Aktenzeichen: 3 Ss 1238/98 OLG Hamm
Leitsatz: Ist bei mehreren Taten die zwingend erforderliche Festsetzung von Einzelstrafen unterblieben, kann die verhängte Gesamtfreiheitsstarfe nicht auf ihre Angemessenheit überprüft werden.
Senat: 3
Gegenstand: Revision
Stichworte: unterbliebene Festsetzung von Einzelstrafen, Rechtsfolgenausspruch, Tatmehrheit
Normen: StGB 53, StGB 54
Beschluss: Strafsache gegen R.S.,
wegen Diebstahls.
Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil der 9. kleinen Strafkammer des Landgerichts Essen vom 17.06.1998 hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 10.11.1998 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft einstimmig beschlossen:
Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch nebst den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Essen zurückverwiesen.
Gründe:
I. Der Angeklagte ist durch Urteil des Amtsgerichts Essen vom 12.02.1998 wegen gemeinschaftlichen Diebstahls in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt worden. Die dagegen gerichtete und auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Berufung des Angeklagten hat das Landgericht Essen durch Urteil vom 17.06.1998 verworfen.
Die Strafkammer hat folgenden, von dem Amtsgericht Essen festgestellten Sachverhalt ihrer Entscheidung zugrundegelegt:
1. Am 30.7.1997 hielt sich der Angeklagte zusammen mit der anderweitig zu verfolgenden C.S. gegen 14.10 Uhr in der Kinderabteilung des Karstadt-Warenhauses im Einkaufszentrum Altenessen in Essen auf. Dort steckte Frau S. unbezahlte Kleidungsstücke in eine von dem Angeklagten aufgehaltene Tüte der Firma Toys r Us. Anschließend brachten beide die Tüte zu einem in unmittelbarer Nähe des Einkaufszentrums Altenessen abgestellten Pkw und verstauten die Ware im Fahrgastraum.
2. Sodann begaben sich beide wieder in die Karstadt-Filiale. Gegen 14.35 Uhr kam der Angeklagte allein mit einer weiteren gefüllten Tüte zum Auto und packte diese Tüte zu den anderen Tüten.
3. Anschließend begab er sich wiederum in das Einkaufszentrum. Gegen 14.45 Uhr kamen er und Frau S. erneut aus dem Einkaufszentrum und verstauten wiederum eine gefüllte Tüte im Fahrgastraum des Pkw. Anschließend wurden sie gestellt, nachdem der Hausdetektiv B. inzwischen die Polizei verständigt hatte.
Bei der anschließenden Durchsuchung wurde festgestellt, dass sich in den Tüten zwei Herrenhemden, zwei Damenkleider, eine Jacke sowie Kinderkleidung zu einem Gesamtverkaufspreis von 470,00 DM befanden, die aus dem Kaufhaus der Firma Karstadt ohne Bezahlung mitgenommen worden waren.
Im Anschluß an diese Sachverhaltsschilderung werden in den Gründen des angefochtenen Urteils die von der Strafkammer selbst getroffenen Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen des Betroffenen sowie dessen Ausführungen in der Berufungshauptverhandlung zur Sache mitgeteilt. Sodann heißt es in den Urteilsgründen:
"Diese Einlassungen in Verbindung mit der Lebenssituation des Angeklagten zur Tatzeit und zum gegenwärtigen Zeitpunkt sowie unter Berücksichtigung der Vorstrafen und der - soweit überschaubar - Zukunftsaussichten vermag weder zu einer Ermäßigung der erstinstanzlich verhängten Freiheitsstrafe noch dazu führen, dass die Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt wird.
Die Strafe ist aus dem sich aus § 242 StGB ergebenden Strafrahmen zu entnehmen, der von fünf Tagessätzen Geldstrafe bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe reicht. Mildernd ist berücksichtigt worden, dass die drei Diebstähle zum Teil altruistische Züge aufweisen, weil die Beute vorwiegend aus Kinderkleidung besteht."
Sodann folgen Ausführungen dazu, dass sich der Angeklagte zu seiner Entlastung nicht darauf berufen könne, dass seine Mutter, Frau C.S., plötzlich eine Tüte offengehalten und ihn aufgefordert habe, dort Kleidungsstücke hineinzustecken. Von einer Art "Überrumpelung" oder einer Suggestivwirkung könne - so die Strafkammer - nicht gesprochen. Dies werde ganz besonders klar bei den weiteren zwei Diebstählen, welche absolut nicht mit einer Überrumpelung zu vereinbaren seien.
Im Anschluß an die dann folgende Darstellung und Erörterung der Vorbelastungen des Angeklagten heißt es in den Urteilsgründen:
"Angesichts dieser gesamten Umstände war eine empfindliche Bestrafung erforderlich, bei welcher es sich um eine Freiheitsstrafe handeln mußte, weil bereits früher verhängte Freiheitsstrafen keinen wirksamen Erfolg gezeitigt hatten. Die Verhängung einer sechsmonatigen Freiheitsstrafe hielt die Kammer daher für unbedingt erforderlich und nicht zu Lasten des Angeklagten für zu hoch."
Die Strafkammer hat sodann eine Aussetzung der verhängten Freiheitsstrafe von sechs Monaten zur Bewährung gemäß § 56 StGB unter näheren Ausführungen abgelehnt. Zur Begründung hat sie im wesentlichen darauf abgestellt, dass der Angeklagte in der Vergangenheit ihm eingeräumte Bewährungen nicht durchgestanden oder Bewährungschancen bewusst verworfen habe. Es seien auch keine sonstigen Umstände ersichtlich, dass sich seit der Tatzeit die Verhaltensweisen des Angeklagten und seine negative Haltung zur Rechtsordnung nachhaltig und positiv verändert hätten.
Gegen dieses Urteil richtet sich der Revision des Angeklagten. Er rügt eine Verletzung materiellen Rechts und wendet sich gegen die Ablehnung der Aussetzung der gegen ihn verhängten Freiheitsstrafe zur Bewährung.
II. Die Revision hat in der Sache einen vorläufigen Erfolg.
Als rechtsfehlerhaft zu beanstanden ist, dass das Landgericht in dem angefochtenen Urteil für die drei von dem Amtsgericht festgestellten Diebstahlstaten keine Einzelstrafen festgesetzt hat. Dieser Mangel führt zu einer Aufhebung des angefochtenen Urteils im Rechtsfolgenausspruch. Eine möglicherweise mit der Revisionsbegründung erklärte Beschränkung der Revision auf die Verweigerung der Strafaussetzung zur Bewährung ist infolge dieses Mangels unwirksam.
Nach dem Schuldausspruch des amtsgerichtlichen Urteils, der aufgrund der wirksamen Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch in Rechtskraft erwachsen ist, hat der Angeklagte drei in Tatmehrheit zueinander stehende, selbständige Diebstahlstaten begangen. Davon ist wohl auch die Strafkammer ausgegangen. Denn sie verweist in den Urteilsgründen darauf, dass für sie derjenige Sachverhalt bindend feststehe, der der Verurteilung des Angeklagten durch das Amtsgericht wegen dreifachen gemeinschaftlichen Diebstahls zugrundeliege. Darüber hinaus ist in dem angefochtenen Urteil die Rede von "drei Diebstählen". Die oben unter I. 1. aufgeführte Tat wird in dem angefochtenen Urteil als "erster Diebstahlsfall" und die unter I. 2. und 3. geschilderten Taten werden "als die weiteren zwei Diebstähle" bezeichnet. Die Strafkammer hat aber in dem angefochtenen Urteil Einzelstrafen für die drei Diebstahlstaten nicht festgesetzt, obwohl dies erforderlich gewesen wäre. Denn wenn mehrere selbständige Straftaten begangen worden sind, die gleichzeitig abgeurteilt werden, muss zunächst für jede Tat die für sie verwirkte Strafe innerhalb des dafür in Betracht kommenden Strafrahmens unter Berücksichtigung von Schärfungs- und Milderungsgründen zugemessen werden (vgl. Tröndle, StGB, 48. Aufl., § 54 Randziffer 1 b).
Die unterbliebene Festsetzung von Einzelstrafen hat zur Folge, dass das angefochtene Urteil keine Überprüfung dahingehend ermöglicht, ob die verhängte Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Monaten rechtsfehlerfrei zustandegekommen ist. Angesichts der mangelnden Überprüfbarkeit der durch die Strafkammer verhängten Freiheitsstrafe von sechs Monaten stellte die Strafzumessung durch die Strafkammer auch keine ausreichende Grundlage für die sich anschließende Prüfung der Frage einer Strafaussetzung zur Bewährung dar, so dass die Revision auf diese Frage nicht wirksam beschränkt werden konnte.
Das angefochtene Urteil war daher im Rechtsfolgenausspruch nebst den zugrundeliegenden Feststellungen aufzuheben und im Umfang der Aufhebung an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Essen zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.
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