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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 3 Ws 326/98 OLG Hamm

Leitsatz: Wenn der Strafverteidiger gegen den Willen des Angeklagten ein Rechtsmittel eingelegt hat, muß er im Fall der Rücknahme ggf. die entstandenen Kosten tragen.

Senat: 3

Gegenstand: Beschwerde

Stichworte: Beschwerde gegen Kostenbeschluß, isolierte Kostenentscheidung, Rücknahme des Rechtsmittels, Kostentragungspflicht, Verteidiger

Normen: StPO 464, StPO 473

Beschluss: Strafsache gegen J.K.,
wegen versuchten Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion,
hier: sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen die Kostenentscheidung.

Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen die Kostenentscheidung der XIII. kleinen Strafkammer des Landgerichts Essen vom 5. Mai 1998 hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 08.09.1998 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und den Richter am Landgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten des Beschwerdeführers als unbegründet verworfen.

Gründe:
I. Der Beschwerdeführer ist durch Urteil des Amtsgerichts Essen vom 03.12.1996 wegen versuchten Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion und wegen unerlaubter Ausübung der tatsächlichen Gewalt über eine halbautomatische Selbstladewaffe mit einer Länge von nicht mehr als 60 cm zu einer Gesamtfreiheitsstrafe in Höhe von einem Jahr und neun Monaten unter Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt worden. Seine hiergegen gerichtete Berufung hat die XIII. kleine Strafkammer des Landgerichts Essen durch Urteil vom 09.07.1997 mit der Maßgabe verworfen, dass die Verurteilung bezüglich des Verstoßes gegen das Waffengesetz gem. § 154 Abs. 2 StPO entfallen ist.
Der Verurteilte ist nach der Urteilsverkündung noch einmal in den Sitzungssaal zurückgekehrt und hat dem Vorsitzenden mitgeteilt, dass er keine Revision gegen das soeben verkündete Urteil wünsche. Der Vorsitzende hat ihn daraufhin gebeten, dies mit seinem Verteidiger zu besprechen.

Der Verteidiger des Angeklagten hat mit am 15.07.1997 bei dem Landgericht Essen eingegangenem Schriftsatz vom 11.07.1997 Revision gegen das Urteil eingelegt. Der Verurteilte hat seinem Verteidiger mit Schreiben vom 12.07.1997, das diesem am 16.07.1997 zugegangen ist, mitgeteilt, dass er das Urteil des Landgerichts Essen vom 09.07.1997 annehme, und diesen gebeten, kein Rechtsmittel für ihn einzulegen. Eine Abschrift des Schreibens vom 12.07.1997 hat er, wie später durch Auskunft des Beschwerdeführers ermittelt werden konnte, selbst in den Nachtbriefkasten des Landgerichts Essen eingeworfen.

Im Zusammenhang mit den Ermittlungen hierzu hat der Verurteilte u.a. mit Schreiben vom 06.04.1998 zwei an ihn gerichtete Schreiben seines Verteidigers vom 29.07.1997 und 23.01.1998 überreicht. Diesen Schreiben lässt sich entnehmen, dass der Verteidiger in Kenntnis des Schreibens des Verurteilten vom 12.07.1997 diesem geraten hat, das Revisionsverfahren durchzuführen. Das Anschreiben vom 23.01.1998 endet mit dem Satz: "Ihnen muss doch eigentlich klar sein, dass das Urteil viel zu hoch ausgefallen ist!!! Wieso haben Sie gemeint, es dennoch annehmen zu müssen?!".

Schließlich hat der Verurteilte nochmals mit Schreiben vom 28.04.1998 mitgeteilt, kein Rechtsmittel gegen das Urteil vom 09.07.1997 zu wünschen und zugleich erklärt, sein Schreiben vom 12.07.1997 persönlich in den Nachtbriefkasten des Landgerichts Essen eingeworfen zu haben.

Das Landgericht Essen hat sodann mit Beschluss vom 05.05.1998 dem Angeklagten gem. § 473 Abs. 1 StPO die Kosten des Revisionsverfahrens nach Rücknahme des Rechtsmittels auferlegt.

Gegen diesen seinem Verteidiger am 11.05.1998 zugestellten Beschluss richtet sich die am 13.05.1998 bei dem Landgericht Essen eingegangene sofortige Beschwerde des Verurteilten vom selben Tag, mit der er geltend macht, er habe von vornherein eine Revision gegen das Urteil vom 09.07.1997 abgelehnt und könne deshalb jetzt nicht für die Kosten in Anspruch genommen werden.

Der Senat hat ebenso wie das Landgericht Essen versucht, den Sachverhalt, wie es zur Einlegung der Revision durch den Verteidiger gekommen ist, weiter aufzuklären. Der Verteidiger des Beschwerdeführers hat dazu auf Anfrage versichert, der Beschwerdeführer habe in einem Gespräch nach der Hauptverhandlung auf seine Empfehlung, Revision einzulegen, zustimmend genickt. Die Revision sei nach einer Besprechung im Einverständnis mit dem Beschwerdeführer eingelegt worden. Deshalb habe er auch in der Folgezeit die Revisionsbegründung vorbereitet und skizziert.
Der Beschwerdeführer hat in Kenntnis dieser vom Senat eingeholten Auskünfte des Verteidigers ausgeführt, es habe damals keine Absprachen hinsichtlich der Einlegung eines Rechtsmittels gegeben. Da auch die Berufungshauptverhandlung zu keinem seiner Meinung nach zutreffenden Urteil geführt habe, habe er jede weitere kostentreibende Verhandlung abgesagt, was er auch dem Vorsitzenden Richter der Berufungsverhandlung gegenüber zum Ausdruck gebracht habe.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt wie erkannt.

II. Die nach § 464 Abs. 3 Satz 1 StPO statthafte und auch fristgerecht erhobene sofortige Beschwerde ist nicht begründet.

Vorliegend hatte das Landgericht gemäß §§ 473 Abs. 1, 464 StPO über die Kosten der Revision durch selbständige Kostenentscheidung zu entscheiden, nachdem der Angeklagte das von seinem Verteidiger eingelegte Rechtsmittel durch sein am 17.07.1997 beim Landgericht eingegangenen Schreiben vom 12.07.1997 zurückgenommen hatte. Das genannte Schreiben des Angeklagten in diesem Sinne als Rücknahme auszulegen, war zutreffend.

Nach der wirksamen Rücknahme der Revision waren gemäß § 473 Abs. 1 StPO demjenigen die Kosten des Rechtsmittels aufzuerlegen, der es eingelegt hat. Grundsätzlich treffen die Kosten in einem derartigen Fall den Angeklagten, wenn sein Verteidiger das Rechtsmittel für ihn eingelegt hat. Etwas anderes kann allerdings dann gelten, wenn ein Strafverteidiger gegen den Willen des Angeklagten ein Rechtsmittel eingelegt hat. In diesem Fall muss der Verteidiger die entstandenen Kosten tragen (vgl. OLG Frankfurt, NJW 1991, 3164).

Ein derartiger Fall ist hier indes nicht gegeben. Es ist vielmehr bei Würdigung aller Umstände davon auszugehen, dass der Angeklagte seinem Verteidiger gegenüber seinen Willen, das Urteil des Landgerichts nicht angreifen zu wollen, nicht hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht hat. Auch heute noch hält der Beschwerdeführer seine Verurteilung für falsch, so dass nahe liegt, dass er, wie von seinem Verteidiger vorgetragen, bei dem Gespräch kurz nach der Hauptverhandlung sich zumindest nicht eindeutig ablehnend gegenüber der Einlegung eines Rechtsmittels gegen das landgerichtliche Urteil geäußert hat. In einer derartigen Situation, in der aus der Sicht des Verteidigers zumindest noch offen ist, ob der Angeklagte die Durchführung der Revision wünscht oder nicht, ist der Verteidiger berechtigt, wenn nicht sogar verpflichtet, zunächst zumindest fristwahrend Revision für den Angeklagten einzulegen. Dies folgt vorliegend aus der öffentlich-rechtlich begründeten Pflicht des beigeordneten Verteidigers, bei der ordnungsgemäßen Durchführung des Strafverfahrens durch sachdienliche Verteidigung des Angeklagten mitzuwirken (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 43. Auflage, § 142 Rdnr. 14). Dann kann den Verteidiger aber auch nicht die Kostenlast treffen, wenn sich nachträglich herausstellt, dass der Angeklagte doch kein Rechtsmittel wünscht oder nie gewünscht hat.
Damit hatte es bei der Kostenentscheidung des Landgerichts zu verbleiben.
Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren folgt aus § 473 Abs. 1 StPO.


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