Aktenzeichen: 3 Ws 324/98 OLG Hamm
Leitsatz: Eine Zustellung ist auch dann wirksam, wenn die Zustellungsurkunde eine unrichtige Datumsangabe enthält.
Senat: 3
Gegenstand: Beschwerde
Stichworte: Wirksamkeit der Zustellung, unrichtiges Zustellungsdatum, unklares Zustellungsdatum, Unzulässigkeit, Zustellungsurkunde
Normen: StPO 37, ZPO 191, ZPO 212 a
Beschluss: Strafsache gegen N.I.,
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Heroin in nicht geringer Menge,
(hier: sofortige Beschwerde gegen die Ablehnung der bedingten Entlassung).
Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten vom 8. Juli 1998 gegen den Beschluss der 24 b Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bielefeld vom 18.06.1998 hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 20.08.1998 durch den Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und den Richter am Landgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft und des Verurteilten bzw. seines Verteidigers beschlossen:
Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten des Verurteilten als unzulässig verworfen.
Gründe:
I. Mit seiner am 08.07.1998 bei dem Landgericht Bielefeld eingegangenen sofortigen Beschwerde seiner Bevollmächtigten vom selben Tage wendet sich der Verurteilte gegen den ihm am 26.06.1998 zugestellten Beschluss der 24 b. Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bielefeld vom 18.06.1998, durch den nach Anhörung der Staatsanwaltschaft Essen und des Leiters der Justizvollzugsanstalt Bielefeld-Senne sowie nach mündlicher Anhörung des Verurteilten die Strafaussetzung zur Bewährung abgelehnt worden ist.
Die über die Zustellung des angefochtenen Beschlusses an den Verurteilten aufgenommene Zustellungsurkunde trägt als aufgestempeltes Zustellungsdatum den "26. Juli 1998". Darüber hinaus befindet sich auf der Zustellungsurkunde ein Eingangsstempel der Posteingangsstelle der Bielefelder Justizbehörden, der auf den 2. Juli 1998 datiert ist.
Nach den dem Verteidiger des Verurteilten zur Stellungnahme zugeleiteten Ermittlungen der Generalstaatsanwaltschaft in Hamm handelt es sich, soweit auf der genannten Zustellungsurkunde per Datumsstempel der 26. Juli 1998 ausgewiesen ist, hinsichtlich der Monatsangabe um eine Fehleinstellung des Datumsstempels. Wie der Justizbedienstete W., JVA Bielefeld-Senne, Außenstelle Brockhagen, der Generalstaatsanwaltschaft auf telefonische Anfrage mitgeteilt hat, ist in dem Zustellungsbuch der JVA als Aushändigungsdatum der 26. Juni 1998 eingetragen und die Aushändigung des Beschlusses vom 18.06.1998 von dem Beschwerdeführer unter demselben Datum quittiert worden.
Der Beschwerdeführer ist der Ansicht, das fehlerhafte Datum auf der Postzustellungsurkunde führe zur Unwirksamkeit der Zustellung, zumal auch die Datumsangabe auf dem weiteren, sich auf der Zustellungsurkunde befindenden Stempel offensichtlich falsch sei. Danach sei das zuzustellende Schriftstück nämlich erst am 02.07.1998 in der Justizvollzugsanstalt eingegangen. Im übrigen habe sich sein Verteidiger bereits mit Schriftsatz vom 29.12.1997 gemeldet, sei aber weder vom Anhörungstermin unterrichtet noch sei dem Verteidiger der angefochtene Beschluss bekannt gemacht worden.
II. Die gemäß § 454 Abs. 2 StPO statthafte sofortige Beschwerde war als unzulässig zu verwerfen, da sie nicht innerhalb der Wochenfrist nach § 311 Abs. 2 StPO beim Landgericht Bielefeld eingegangen ist.
Aufgrund der Zustellung des angefochtenen Beschlusses an den Verurteilten am 26. Juni 1998 lief die Beschwerdefrist von einer Woche gemäß § 311 Abs. 2 StPO am 3. Juli 1998 ab (§ 43 Abs. 1 StPO). Eingegangen ist die sofortige Beschwerde dagegen beim Landgericht erst am 08.07.1998, mithin um fünf Tage verspätet.
Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers war auch das nachträglich durch die Generalstaatsanwaltschaft zuverlässig ermittelte tatsächliche Zustellungsdatum des angefochtenen Beschlusses für die Berechnung der Beschwerdefrist maßgebend. Insbesondere führte die unzutreffende Datumsangabe auf der Zustellungsurkunde auch nicht dazu, dass die Zustellung des angefochtenen Beschlusses mit der Folge als unwirksam angesehen werden müsste, dass die Beschwerdefrist durch sie nicht in Lauf gesetzt worden wäre. Soweit dies früher auch von dem erkennenden Oberlandesgericht (vgl. OLG Hamm OLGSt-StPO § 37 Nr. 2, Beschluss vom 23.02.1983) vertreten worden ist, wird an dieser Rechtsauffassung angesichts der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zu dieser Frage nicht mehr festgehalten (vgl. BGH NJW 1991, 709).
Danach ist die Urteilszustellung auch dann wirksam, wenn das Empfangsbekenntnis des Anwalts ein unrichtiges Datum ausweist. Der Anwalt kann dieses unrichtige Datum berichtigen, für den Fristbeginn ist sodann das berichtigte Datum maßgebend, und zwar jedenfalls dann, wenn dessen Richtigkeit - wie hier - zur Überzeugung des mit der Prüfung befaßten Gerichts bewiesen ist. Der Bundesgerichtshof hatte in dem genannten Beschluss bereits Zweifel daran geäußert, ob es folgerichtig erscheine, wenn für die Angabe eines unzutreffenden Datums in einer Postzustellungsurkunde die gegenteilige Ansicht vertreten werde (BGH, a.a.O. m.w.N.), darüber aber keine Entscheidung getroffen.
Der Senat sieht keine Grundlage dafür, die Auswirkungen eines fehlerhaften Datums auf die Wirksamkeit der Zustellung mittels Zustellungsurkunde anders zu beurteilen als bei einer Zustellung im Wege des Empfangsbekenntnisses. Die ältere obergerichtliche Rechtsprechung hatte insoweit darauf abgestellt, dass gemäß § 191 ZPO, der gemäß § 37 StPO, § 195 ZPO auch im Strafverfahrensrecht gilt, die Zustellungsurkunde Ort und Zeit der Zustellung zu enthalten hat (§ 191 Nr. 1 ZPO; vgl. OLG Hamm, a.a.O.). Der für die Zustellung mittels Empfangsbekenntnisses maßgebende § 212 a ZPO bestimmt aber, dass das schriftliche Empfangsbekenntnis neben der Unterschrift zumindest ebenfalls das Datum der Zustellung als notwendigen Bestandteil aufweisen muss. Insoweit stimmen die Formerfordernisse für das Empfangsbekenntnis gemäß § 212 a ZPO und für die Zustellungsurkunde gemäß § 191 Nr. 1 ZPO völlig überein, so dass für eine abweichende Beurteilung der Wirksamkeit der Zustellung bei fehlerhafter Datumsangabe kein Raum bleibt. Entsprechend ist auch in der neueren zivilprozessualen Kommentarliteratur anerkannt, dass unrichtige Datumsangaben in der Zustellungsurkunde die Wirksamkeit der Zustellung nicht berühren, maßgebend vielmehr das als richtig erwiesene Datum sei (Zöller-Stöber, ZPO, 19. Aufl., § 191 Rdnr. 120 m.w.N.).
Soweit der Verurteilte vorträgt, die Zustellungsurkunde trage eine weitere falsche Datumsangabe im Hinblick auf den sich dort befindlichen Posteingangsstempel, so greift dies bereits deshalb nicht durch, weil es sich bei dem fraglichen Stempel um den Posteingangsstempel der Bielefelder Justizbehörden, mithin den des Landgerichts Bielefeld, nicht aber um den Posteingangsstempel der Justizvollzugsanstalt handelt. Mit dem von der Generalstaatsanwaltschaft ermittelten tatsächlichen Zustellungsdatum am 26.06.1998 lässt sich aber der anschließende Eingang der Zustellungsurkunde beim Landgericht am 02.07.1998 zwanglos in Einklang bringen.
Für eine etwaige Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde gemäß §§ 44, 45 StPO war hier bereits deshalb kein Raum, weil der anwaltlich vertretende Beschwerdeführer ein solches Wiedereinsetzungsgesuch nicht gestellt hat und auch keinerlei Gründe erkennbar sind, die die eingetretene Fristversäumnis entschuldigen könnten. Ein solcher Grund liegt insbesondere nicht in der fehlenden Beteiligung des Verteidigers im Rahmen des Verfahrens zur Prüfung der bedingten Entlassung des Verurteilten aus der Strafhaft nach Verbüßung von 2/3 der gegen ihn verhängten Freiheitsstrafe. Zwar hatte sich der Verteidiger seinerzeit mit einem Halbstrafengesuch für den Beschwerdeführer gemeldet, das dann aber in der Folgezeit rechtskräftig verworfen worden war. In dem von Amts wegen eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der bedingten Entlassung des Verurteilten nach Verbüßung von 2/3 der gegen ihn verhängten Freiheitsstrafe hatte sich der Verteidiger dagegen nicht für den Verurteilten gemeldet, so dass für die Strafvollstreckungskammer auch keine Veranlassung bestand, ihn insoweit zu beteiligen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 StPO.
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