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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 1 Ss OWi 1152/98 OLG Hamm

Leitsatz: Bei der Verhängung eines Fahrverbotes muß das tatrichterliche Urteil nach der neueren Rechtsprechung des BGH Ausführungen dazu enthalten, ob es sich bei der vom Betroffenen begangenen Geschwindigkeitsüberschreitung um eine "grobe" Pflichtverletzung handelt.

Senat: 1

Gegenstand: OWi

Stichworte: Fahrverbot, Geschwindigkeitsüberschreitung, Augenblicksversagen, grobe Pflichtverletzung, Voreintragung nicht mitgeteilt

Normen: StVO 3, 25 StVG

Beschluss: Bußgeldsache gegen F.H.,
wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit im Straßenverkehr.

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Siegen vom 16. Juli 1998 hat der 1. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 15.12.1998 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht und die Richter am Oberlandesgericht und nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft einstimmig beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird mit den zugrundeliegenden Feststellungen im Rechtsfolgenausspruch aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Siegen zurückverwiesen.

Gründe:
Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen eines fahrlässigen Verstoßes gegen die §§ 3 Abs. 3, 41 (Zeichen 274), 49 StVO i.V.m. § 24 StVG zu einer Geldbuße von 210,- DM verurteilt. Ferner hat es ein Fahrverbot für die Dauer von einem Monat verhängt.

Es hat dazu u.a. folgende Feststellungen getroffen:

"Der Betroffene befuhr am 26.11.1997 in Kreuztal die Hüttentalstraße ( B 54 n) in Fahrtrichtung L 908 als Führer des PKW Marke VW Scirocco mit dem amtlichen Kennzeichen SI-DN 736. Hierbei überschritt er in diesem Bereich die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h. Gemessen wurde durch die Zeugen Bender und Berk mit dem Lasermeßgerät Riegl eine Geschwindigkeit von 107 km/h abzüglich eines Toleranzwertes von 4 km/h verblieb eine Nettogeschwindigkeit von 103 km/h, so dass eine Geschwindigkeitsüberschreitung von 43 km/h vorlag."

Der Betroffene hat die Geschwindigkeitsüberschreitung nicht in Abrede gestellt. Zum Verschulden des Betroffenen hat das Amtsgericht folgende Feststellungen getroffen:

"Der Fahrlässigkeitsvorwurf wird auch nicht durch die Einlassung des Betroffenen dahingehend, dass er während der Fahrt durch eine Freundin abgelenkt war, entkräftet. Gerade dies stellt einen Fall der fahrlässigen Verwirklichung einer Ordnungswidrigkeit dar. Der Kraftfahrer ist grundsätzlich gehalten, sich auf den Straßenverkehr zu konzentrieren."

Die im Bußgeldkatalog für die Geschwindigkeitsüberschreitung von 43 km/h vorgesehene Geldbuße in Höhe von 200,- DM hat das Amtsgericht um 10,- DM auf 210,- DM erhöht, da eine zu berücksichtigende Voreintragung vorliege. Diese ist im Urteil jedoch nicht mitgeteilt. Ferner hat es ein Fahrverbot verhängt, da davon auszugehen sei, dass der von § 2 BKatV erfaßte Normalfall vorliege.

Gegen dieses Urteil wendet der Betroffene sich mit seiner form- und fristgerecht eingelegten Rechtsbeschwerde. Er macht geltend, die Voraussetzungen für die Verhängung eines Fahrverbotes seien nicht gegeben.

Die Rechtsbeschwerde hat mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts einen zumindest vorläufigen Erfolg und führt zur Aufhebung des Rechtsfolgenausspruches der angefochtenen Entscheidung. Das Urteil war bereits deshalb aufzuheben, weil den Gründen nicht zu entnehmen ist, ob die bei der Bemessung der Geldbuße zu Lasten des Betroffenen berücksichtigte Voreintragung noch verwertbar war. Diese ist in den Urteilsgründen nicht wiedergegeben.

Darüber hinaus tragen die Feststellungen des Amtsgerichts die Verhängung eines Fahrverbotes - bislang - nicht. Es fehlen vielmehr Ausführungen dazu, ob es sich bei der vom Betroffenen begangenen Geschwindigkeitsüberschreitung um eine "grobe" Pflichtverletzung handelt. Eine solche Feststellung ist jedoch erforderlich.
Auch nach dem Inkrafttreten der Bußgeldkatalogverordnung vom 4. Juli 1989 ist § 25 StVG die alleinige Rechtsgrundlage für die Anordnung eines Fahrverbotes wegen einer Verkehrsordnungswidrigkeit (vgl. BGHSt 38, 125, 127). Nach dieser Vorschrift kann ein Fahrverbot u.a. dann verhängt werden, wenn der Betroffene eine Ordnungswidrigkeit nach § 24 StVG unter grober Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen hat. Die Annahme einer groben Pflichtverletzung setzt zunächst voraus, dass der Zuwiderhandlung in objektiver Hinsicht Gewicht zukommt. Sie ist im allgemeinen nur bei abstrakt oder konkret gefährlichen Ordnungswidrigkeiten gerechtfertigt, die immer wieder die Ursache schwerer Unfälle bilden. Ein solcher Verkehrsverstoß liegt bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung von 43 km/h vor.

Jedoch vermag das besondere objektive Gewicht einer Ordnungswidrigkeit für sich allein die Annahme einer groben Pflichtverletzung nicht zu tragen (vgl. BGH, NJW 1997, 3252, 3253). Hinzukommen muss vielmehr, dass der Täter auch subjektiv besonders verantwortungslos handelt. Eine grobe Pflichtverletzung kann ihm nur vorgehalten werden, wenn seine wegen ihrer Gefährlichkeit objektiv schwerwiegende Zuwiderhandlung subjektiv auf groben Leichtsinn, grobe Nachlässigkeit oder Gleichgültigkeit zurückgeht (vgl. BVerfG, DAR 1996, 196, 197; Jagusch/Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 34. Aufl., § 25 StVG Rdnr. 14). Solche Feststellungen zur subjektiven Vorwerfbarkeit der Zuwiderhandlung finden sich im angefochtenen Urteil nicht. Zwar entfalten die Regelbeispiele der Bußgeldkatalogverordnung durchweg eine gewichtige - nur ausnahmsweise auszuräumende - Indizwirkung. Bei den dort beschriebenen Sachverhalten muss sich dem Kraftfahrer in der Regel die Gefährlichkeit seines ordnungswidrigen Verhaltens regelmäßig so deutlich aufdrängen, dass Gestaltungen, in denen gleichwohl keine grobe Pflichtverletzung vorliegt, schwer vorstellbar erscheinen.

Diese indizielle Wirkung der Verwirklichung des Regelbeispiels kommt jedoch bei einer "qualifizierten" Überschreitung der durch Vorschriftszeichen 274 gemäß § 41 Abs. 2 Nr. 7 StVO beschränkten Geschwindigkeit nur mit Einschränkungen zum Tragen.
Insofern gilt: Dem Kraftfahrzeugführer kann das für ein Fahrverbot erforderliche grob pflichtwidrige Verhalten nicht vorgeworfen werden, wenn der Grund für die von ihm begangene erhebliche Geschwindigkeitsüberschreitung darin liegt, dass er das die Höchstgeschwindigkeit begrenzende Zeichen nicht wahrgenommen hat, es sei denn, gerade diese Fehlleistung beruhe ihrerseits auf grober Nachlässigkeit oder Gleichgültigkeit (vgl. BGH, NJW 1997, a.a.O.).

Entsprechende Feststellungen fehlen im angefochtenen Urteil. Der Betroffene hat sich dahingehend eingelassen, er sei während der Fahrt durch seine Freundin abgelenkt gewesen und habe das die Geschwindigkeit einschränkende Verkehrszeichen übersehen. Ob diese Fehlleistung ihrerseits auf "groben Leichtsinn, grober Nachlässigkeit oder Gleichgültigkeit" beruht, lässt sich den Feststellungen nicht entnehmen. Dies hängt einerseits davon ab, welche Umstände im einzelnen zu der mangelnden Aufmerksamkeit geführt haben, zum anderen aber auch von der örtlichen Situation. Insoweit bedurfte es daher Feststellungen dazu, warum die Geschwindigkeitsbeschränkung auf 60 km/h außerorts angeordnet war, und ob bereits aufgrund der örtlichen Verhältnisse (enge Fahrbahn, Straßenschäden, Einmündungen) es sich dem Betroffenen aufdrängen mußte, dass mit einer Geschwindigkeitsbeschränkung zu rechnen war. Ferner bedurfte es Feststellungen dazu, aufgrund welcher genauen Beschilderung die Geschwindigkeit beschränkt wurde, ob der Betroffene beispielsweise lediglich ein Schild oder mehrere "übersehen" hat. Sollten sich vor der Messstelle mehrere die Geschwindigkeit begrenzende Schilder befunden haben, wird sich der Amtsrichter mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob er die Einlassung des Betroffenen nicht als widerlegt ansieht. Jedenfalls liegt dann die Annahme nahe, dass der Betroffene die gebotene Aufmerksamkeit in grob pflichtwidriger Weise außer Acht gelassen hat.

Der dargelegte Mangel stellt einen sachlich-rechtlichen Fehler dar, auf dem das Urteil beruht. Er führt zur Aufhebung und zur Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht, das die Entscheidung getroffen hat (§ 79 Abs. 6 OWiG).

Sollte das Amtsgericht erneut ein Fahrverbot verhängen, wird es die Feststellungen zum Wirksamwerden des Verbotes im Urteilstenor - und nicht in einem gesonderten Beschluss - aufzunehmen haben.


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