Aktenzeichen: 3 Ss 819/98 OLG Hamm
Leitsatz: Das Berufungsgericht muss bei einer wirksamen Berufungsbeschränkung auf die Straffrage grds. eigene Feststellungen zu dne persönlichen Verhältnissen des Angeklagten treffen.
Senat: 3
Gegenstand: Revision
Stichworte: Wirksamkeit der Berufungsbeschränkung, Bindungswirkung, persönliche Verhältnisse, Strafmaßberufung, Mitteilung der Vorstrafen
Normen: StPO 318
Beschluss: Strafsache gegen N.S.,
wegen gemeinschaftlicher versuchter Brandstiftung.
Auf die Revision des Angeklagten Schepers gegen das Urteil der XIII. kleinen Strafkammer des Landgerichts Essen vom 10.03.1998 hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 06.08.1998 durch den Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Landgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft gemäß § 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:
Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch aufgehoben.
Insoweit wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Essen zurückverwiesen.
Gründe:
I. Das Landgericht Essen hat mit dem angefochtenen Berufungsurteil die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Schöffengerichts Essen vom 13.11.1997 verworfen.
Das Schöffengericht hatte den Angeklagten wegen gemeinschaftlicher versuchter Brandstiftung gemäß §§ 308, 22, 25 StGB zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten ohne Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt. Der Angeklagte hatte seine Berufung bereits bei der Einlegung auf das Strafmaß und in der Hauptverhandlung weiter auf die Frage der Strafaussetzung zur Bewährung beschränkt. Das angefochtene Berufungsurteil verhält sich, da das Landgericht die Berufungsbeschränkung auf die Frage der Strafaussetzung als wirksam angesehen hat, allein über diese Frage. Eigene Feststellungen zum Lebensweg und zu den sonstigen persönlichen Verhältnissen des Angeklagten einschließlich dessen Vorstrafen hat das Landgericht nicht getroffen.
Gegen dieses Urteil wendet sich die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Revision des Angeklagten mit der nicht ausgeführten Verfahrensrüge sowie mit der Sachrüge.
II. Die zulässige Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge einen zumindest vorläufigen Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils im Rechtsfolgenausspruch sowie zur Zurückverweisung der Sache an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Essen.
Das angefochtene Berufungsurteil unterliegt bereits deshalb der Aufhebung, weil die Berufungskammer es versäumt hat, eigene Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen sowie zu den strafrechtlichen Vorbelastungen des Angeklagten zu treffen. Solche Feststellungen waren hier aber jedenfalls angesichts des gegen den Angeklagten verhängten Strafmaßes - einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten ohne Strafaussetzung zur Bewährung - erforderlich.
Dem Senat war hier nämlich aufgrund des aufgezeigten Rechtsfehlers die Prüfung verwehrt, ob das Landgericht bei seiner Erörterung der Bewährungsfrage von zutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgegangen ist. Ebensowenig war es ihm möglich, die Wirksamkeit der Berufungsbeschränkung auf die Frage der Strafaussetzung zur Bewährung zu beurteilen.
Allerdings sollen sich die schriftlichen Urteilsgründe auf das Wesentliche beschränken. Dies bedeutet zunächst für die Vorstrafen, dass sie nur in dem Umfange und in denjenigen Einzelheiten mitzuteilen sind, in dem sie für die getroffene Entscheidung von Bedeutung sind. Zumindest erforderlich ist insoweit aber, dass in den Urteilsgründen die entsprechenden Tatsachen zu Zahl, Frequenz, Höhe, Einschlägigkeit und Verbüßung der Vorstrafen mitgeteilt werden (BGH HRSt-StPO, § 267 Nr. 12; BGHR StPO § 267 Abs. 3 S.1 Strafzumessung 13).
Bereits hieran fehlt es im vorliegenden Fall, da dem Berufungsurteil der Strafkammer zu den Vorstrafen des Angeklagten allein zu entnehmen ist, dass er "massiver Bewährungsversager (sei), da er bereits nach vier Monaten seit seiner Verurteilung vom 10.12.1996 (der Angeklagte hatte einen Zigarettenautomaten aufgebrochen und hierbei eine Gaspistole bei sich geführt) die neuerliche Tat begangen hat". Die Höhe der genannten Strafe wird ebensowenig mitgeteilt wie die Rechtskraft des Urteils, das ihr zugrundelag. Auch bleibt offen, ob es sich hierbei um die einzige Vorbelastung des Angekiagten handelte, oder ob noch weitere Vorstrafen vorlagen.
Zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten hat die Berufungskammer keinerlei Feststellungen getroffen. Ihren Ausführungen zur Frage der Strafaussetzung zur Bewährung kann allein entnommen werden, dass der Angeklagte zur Tatzeit arbeitslos gewesen war und dies offenbar heute noch ist. Dies genügt den Anforderungen des § 46 StGB jedoch nicht. Eine an den anerkannten Strafzwecken ausgerichtete Strafzumessung - gleiches gilt für die Erörterung der Bewährungsfrage im Rahmen des § 56 Abs. 2 StGB - muss auf einer wertenden Gesamtschau des Tatgeschehens sowie des Täters und somit der für seine Persönlichkeit aussagekräftigen Umstände beruhen (BGHR StPO § 267 Abs. 3 S.1 Strafzumessung 17). Sie ist jedenfalls bei Straftaten von einigem Gewicht ohne Würdigung der persönlichen Verhältnisse des Täters in der Regel nicht möglich, so dass es grundsätzlich einen Sachmangel bedeutet, wenn der Strafrichter bei der Strafzumessung die persönlichen Verhältnisse des Täters Oberhaupt nicht oder nur unzureichend berücksichtigt (ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, vgl. BGHR StPO § 267 Abs. 3 S.1 Strafzumessung 10 m.w.N.) .
Das angefochtene Urteil war daher aufzuheben. Da der aufgezeigte Mangel gerade darin liegt, dass ausreichende Feststellungen unterblieben sind, war die Aufhebung der seitherigen - mittelbar im Rahmen der Erörterung der Bewährungsfrage getroffenen - Feststellungen zum Strafausspruch nicht geboten. Ergänzende Feststellungen sind - wie stets - zulässig (vgl. BGH HRSt-StPO § 267 Nr. 12).
Für die erneute Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass die Beschränkung der Berufung auf die Frage der Strafaussetzung zur Bewährung nur dann wirksam ist, wenn keine innere Abhängigkeit der Bewährungsfrage von der gesamten Straffrage besteht (Kleinknecht/Meyer-Goßner, § 318 StPO Rdnr. 20 m.w.N.), was bei der Erörterung der besonderen Umstände i.S.v. § 56 Abs. 2 StGB jedoch regelmäßig nahe liegen wird.
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