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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 4 Ss OWi 426/98 OLG Hamm

Leitsatz: Zu den Gründen zum Absehen von einem an sich verwirkten Fahrverbot

Senat: 4

Gegenstand: OWi

Stichworte: Absehen vom Fahrverbot, berufliche Nachteile, Existenzvernichtung, Geschwindigkeitsüberschreitung an der Grenze, Überprüfungsumfang, ungeprüfte Einlassung

Normen: StVO 3, StVG 25, BKatV 2 Abs. 4, BKatV 2 Abs. 2

Beschluss: Bußgeldsache gegen den Kaufmann R.H.,
wegen Zuwiderhandlung gegen § 3 StVO.

Auf die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Münster gegen das Urteil des Amtsgerichts Coesfeld vom 15. Januar 1998 hat der 4. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 07.05.1998 durch die Richterin am Oberlandesgericht sowie die Richter am Oberlandesgericht und nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft einstimmig beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch mit den insoweit getroffenen Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird in diesem Umfang zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde an das Amtsgericht Coesfeld zurückverwiesen.

Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil hat das Amtsgericht gegen den Betroffenen wegen einer fahrlässigen Zuwiderhandlung gegen § 3 Abs. 3 Ziff. 1 StVO eine Geldbuße von 400,--DM festgesetzt, von der Verhängung eines Fahrverbotes mit näherer Begründung, deretwegen auf die Urteilsgründe Bezug genommen wird, aber abgesehen.

Der auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkten Rechtsbeschwerde der örtlichen Staatsanwaltschaft ist die Generalstaatsanwaltschaft mit folgenden Erwägungen beigetreten:

"Das Amtsgericht hat rechtsfehlerhaft von dem gegen den Betroffenen zu verhängenden Regelfahrverbot von einem Monat gem. § 2 Abs. 4 BKatV abgesehen. Zwar hat der Tatrichter nicht verkannt, dass § 2 Abs. 2 BKatV grundsätzlich das Vorliegen der beharrlichen Pflichtwidrigkeit im Sinne von § 25 Abs. 1 S. 1 StVG indiziert, so dass es in diesem Fall regelmäßig der eindringlichen Warn- und Denkzettelfunktion des Fahrverbotes bedarf (OLG Hamm, NZV 1991, 121, VRS 88, 301 (302)). Auch ist die Entscheidung, ob trotz der Verwirklichung eines Regeltatbestandes der Bußgeldkatalogverordnung der Einzelfall einen solchen Ausnahmecharakter hat, dass von einem Fahrverbot abgesehen werden kann, in erster Linie der tatrichterlichen Würdigung unterworfen (BGH NZV 1992, 286 (287)). Dem Tatrichter ist jedoch insoweit kein rechtlich ungebundenes, freies Ermessen eingeräumt (zu vgl. OLG Hamm, JMBl. NW 1996, 246, 247), vielmehr ist der ihm verbleibende Entscheidungsspielraum durch gesetzlich niedergelegte und durch von der Rechtsprechung herausgearbeitete Zumessungskriterien eingeengt und unterliegt insoweit hinsichtlich der Angemessenheit der verhängten Rechtsfolge in gewissen Grenzen der Kontrolle durch das Rechtsbeschwerdegericht. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der Annahme der Voraussetzungen eines Durchschnittsfalls oder Regelfalls, zu der auch die Frage der Verhängung bzw. des Absehens von der Verhängung des Regelfahrverbotes nach der Bußgeldkatalogverordnung zu zählen ist (zu vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 10.12.1996 - 3 Ss OWi 1405/96 - und Beschluss vom 20.03.1997 - 3 Ss OWi 252/97).

Der Fahrzeugführer, der binnen eines Jahres nach rechtskräftiger Verurteilung zu einer Geldbuße wiederum mit einer deutlichen Geschwindigkeitsüberschreitung auffällt, hat gezeigt, dass diese massive Warnung ins Leere gegangen ist (BVerfG, VM 96, 57 f). Die demgegenüber vom Amtsgericht aufgeführten Umstände sind weder allein noch in ihrer Gesamtheit betrachtet geeignet, den Schluss zuzulassen, der erzieherische Erfolg sei auch mit einer wesentlich höheren Geldbuße erreichbar.

Nach einhelliger obergerichtlicher Rechtsprechung rechtfertigt nicht jeder berufliche Nachteil die Ausnahme vom Regelfahrverbot, sondern grundsätzlich darf nur eine Härte ganz außergewöhnlicher Art, die ggf. im Verlust der wirtschaftlichen Existenz zu sehen ist, zum Verzicht auf ein Fahrverbot führen (zu vgl. OLG Hamm VRS 90, 210).
Der Betroffene hat eine besondere Härte oder eine existenzgefährdende Beeinträchtigung seiner beruflichen Betätigung durch die Verhängung eines Fahrverbotes ausweislich der Urteilsgründe nicht behauptet.

Die Feststellungen lassen offen, ob für den Betroffenen die während der Dauer des Fahrverbotes anfallenden Fahrten nicht auch unter Inkaufnahme eines erheblichen Zeitverlustes mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurückgelegt werden können oder ob es dem Betroffenen nicht zuzumuten ist, für diese Fahrten ein Taxi zu benutzen oder die Folgen jedenfalls teilweise durch die Inanspruchnahme des Jahresurlaubs zu mildern. Vielmehr hat sich das Amtsgericht mit der Feststellung zufrieden gegeben, der Betroffene sei als selbständiger Kaufmann berufsbedingt dringend auf die Befugnis zum Führen von Kraftfahrzeugen angewiesen.

Andere erhebliche Härten oder eine Vielzahl für sich genommen gewöhnlicher und durchschnittlicher Umstände, die ein Absehen von der Verhängung des Fahrverbotes rechtfertigen würden, sind den Urteilsgründen ebenfalls nicht zu entnehmen. Weder ist die überwiegend durch Industriebauten geprägte Bebauung beidseits der Borkener Straße geeignet, ein Absehen vom Fahrverbot zu tragen, noch stellt die Messstelle - immerhin 300 m von dem Ortsausgangsschild entfernt - einen solchen Umstand dar. Unerheblich ist auch, dass sowohl der zur Aburteilung anstehende Vorfall als auch das der Vorbelastung zugrundeliegende Geschehen jeweils an der unteren Grenze des Geschwindigkeitsgrenzwertes von 26 km/h liegen (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 27.08.1996 - 3 Ss OWi 872/96 -). Vielmehr bestimmt § 1 Abs. 2 BKatV, dass die im Bußgeldkatalog bestimmten Regelsätze von fahrlässiger Begehung unter gewöhnlichen Tatumständen ausgehen und etwaige Eintragungen des Betroffenen im Zentralregister hierbei nicht berücksichtigt sind."

Diesen zutreffenden Erwägungen schließt sich der Senat mit der Folge an, dass das angefochtene Urteil im Rechtsfolgenausspruch aufzuheben ist.

Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass weder die Ortslage noch deren Bebauung Anlass geben, von einer beharrlichen Zuwiderhandlung gegen Geschwindigkeitsvorschriften abzusehen. Die Entscheidung des BGH in NJW 1997, 3252 ff. = VRS 94, 221 ff. bezieht sich auf Fälle "einfacher Fahrlässigkeit" im Sinne von § 25 Abs. 1 S.1 StVG i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 1 BKatV. Ob gravierende berufliche Nacheile ausnahmsweise ein Absehen vom Fahrverbot rechtfertigen können, bedarf der positiven Feststellung durch den Tatrichter, der die entsprechenden Tatsachen in den Urteilsgründen darlegen muss. Die ungeprüfte Wiedergabe einer u.U. für nicht widerlegt gehaltenen Einlassung des Betroffenen reicht insoweit nicht aus.

Die Ausführungen des Verteidigers in seiner Stellungnahme vom 07.03.1998 rechtfertigen keine andere Entscheidung des Senats. Die aufgezeigten Begründungsmängel führen zur Aufhebung des Urteils im gesamten Rechtsfolgenausspruch, weil insoweit zwischen der verhängten Geldbuße und dem Fahrverbot eine Wechselwirkung besteht. Eine Entscheidung des Senats gem. § 79 Abs. 6 OWiG kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil weitere tatsächliche Feststellungen zu treffen sind.


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