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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 3 Ss OWi 1206/98 OLG Hamm

Leitsatz: Zur Verhängung eines Fahrverbots wegen bharrlichen Verstoßes, wenn die Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 Satz 2 BKatV nicht vorliegen.

Senat: 3

Gegenstand: OWi

Stichworte: Fahrverbot, Geschwindigkeitsüberschreitung, ein Jahr nach Rechtskraft, neue Tat vor Rechtskraft, Beharrlichkeit, beharrlicher Verstoß

Normen: StVO 3, StVG 25, BKatV 2 Abs. 2 Satz 2

Beschluss: Bußgeldsache gegen R.I.,
wegen fahrlässigen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften.

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Bielefeld vom 31.03.1998 hat der 3. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 29.10.1998 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Landgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft gemäß § 349 Abs. 2, Abs. 4 StPO, § 79 Abs. 3 OWiG beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Bielefeld zurückverwiesen.

Die weitergehende Rechtsbeschwerde wird verworfen.

Gründe:
I. Das Amtsgericht Bielefeld hat gegen den Betroffenen wegen fahrlässigen Verstoßes gegen die §§ 3 Abs. 3 Nr. 1, 49 Abs. 1 Nr. 3 StVO i.V.m. § 24 StVG eine Geldbuße in Höhe von 120,- DM sowie gemäß § 25 StVG ein Fahrverbot von einem Monat festgesetzt.

Nach den zugrundeliegenden Feststellungen befuhr der Betroffene am 24.04.1997 mit seinem PKW in Bielefeld die Eckendorfer Straße innerhalb geschlossener Ortschaft. In Höhe der Hausnummer 113 überschritt er, wie im Wege der Radarmessung festgestellt wurde, die dort gültige innerörtliche Geschwindigkeitsbegrenzung von 50 km/h unter Berücksichtigung eines Toleranzwertes von 3 km/h um 29 km/h. Der Betroffene hat die Ordnungswidrigkeit nach den Urteilsfeststellungen in vollem Umfang eingeräumt. Zuvor war er durch Entscheidung vom 07.04.1997, rechtskräftig seit dem 26.04.1997, wegen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 29 km/h zu einer Geldbuße in Höhe von 100,- DM verurteilt worden.
Das Amtsgericht hat gegen den Betroffenen die Regelgeldbuße in Höhe von 120,- DM nach der Bußgeldkatalogverordnung verhängt.

Die Anordnung des Fahrverbotes hat es wie folgt begründet:
"Neben dieser Geldbuße war gegen den Betroffenen gemäß § 25 Abs. 1 StVG in Verbindung mit § 2 Abs. 2 Bußgeldkatalog-Verordnung ein Fahrverbot von einem Monat festzusetzen, da in den letzten 12 Monaten vor dieser Ordnungswidrigkeit bereits eine Geschwindigkeitsüberschreitung von mindestens 26 km/h rechtskräftig mit Geldbuße geahndet wurde. Durch die wiederholte Geschwindigkeitsüberschreitung muss der Betroffene sich eine beharrliche Pflichtverletzung vorwerfen lassen. Hier waren keine Gründe ersichtlich, von der Verhängung eines Fahrverbotes ausnahmsweise abzusehen. Wegen des erzieherischen Charakters des Fahrverbotes, welches zwingend erforderlich erschien, um den Betroffenen auf die Gefährlichkeit seiner Handlungen nachdrücklich hinzuweisen, konnte dieses auch nicht durch eine Erhöhung der Geldbuße ausgeglichen werden."

Darüber hinaus hat das Amtsgericht nähere Ausführungen zu den dem Betroffenen durch das Fahrverbot drohenden beruflichen Beeinträchtigungen und den für ihn bestehenden Möglichkeiten, diese Beeinträchtigungen zu mildern bzw. abzuwenden, gemacht.

Gegen dieses Urteil wendet sich die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Rechtsbeschwerde des Betroffenen mit der Sachrüge. Die Rechtsbeschwerde rügt mit näheren Ausführungen die ihrer Ansicht nach fehlerhafte Verhängung eines Fahrverbotes gegen den Betroffenen. Sie soll aber, wie am Ende der Rechtsbeschwerdebegründung ausdrücklich hervorgehoben ist, nicht auf diesen Gesichtspunkt beschränkt sein, vielmehr werde das Urteil des Amtsgerichts auch im übrigen zur Überprüfung gestellt.

II. Die zulässige Rechtsbeschwerde des Betroffenen, die ausdrücklich nicht auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt ist, hat in der Sache teilweise einen zumindest vorläufigen Erfolg. Sie führt auf die Sachrüge zur Aufhebung des angefochtenen Urteils im Rechtsfolgenausspruch mit den diesem zugrundeliegenden Feststellungen und in diesem Umfang zur Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht. Im übrigen ist sie unbegründet.

Die Überprüfung des Schuldspruchs des angefochtenen Urteils hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen ergeben. Insoweit ist die Rechtsbeschwerde offensichtlich unbegründet, § 349 Abs. 2 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 OWiG.

Dagegen kann der Rechtsfolgenausspruch keinen Bestand haben. Zwar ist gegen die verhängte Geldbuße in Höhe von 120,- DM aus Rechtsgründen nichts zu erinnern, zumal sie dem Regelsatz des Bußgeldkataloges entspricht (Tabelle 1 a zu Nr. 5 der Anlage lfd. Nr. 5.3.2 BKatV).

Die Anordnung des Fahrverbotes hält indes einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Das Amtsgericht hat nämlich erkennbar übersehen, dass die Vorbelastung erst am 26.04.1997 und damit zwei Tage nach der Begehung der diesem Verfahren zugrundeliegenden Geschwindigkeitsüberschreitung rechtskräftig geworden war. Damit lagen hier die Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 S.2 BKatV gerade nicht vor, da diese Bestimmung voraussetzt, dass der Betroffene innerhalb eines Jahres seit Rechtskraft der einschlägigen Vorbelastung eine weitere Geschwindigkeitsüberschreitung von mindestens 26 km/h begeht. Das Amtsgericht durfte die Verhängung des Fahrverbotes gegen den Betroffenen daher nicht auf § 2 Abs. 2 S.2 BKatV stützen. Dadurch, dass es dies gleichwohl getan hat, hat es sich den Blick auf die Besonderheiten des vorliegenden Falles verstellt und weitere Feststellungen und Erwägungen unterlassen, die hier durchaus zur rechtsfehlerfreien Verhängung des Fahrverbotes gegen den Betroffenen hätten führen können. Da der Senat als Rechtsbeschwerdegericht diese Feststellungen nicht selbst treffen kann, war die Sache an das Amtsgericht zurückzuverweisen.

Die Anordnung eines Fahrverbotes wegen beharrlicher Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers i.S.v. § 25 Abs. 1 S.1 StVG kommt nämlich auch dann in Betracht, wenn bei Begehung der neuerlichen Tat noch keine rechtskräftige Vorahndung vorgelegen hat. In § 2 Abs. 2 S.2 BKatV hat der Verordnungsgeber lediglich bestimmte Regel-(Sonder)fälle aus dem undifferenzierten Bereich beharrlicher Verkehrsverstöße des § 25 Abs. 1 S.1 StVG herausgenommen und rechtlich verselbständigt (BGHSt 38, 231, 234). Damit hat er Verwaltungsbehörden und Gerichte aber keinesfalls von einer Einzeifallprüfung befreit, sondern nur den Begründungsaufwand in den katalogmäßig bestimmten Regel-(Sonder)fällen eingeschränkt (BGHSt 38, 125, 131). Allein daraus, dass der Tatbestand des § 2 Abs. 2 S.2 BKatV nicht erfüllt ist, folgt demnach nicht, dass bereits deshalb die Verhängung eines Fahrverbotes wegen beharrlicher Geschwindigkeitsüberschreitung gegen den Betroffenen ausgeschlossen wäre (OLG Hamm, VRS 95, 147, 148; OLG Düsseldorf, DAR 1998, 320, 322). Fehlende Einsicht in zuvor begangenes Unrecht und mangelnde Rechtstreue kann der Täter vielmehr auch dann zeigen, wenn ihm vor Begehung einer weiteren Ordnungswidrigkeit die frühere Tat auf andere Weise als durch rechtskräftige Ahndung voll bewusst geworden war. Auch dann kann ihn nämlich der die beharrliche Pflichtverletzung i.S.v. § 25 Abs. 1 S.1 StVG begründende Vorwurf treffen, dass es ihm an der für die Teilnahme am Straßenverkehr erforderlichen rechtstreuen Gesinnung und der notwendigen Einsicht in zuvor begangenes Unrecht fehlt (vgl. amtliche Begründung BT-Drucks. V/1319, S. 90; BGHSt 38, 231, 234; OLG Hamm, a.a.O.; OLG Düsseldorf, a.a.O. ). Das hierfür erforderliche Bewußtsein kann dem Betroffenen insbesondere - auch bei fahrlässiger Tatbegehung - schon durch die Zustellung des Bußgeldbescheides, der gegen ihn aufgrund der vorangegangenen Tat erlassen werden mußte, vermittelt werden (OLG Hamm, a.a.O.; OLG Düsseldorf, a.a.O.; BayObLG, NZV 1996, 370, 371). In einem solchen Fall bedarf es jedoch ausreichender tatrichterlicher Feststellungen, die den Schluss zulassen, der Betroffene habe sich über den vorausgegangenen Warnappell hinweggesetzt (OLG Hamm, a.a.O.; vgl. auch BVerfG, DAR 1996, 196, 198).

Im vorliegenden Fall liegt aufgrund des Datums der Rechtskraft der Vorbelastung, über deren Art - Bußgeldbescheid oder gerichtliche Entscheidung - das angefochtene Urteil keine näheren Feststellungen getroffen hat, nahe, dass der Betroffene zur Tatzeit am 24.04.1997 bereits darum wußte, dass gegen ihn wegen der damaligen Geschwindigkeitsüberschreitung eine Geldbuße verhängt worden war. Mit Sicherheit kann dies den Urteilsfeststellungen des Amtsgerichts jedoch nicht entnommen werden. Sollte es sich bei der fraglichen Vorbelastung um einen Bußgeldbescheid handeln, wäre wegen der Frist des § 67 Abs. 1 S.1 OWiG zu vermuten, dass dieser Bußgeldbescheid, sollte er mit Ablauf der genannten Einspruchsfrist rechtskräftig geworden sein, dem Betroffenen bereits am 12.04.1997 zugestellt wurde. Selbst in diesem Fall würde jedoch noch nicht feststehen, dass der Betroffene die Warnfunktion der Vorahndung mißachtet hätte. Aufgrund der Möglichkeit der Ersatzzustellung muss auch in einem solchen Fall zumindest die Feststellung getroffen werden, dass der Betroffene von dem Inhalt der ihm zugestellten Entscheidung auch tatsächlich Kenntnis genommen hatte (OLG Hamm, a.a.O. ). Für die neue Hauptverhandlung bietet sich insoweit die Beiziehung der Verfahrensakte betreffend die Vorbelastung des Betroffenen an, aus der sich die Art der Zustellung der ihr zugrundeliegenden Entscheidung und damit möglicherweise auch der Zeitpunkt der tatsächlichen Kenntnisnahme des Betroffenen von dem Inhalt dieser Entscheidung ergeben wird.

Aufgrund des festgestellten Rechtsfehlers im Hinblick auf die Verhängung des Fahrverbotes gemäß § 25 Abs. 1 S.1 StVG war der Rechtsfolgenausspruch des angefochtenen Urteils insgesamt aufzuheben. Aufgrund der Wechselwirkung zwischen der Höhe der Geldbuße und der Anordnung eines Fahrverbotes scheidet nämlich eine isolierte Entscheidung des Tatrichters allein über die Frage des Fahrverbotes aus.


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