen hat, stellen insoweit maßgebliche Umstände dar. Die Rechtsbeschwerde weist zur Bewertung der Tatzeit zu Recht darauf hin, dass mit Rücksicht auf die herrschende Dunkelheit und der hieraus resultierenden eingeschränkten Sichtmöglichkeiten eher von einer gesteigerten Gefährlichkeit statt von einer unterdurchschnittlichen auszugehen sein dürfte (vgl. Senat, Beschluss vom 6. Februar 1997 - 3 Ss OWi 13/97 -).

Der Umstand, dass das Amtsgericht den Betroffenen nicht für einen "Raser" hält, ist, was die Rechtsbeschwerde ebenfalls zu Recht beanstandet hat, völlig irrelevant.

Die aufgeführten Begründungsmängel führen zur Aufhebung des Urteils im gesamten Rechtsfolgenausspruch, weil zwischen der verhängten Geldbuße und dem Fahrverbot eine Wechselwirkung besteht. Eine Entscheidung des Senats gemäß § 79 Abs. 6 OWiG kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil insbesondere hinsichtlich der beruflichen Folgen eines Fahrverbotes weitere tatsächliche Feststellungen zu treffen sind.


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