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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 3 Ss 1280/98 OLG Hamm

Leitsatz: 1. Der Tatrichter muss die erhobenen Beweise würdigen. Dazu ist die bloße Wiedergabe der Angaben vernommener Zeugen nicht ausreichend.
2. Die Strafzumessungserwägungen müssen in einem die Nachprüfung ermöglichenden Umfang dargelegt werden. .

Senat: 3

Gegenstand: Revision

Stichworte: Aufhebung, Bestimmtheit, Beweiswürdigung, Entscheidungsgrundlage, kurze Freiheitsstrafe, Gesamtstrafe, Sprungrevision, Strafzumessung, Tatzeit, bloße Wiedergabe von Zeugenaussagen

Normen: StGB 47, StGB 54, StPO 267, StPO 261

Beschluss: Strafsache gegen H.U.,
wegen Steuerhehlerei.

Auf die Sprungrevision des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts - Schöffengericht - Bielefeld vom 29. Mai 1998 hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 5. November 1998 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und die Richterin am Landgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft gemäß § 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Bielefeld zurückverwiesen.

Gründe:
I. Das Amtsgericht Bielefeld hat den Angeklagten wegen gewerbsmäßiger Steuerhehlerei in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Monaten unter Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt.

Zur Sache hat das Amtsgericht folgende Feststellungen getroffen:
"(U.A. 2)

Der Angeklagte kaufte in der Zeit von Dezember 1994 bis zum 03. April 1997 in vier Fällen in gewerbsmäßiger Absicht von dem gesondert verfolgten P.M. unverzollte und unversteuerte Zigaretten. P.M. hatte diese Zigaretten jeweils zuvor gemeinsam mit anderen in Holztarnladungen aus Litauen in die Bundesrepublik Deutschland eingeschmuggelt. Pro Stange mußte der Angeklagte 25,00 DM an den gesondert verfolgten P. M. zahlen. Es handelte sich um folgende Ankäufe:

Am 27. Dezember 1994 120 Stangen für 3.000,00 DM; der Steuerschaden betrug 6.277,20 DM.

In der Zeit von Dezember 1994 bis zum 03. April 1997 80 Stangen Zigaretten für 2.000,00 DM; der Steuerschaden betrug 4.184,80 DM.

Ein weiteres Mal 32 Stangen für 800,00 DM; der Steuerschaden betrug 1.610,32 DM sowie 20 Stangen für 500,00 DM; der Steuerschaden betrug 1.046,20 DM.

Wegen der fehlenden Steuerzeichen auf den Zigarettenpackungen und aufgrund des Billigpreises war dem Angeklagten bekannt, dass die Zigaretten ohne die erforderliche Gestellung und Anmeldung unverzollt und unversteuert in das Zollgebiet der Gemeinschaft gebracht worden waren. Der Angeklagte hat die vorgenannte Menge Zigaretten angekauft, um sich durch den gewinnbringenden Verkauf an unbekannt gebliebene Abnehmer eine fortlaufende Einnahmequelle zu erschließen."

Im Rahmen der Beweiswürdigung hat das Amtsgericht folgendes ausgeführt:
"(U.A. 2 unten, 3 - 4)
Der Angeklagte hat sich in der Hauptverhandlung zu der Sache nicht eingelassen.

Der Zeuge G. führte in der Hauptverhandlung aus, er sei seinerzeit der Vertreter der Staatsanwaltschaft in dem Verfahren gegen den gesondert Verfolgten P.M. gewesen.
Dem P.M. sei damals in seinem Verfahren eine Namensliste in dem Hauptverhandlungstermin vorgelegt worden. Er habe den P. M. gefragt, ob die sichergestellten Aufzeichnungen zutreffend ausgewertet worden seien. Dieses habe der P. M. bejaht. Auf Bitte des. Verteidigers habe er - der Zeuge Günther - davon Abstand genommen, die Namen im einzelnen zu hinterfragen, da im Sitzungssaal viele Rußlanddeutsche zugegen waren. Herr Halstenberg vom Zollamt habe damals eine Liste gefertigt. Diese Liste sei dem P. M. vorgelegt worden. Er - der Zeuge Günther - habe den P. M. gefragt, ob darauf jemand steht, der zu Unrecht belastet worden sei. Dies habe P. M. verneint, mit der Ausnahme, dass er auf ein oder zwei Namen hinwies, die er nicht kenne. Dies habe sich bewahrheitet. Der P. M. habe damals einen glaubwürdigen Eindruck hinterlassen. Bezüglich der Aufzeichnungen des P. M. sei davon auszugehen, dass bei den Namen, die durchgestrichen worden seien, diese Personen auch die Zigaretten erhalten hätten. Aus den Aufzeichnungen des P. M. habe sich ergeben, dass circa 60 Personen unverzollte Zigaretten von ihm erhalten haben. Zwei Drittel dieser Personen hätten auch sofort ein Geständnis abgelegt. In einer Vielzahl von Verfahren seien weitere Abnehmer des P. M. bereits verurteilt worden. Er wisse nur von einem Freispruch bei einem Abnehmer, da sich in der Hauptverhandlung herausgestellt habe, dass drei Personen gleichen Namens aus der selben Familie Abnehmer hätten sein können.

Der Zeuge W. führte in der Hauptverhandlung aus, seinerzeit hätten sie vom Zollamt die Aufzeichnungen des gesondert verfolgten P. M. ausgewertet. Aus den Aufzeichnungen hätte sich ergeben, dass über 60 Personen von dem gesondert verfolgten P. M. Zigaretten angekauft hatten. Zwei Drittel dieser Leute hätte sofort ein Geständnis abgelegt. Er könne bis heute keinen Fall nennen, wo der gesondert verfolgte P. M. zu Unrecht eine Person in seinen Aufzeichnungen aufgeführt habe. Die geständigen Beschuldigten hätten ausgeführt, dass sie im Regelfall für 25,00 DM pro Stange aufbringen mußten. Die Zigaretten seien häufig in schwarzer Folie eingewickelt gewesen. Bei dem Angeklagten hätten sie Zigarettenumhüllungen der Marke West gefunden. Die Stangenumhüllungen seien teilweise ganz, teilweise auch zerrissen gewesen. Der Angeklagte habe damals angegeben, dass er Besuch aus Rußland gehabt habe, die ihm die Zigaretten mitgebracht hätten. Weiterhin habe der Angeklagte damals angegeben, den gesondert verfolgten P. M. nur vom Boxen her zu kennen. Auf den Telefonaufzeichnungen des P. M. sei aber eindeutig auch die Telefonnummer des Angeklagten geschrieben gewesen. Es besteht für ihn, den Zeugen W., überhaupt kein Zweifel daran, dass der Angeklagte die vorgenannten Zigaretten von dem gesondert verfolgten P. M. erhalten habe. Aus den Aufzeichnungen des P. M. sei zwar nur der Vorname "Hugo" aufgeführt worden, alle Recherchen des Zollamtes hätten aber in keiner Weise auf einen anderen Hugo hingewiesen.

Es bestand kein Anlass, den glaubhaften Bekundungen der vorgenannten Zeugen nicht zu folgen."

Zur Strafzumessung führt das Amtsgericht aus:
"(U.A. 4)
Bei der Strafzumessung sprach für den Angeklagten, dass er bisher strafrechtlich noch nicht in Erscheinung getreten ist.
Belasten mußte indes den Angeklagten die Tatsache, dass er in einem erheblichem Umfang unverzollte und unversteuerte Zigaretten von dem gesondert verfolgten P.M. angekauft hat. Das Gericht hat folgende Einzelstrafen für schuldangemessen erachtet:
Für den Ankauf von 32 Stangen Zigaretten drei Monate Freiheitsstrafe;
für den Ankauf von 120 Stangen Zigaretten fünf Monate Freiheitsstrafe;
für den Ankauf von 80 Stangen Zigaretten vier Monate Freiheitsstrafe sowie für den weiteren Ankauf von 20 Stangen Zigaretten drei Monate Freiheitsstrafe.
Aus diesen Einzelstrafen hat das Gericht auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von acht Monaten erkannt.

Diese Gesamtfreiheitsstrafe konnte dem Angeklagten gemäß § 56 I StGB zur Bewährung ausgesetzt werden, um ihm die Möglichkeit einzuräumen, in Zukunft ein straffreies Leben zu führen."

Gegen dieses Urteil richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Sprungrevision des Angeklagten, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt und u.a. ausführt: "Das Urteil des Amtsgerichts lässt eine Überprüfung der Angelegenheit durch das Oberlandesgericht wegen der Dürftigkeit der Urteilsgründe nicht zu.
Das Amtsgericht hat zwei Zeugen gehört, wobei der eine im Rahmen einer Hauptverhandlung als Staatsanwalt eine weitere Person befragt und notwendige Fragen aber wegen im Sitzungssaal anwesender Rußland-Deutscher unterlassen hat.
Diese Angaben vom Hörensagen hat dann ein weiterer Zeuge ausgewertet."

II. Die Revision des Angeklagten ist begründet und hat einen zumindest vorläufigen Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils mit den zugrundeliegenden Feststellungen sowie zur Zurückverweisung der Sache an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Bielefeld.

Die vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen bilden keine tragfähige Entscheidungsgrundlage, weil sie Unklarheiten und Unvollständigkeiten enthalten.

Die Feststellungen zu den Tatzeiten sind teilweise nicht hinreichend bestimmt. Die Feststellungen zu den der Verurteilung zugrunde gelegten beiden letztgenannten Taten (32 Stangen Zigaretten für 800,- DM und 20 Stangen Zigaretten für 500,- DM) lassen eine hinreichende zeitliche Einordnung vermissen. Durch die einfahrende Formulierung im Urteil "Ein weiteres Mal" werden die im Folgenden dargestellten beiden Taten (32 Stangen und 20 Stangen Zigaretten) von der zeitlich "In der Zeit von Dezember 1994 bis zum 3. April 1997" eingeordneten Tat (80 Stangen Zigaretten) abgesetzt. Es ist dem Urteil nicht hinreichend deutlich zu entnehmen, ob auch diese beiden Taten als im Tatzeitraum "von Dezember 1994 bis zum 3. April 1997" begangen festgestellt sein sollen oder ob eine andere Tatzeit oder ein anderer Tatzeitraum vorliegt. Feststellungen zur letztgenannten Alternative enthält das Urteil nicht.

Darüber hinaus entspricht das angefochtene Urteil nicht - was auf die Sachrüge zu prüfen ist - den an eine ordnungsgemäße Begründung zu stellenden Anforderungen. Aus § 261 StPO ergibt sich, dass der Tatrichter den festgestellten Sachverhalt erschöpfend zu würdigen hat; diese erschöpfende Würdigung hat er in den Urteilsgründen darzulegen (BGH NJW 1980, 2423), um die Beweiswürdigung für das Revisionsgericht nachvollziehbar zu machen. Eine solche Beweiswürdigung muss demzufolge die Grundzüge der Überlegungen des Gerichts und die Vertretbarkeit des gefundenen Ergebnisses sowie die Vertretbarkeit des Unterlassens einer weiteren Würdigung aufzeigen (OLG Hamm in VRS Band 69, 137 (138)).

Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil nicht gerecht.

Die im Rahmen der Beweiswürdigung erfolgte bloße Wiedergabe der Aussagen der in der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen ist zum einen überflüssig und kann zum anderen eine Gesamtwürdigung aller in der Hauptverhandlung festgestellten Tatsachen nicht ersetzen (vgl. BGH in NStZ 1985, 184). Dies gilt umso mehr, als die wiedergegebenen Aussagen der vernommenen Zeugen nicht nur Tatsachen betreffen, sondern sich weitgehend auf eigene Wertungen dieser Zeugen beziehen. Die Urteilsgründe lassen insbesondere eine eigene kritische Würdigung und Auseinandersetzung der von den Zeugen vorgetragenen Wertungen durch den Tatrichter vermissen. Die Feststellung, dass kein Anlass bestand, den glaubhaften Bekundungen der vorgenannten Zeugen nicht zu folgen, stellt keine ausreichende Begründung dar.

Ferner ist die Beweiswürdigung des Urteils auch in weiteren Punkten lückenhaft und verstößt deshalb gegen § 261 StPO. Es ist nämlich nicht ersichtlich, aufgrund welcher Beweiserhebung das Amtsgericht die konkreten Feststellungen zu den einzelnen Taten, bezogen auf Ort, Zeit und Menge der gehehlten Ware sowie auch in Bezug auf die als festgestellt dargestellte rechtswidrige Vortat des anderweitig Verfolgten P. M. getroffen hat.
Aus den allein in Bezug genommenen Aussagen der Zeugen G. und W. ergeben sich solche konkreten Umstände jedenfalls nicht. Auch sonst enthält das Urteil keinerlei tragfähige Begründung dafür, auf welchem Wege der Tatrichter zu den o.g. der Verurteilung zugrundegelegten Feststellungen gelangt ist.

Auch die Strafzumessungserwägungen des Amtsgerichts halten unter mehreren Gesichtspunkten der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

Die Strafzumessung ist zwar grundsätzlich Sache des Tatrichters. Es ist seine Aufgabe, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den er in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen, sie zu werten und gegeneinander abzuwägen. Ein Eingriff des Revisionsgerichts in den Einzelakt der Strafzumessung ist allerdings dann möglich, wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, wenn das Tatgericht gegen anerkannte Strafzwecke verstößt oder sich die verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung löst, gerechter Schuldausgleich zu sein (BGH, Großer Senat für Strafsachen, BGHSt 34, 345, 349). Die Strafzumessungserwägungen müssen dabei nicht erschöpfend dargestellt werden. Der Tatrichter muss seine Zumessungserwägungen aber in einem die Nachprüfung ermöglichenden Umfang darlegen (Düsseldorf, NStZ 1988, 325).

Diesen Anforderungen genügt das angefochtene Urteil nicht.

Es leidet zunächst daran, dass das Amtsgericht im Rahmen der Ausführungen zur Strafzumessung für die Einzeltaten weder Erwägungen zu § 47 Abs. 2 StGB noch zu § 47 Abs. 1 StGB angestellt hat. Gemäß § 267 Abs. 3 S.2 2. Halbsatz StPO müssen jedoch die Urteilsgründe ergeben, weshalb Umstände angenommen worden sind, die zur Verhängung von kurzen Freiheitsstrafen geführt haben (vgl. BGHR StGB § 47 I Umstände 4). Ohne solche Ausführungen ist für das Revisionsgericht nicht erkennbar, ob das Amtsgericht sich bewusst war, dass gemäß § 47 Abs. 2 StGB auch die Verhängung von Geldstrafe möglich war.

Darüber hinaus lässt das Urteil eine Begründung der gebildeten Gesamtstrafe gänzlich vermissen. Gemäß § 54 Abs. 1 S.3 StGB ist eine solche Begründung zur Bildung einer Gesamtstrafe ebenso wie bei der Einzelstrafe unverzichtbar. Wegen der fehlenden Begründung war dem Senat eine Überprüfung der der Gesamtstrafenbildung zugrundeliegenden Erwägungen nicht möglich.
Aufgrund der festgestellten Mängel, auf denen das Urteil beruht (§ 337 Abs. 1 StPO), war das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts zurückzuverweisen (§ 354 Abs. 2 StPO). Dieser war auch die Kostenentscheidung vorzubehalten, weil der Erfolg des Rechtsmittels i.S.d. § 473 StPO noch nicht feststeht.


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