Aktenzeichen: 3 Ss OWi 592/98 OLG Hamm
Leitsatz: 1. Ein Verstoß gegen § 2 b Abs. 2 PersAuswG führt nicht zu einem Beweisverwertungsverbot hinsichtlich des überlassenen Lichtbildes.
2. Zu den erforderlichen Ausführungen im tatrichterlichen Urteil, wenn der Tatrichter zur Identifizierung des Betroffenen anhand eines von dem Verkehrsverstoß gefertigten Lichtbildes einen Sachverständigen hinzuzieht.
Senat: 3
Gericht: OLG Hamm
Gegenstand: OWi
Stichworte: Datenschutz, Beweisverwertungsverbot, Identifizierung anhand eines Lichtbildes, Sachverständiger, Sicherheitsabstand
Normen: PersAuswG 2 b Abs. 2, StPO 267 Abs. 1 Satz 3
Beschluss: Bußgeldsache gegen W.R.,
wegen Verkehrsordnungswidrigkeit.
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen vom 03.02.1998 gegen das Urteil des Amtsgerichts Bottrop vom 02.02.1998 hat der 3. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 18.08.1998 durch den Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und den Richter am Landgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde wird auf Kosten des Betroffenen als unbegründet verworfen.
Gründe:
I. Das Amtsgericht hat mit dem angefochtenen Urteil gegen den Betroffenen wegen fahrlässiger Unterschreitung des erforderlichen Sicherheitsabstandes zu einem vorausfahrenden Fahrzeug ein Bußgeld in Höhe von 250,00 DM sowie ein Fahrverbot von einem Monat verhängt.
Nach den getroffenen Feststellungen befuhr der Betroffene am 22.11.1996 mit seinem PKW Mercedes die Bundesautobahn A 2 zwischen Oberhausen und Hannover in Fahrtrichtung Oberhausen. Gegen 15.05 Uhr passierte er die bei Kilometer 468,42 befindliche Autobahnbrücke mit einer Geschwindigkeit von mindestens 145 km/h. Dabei hielt er zu dem vor ihm fahrenden PKW einen Abstand von 13,29 Metern und damit von weniger als 2/10 des halben Tachometerwertes ein. Auf einer Strecke von ca. 400 Metern vor der Autobahnbrücke hatten sich der von dem Betroffenen gesteuerte PKW und das vor diesem fahrende Fahrzeug in einem konstanten Abstand und mit gleichbleibender Geschwindigkeit fortbewegt.
Die Geschwindigkeits- und Abstandsmessung erfolgte mittels eines in den Urteilsgründen im einzelnen beschriebenen Videomeßerfahrens.
Die Identifizierung des Betroffenen als Fahrer des gemessenen Fahrzeugs hat der Amtsrichter wie folgt begründet:
"Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht auch fest, dass es der Betroffene war, der das Fahrzeug geführt hat. Das in Augenschein genommene Foto, Bl. 32 d.A., zeigt zur Überzeugung des Gerichtes den Betroffenen. Ein Vergleich des Fotos mit dem Betroffenen hat ergeben, dass es sich um die Person des Betroffenen handelt. Auch der Sachverständige Dr. Schott kommt in seinem mündlich erstatteten Gutachten zu dem Ergebnis, dass es sich bei der Person auf dem Foto Bl. 32 um den Betroffenen handelt. Bei einem Vergleich des Fotos Bl. 32 mit dem Betroffenen kommt der Sachverständige zu dem Ergebnis, dass Stirnbereich, Oberlidregion, Nasenrückenprofilierung, Nasenflügelregion, Hautoberlippe, Wangenbeine, Gesichtsform und Ohr übereinstimmen. Im Stirnbereich zeigt sich in der rechten Region ein steiler gradliniger Anstieg, die Augenbrauen sind sehr dicht und gradlinig erkennbar. Die Oberlidregion zeigt eine hohe Zone, die Nasenrückenprofilierung ist gradlinig im knöchernen Bereich. Der seitliche Verlauf der Nasenflügel ist anliegend und nicht stark gebläht. Die Hautoberlippe ist hoch, die Nasenlippenfurchen stark, die Gesichtsform länglich rautisch. Nach diesen übereinstimmenden Merkmalen kommt der Sachverständige zu dem Ergebnis, dass die Person auf dem Foto Bl. 32 d.A. identisch mit dem Betroffenen ist."
Das Amtsgericht hat den Betroffenen eines fahrlässigen Verstoßes gegen § 4 Abs. 1 Satz 1 StVO für schuldig befunden und dazu ausgeführt, dieser hätte angesichts der Länge der Strecke und des Abstandes von weniger als 2/10 des halben Tachowertes durchaus erkennen können, dass er den erforderlichen Sicherheitsabstand zu dem vorausfahrenden Fahrzeug nicht nur ganz vorübergehend deutlich unterschritten habe.
Zur Begründung des Rechtsfolgenausspruches heißt es in den Urteilsgründen, bei der Feststellung der Geldbuße habe sich das Gericht von dem Bußgeldkatalog leiten lassen, der bei einer Geschwindigkeit von über 130 km/h und einem Abstand von weniger als 2/10 des halben Tachowertes eine Regelgeldbuße von 250,00 DM und ein Fahrverbot von einem Monat vorsehe. Gründe, ausnahmsweise von der Verhängung eines Fahrverbotes abzusehen, seien nicht ersichtlich gewesen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit der dieser sowohl eine Verletzung formellen als auch materiellen Rechts rügt.
II. Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet
1. Soweit der Betroffene geltend macht, die Bußgeldbehörde der Stadt Bottrop habe unter Verstoß gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen ihn als angeblichen Täter der hier in Rede stehenden Ordnungswidrigkeit ermittelt, ist zwar darauf hinzuweisen, dass die Übersendung einer Kopie des auf dem Personalausweis des Betroffenen befindlichen Fotos gegen § 2 b Abs. 2 PersAuswG verstieß, da die Voraussetzungen dieser Vorschrift für eine Datenweitergabe nicht vorlagen. Es fehlte jedenfalls an der hierfür erforderlichen Voraussetzung der Nr. 3 dieser Vorschrift, wonach die Daten des Betroffenen nicht oder nur mit einem unverhältnismäßigen Aufwand hätten erhoben werden können. Denn, da der Betroffene in Mönchengladbach wohnt, hätte dieser zum Zwecke der Identifizierung ohne weiteres durch einen Polizeibeamten aufgesucht werden können (vgl. Senatsbeschlüsse vom 07.11.1989 - 3 Ss OWi 695/89 -; 03.04.1997 - 3 Ss OWi 248/97 -; 13.11.1997 - 3 Ss OWi 882/97).
Der Verstoß gegen § 2 b Abs. 2 PersAuswG führt im vorliegenden Fall aber nicht zu einem Verwertungsverbot. Das Personalausweisgesetz sieht ein solches Verbot bei einer rechtswidrigen Informationsweitergabe nicht vor. Auch aus der Strafprozeßordnung lässt sich ein allgemeines Verwertungsverbot bei Verfahrensverstößen nicht entnehmen (vgl. BGHSt 31, 304). Es kommt vielmehr auf eine die Umstände des Einzelfalles berücksichtigende Abwägung zwischen den geschätzten Interessen des Betroffenen und dem staatlichen Verfolgungsinteresse an (vgl. BGHSt 24, 125). Im vorliegenden Fall wiegt der Verfahrensverstoß nicht so schwer, dass das Interesse an der Tataufklärung zurücktreten müsste, insbesondere wenn man berücksichtigt, dass durch die Übersendung des Fotos nicht der Kernbereich der Privatsphäre des Betroffenen berührt worden ist und dessen Identifizierung durch die Polizei jederzeit auf gesetzlichem Wege hätte erfolgen können (vgl. Senatsbeschlüsse vom 07.11.1989 3 Ss OWi 695/89 - und vom 03.04.1997 - 3 Ss OWi 248/97 -; OLG Frankfurt NJW 1997, 2963).
Zu berücksichtigen ist außerdem, dass die gerichtliche Überführung des Betroffenen ausweislich der Urteilsgründe nicht unter Verwendung des Fotos aus dem Personalausweis erfolgt ist, so dass der Verfahrensverstoß im Ermittlungsverfahren nicht in die Hauptverhandlung hineingewirkt hat, das angefochtene Urteil mithin nicht auf diesem Verfahrensfehler beruht (vgl. Senatsbeschluss vom 03.04.1997 - 3 Ss OWi 248/97 - ). Der gerügte Verfahrensverstoß vermag daher der Rechtsbeschwerde nicht zu einem Erfolg zu verhelfen.
2. Die Rechtsbeschwerde hat auch keinen Erfolg, soweit der Betroffene mit der Sachrüge geltend macht, nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung sei nicht nachgewiesen worden, dass er das gemessene Fahrzeug am Tattage geführt habe.
Nach den Anforderungen, die nach der höchst- und obergerichtlichen Rechtsprechung an die Identifizierung des Betroffenen anhand des von einer Abstands- und Geschwindigkeitsmeßanlage gefertigten Beweisfotos zu stellen sind, müssen die Urteilsgründe so gefaßt sein, dass das Rechtsbeschwerdegericht prüfen kann, ob das Foto überhaupt geeignet ist, die Identifizierung einer Person zu ermöglichen. Diese Forderung kann der Tatrichter dadurch erfüllen, dass er in den Urteilsgründen auf das in der Akte befindliche Foto gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO i. VOM m. § 71 Abs. 1 OWiG Bezug nimmt (vgl. BGH NZV 1996, 157 ff; Senatsbeschluss vom 18.02.1997 - 3 Ss OWi 181/97 -). Die Bezugnahme muss dabei deutlich und zweifelsfrei zum Ausdruck kommen (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 43. Aufl., § 267, Rdn. 8). Ohne eine Verweisung muss, da dem Rechtsmittelgericht das Foto dann nicht als Anschauungsobjekt zur Verfügung steht, durch eine entsprechende ausführliche Beschreibung des Fotos die Prüfung ermöglicht werden, ob es für eine Identifizierung geeignet ist. In diesem Fall muss das Urteil Ausführungen zur Bildqualität enthalten und die abgebildete Person oder jedenfalls mehrere Identifizierungsmerkmale in ihren charakteristischen Eigenarten so präzise beschreiben, dass dem Rechtsmittelgericht anhand der Beschreibung in gleicher Weise wie bei Betrachtung des Fotos die Prüfung der Ergiebigkeit des Fotos ermöglicht wird (vgl. BGH a.a.O.).
Im vorliegenden Fall ist eine prozeßordnungsgemäße Verweisung auf das Beweisfoto gemäß § 267 Abs. 1 S. 3 StPO nicht erfolgt, so dass grundsätzlich hier Ausführungen zur Bildqualität erforderlich waren. Entgegen der Ansicht der Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Stellungnahme vom 11.05.1998 waren derartige Ausführungen hier aber entbehrlich, weil der Tatrichter in den Urteilsgründen einen ins einzelne gehenden Vergleich mehrerer charakteristischer Merkmale vorgenommen hat, die zwingend den Rückschluß zulassen, dass das Beweisfoto zur Identifizierung geeignet war (vgl. Senatsbeschluss vom 30.01.1996 - 3 Ss OWi 1491/95). Dabei kann es dahingestellt bleiben, ob dann, wenn der Tatrichter für die Überführung des Betroffenen aufgrund eines Beweisfotos einen Sachverständigen hinzuzieht, es überhaupt Ausführungen zur Bildqualität bedarf, wenn jedenfalls der Sachverständige aufgrund seiner Sachkunde in der Lage ist, anhand des Fotos zu überprüfen, ob dieses den Betroffenen darstellt. Denn in den Urteilsgründen ist ausdrücklich auf Seite 3 unten ausgeführt, dass das in Augenschein genommene Foto zur Überzeugung des Gerichts den Betroffenen zeigt. Dies habe ein Vergleich des Fotos mit dem Betroffenen ergeben. Zwar werden sodann Identifizierungsmerkmale aufgeführt, aus denen sich nach der Auffassung des Sachverständigen ergibt, dass der Betroffene die auf dem Foto abgebildete Person ist. Diese Ausführungen sind aber dahingehend auszulegen, dass sich der Tatrichter aufgrund eigener Meinungsbildung dem Gutachten des Sachverständigen angeschlossen hat und dadurch seine Überzeugung von der Täterschaft des Betroffenen gewonnen hat. Denn andernfalls hätte kein Anlass bestanden, das mündlich erstattete Sachverständigengutachten derart detailliert in den Urteilsgründen wiederzugeben. Es ist daher lediglich von einem Formulierungsmangel in den Urteilsgründen auszugehen.
3. Die Überprüfung des Urteils in materieller Hinsicht hat auch keine sonstigen Rechtsfehler zu Lasten des Betroffenen ergeben. Der Schuldausspruch wird von den getroffenen Feststellungen getragen. Der Rechtsfolgenausspruch, mit dem die nach der Bußgeldkatalogverordnung für einen Verstoß der hier vorliegenden Art vorgesehen Regelrechtsfolgen verhängt worden sind, ist ebenfalls nicht zu beanstanden.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 46 Abs. 1 OWiG i.VOMm. § 473 Abs. 1 StPO.
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