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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 3 Ss 793/98 OLG Hamm

Leitsatz: Das bloße Dulden einer Falschaussage in der Hauptverhandlung stellt keinen Straftatbestand dar. Als strafschärfend kann ein solches Prozessverhalten nur dann bewertet werden, wenn es nicht auf Furcht vor Bestrafung beruhte, sondern Ausdruck von Rechtsfeindlichkeit oder Uneinsichtigkeit wäre. Dazu müssen Feststellungen getroffen werden.

Senat: 3

Gegenstand: Revision

Stichworte: Aufhebung im Rechtsfolgenausspruch, Dulden einer anderen Straftat, Meineid, Schuldfeststellung, fehlerhafte Strafzumessungserwägung

Normen: StGB 46, StGB 153

Beschluss: Strafsache gegen I.O.,
wegen Meineides.

Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil der VII. kleinen Strafkammer des Landgerichts Bielefeld vom 11.02.1998 hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 03.11.1998 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht entsprechend dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft sowie nach Anhörung des Angeklagten bzw. seines Verteidigers einstimmig beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch nebst den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Bielefeld zurückverwiesen.

Gründe:
Der Angeklagte wurde durch Urteil des Amtsgericht Bielefeld vom 06.06.1997 wegen Meineides zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten unter Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt.

Die gegen dieses Urteil gerichteten Berufungen sowohl der Staatsanwaltschaft Bielefeld als auch des Angeklagten wurden durch Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 11.02.1998 verworfen.

Nach den landgerichtlichen Feststellungen hat der Angeklagte bei seiner richterlichen Vernehmung am 03.07.1996 in der Strafsache gegen Klaus-Peter Brunner, geborener Salmen, wahrheitswidrig angegeben, den am 18.06.1996 sichergestellten PKW Audi V 8 des Klaus-Peter B., der auf den Namen der Mutter des Angeklagten, der früheren Mitangeklagten Ursula O. zugelassen worden war, von dieser zu einen Kaufpreis von 18.000,00 DM erworben zu haben. Der Angeklagte leistete sodann den Eid. Dabei war ihm bewusst, dass seine Angaben nicht zutrafen, dass vielmehr der PKW Audi im September 1995 von seinem Bruder Armin O. gegen Übergabe von 14.000,00 DM an die Zeugin H., die damalige Lebensgefährtin des Klaus-Peter B., gekauft worden war.

Die Strafkammer hat eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten als tat- und schuldangemessen erachtet und im Rahmen der Strafzumessungserwägungen nach der Darlegung der zugunsten des Anaeklagten berücksichtigten Umstände folgendes ausgeführt:

"Zu Lasten des Angeklagten fällt allerdings ganz erheblich ins Gewicht, dass er seine falsche Aussage auch dann noch aufrecht erhielt, als er in der ersten Verhandlung miterlebte, wie die Zeugin H. zunächst eine Falschaussage zu seinen und zu Gunsten seiner Mutter machte. Es ist dem Angeklagten zwar letztlich nicht nachzuweisen, dass er von der Beeinflussung der Zeugin H. durch seinen Bruder, den Zeugen Armin O., wußte. In jedem Fall mußte ihm, der die wahren Umstände des Ankaufs des PKW's kannte, klar sein, dass die Zeugin zu seinen Gunsten eine Straftat begehen wollte."
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Angeklagten, mit der er unter näheren Ausführungen die Verletzung materiellen Rechts rügt.

Die Revision hat mit der erhobenen Sachrüge teilweise einen zumindest vorläufigen Erfolg.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Stellungsnahme vom 12.10.1998 unter anderem folgendes ausgeführt:

"I. Die auf die erhobene Sachrüge gebotene Überprüfung des angefochtenen Urteils hat hinsichtlich des Schuldausspruches Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten nicht ergeben.

Die getroffenen Feststellungen tragen den Schuldausspruch wegen Meineides. Auch die von der Revision erhobenen Angriffe gegen die landgerichtliche Beweiswürdigung greifen nicht durch.

Aus § 261 StPO lässt sich entnehmen, dass der Tatrichter den festgestellten Sachverhalt, soweit er bestimmte Schlüsse zugunsten oder zu Lasten des Angeklagten nahelegt, erschöpfend zu würdigen und dabei eine Gesamtwürdigung aller in der Hauptverhandlung festgestellten Tatsachen vorzunehmen hat. Diese erschöpfende Beweiswürdigung ist in den Urteilsgründen nachvollziehbar darzulegen (vgl. BGH NJW 1980, 2423). Die Schlussfolgerungen des Tatrichters tatsächlicher Art müssen entgegen der Ansicht der Revision nicht zwingend sein. Es genügt vielmehr, dass sie möglich sind und der Tatrichter von ihrer Richtigkeit überzeugt ist. Die Urteilsgründe müssen erkennen lassen, dass die Beweiswürdigung auf einer tragfähigen verstandesmäßig einsichtigen Tatsachengrundlage beruht und nicht etwa nur eine Annahme oder bloße Vermutung beinhaltet, die letztlich nicht mehr als einen Verdacht zu begründen vermag (vgl. BGH NJW 1982, 2882).

Diesen Anforderungen genügt das angefochtene Urteil. Es enthält eine ausführliche und nachvollziehbare Darlegung derjenigen Umstände, auf die das Landgericht seine Überzeugung, dass der Angeklagte einen Meineid begangen habe, gestützt hat. Die Beweiswürdigung weist auch weder Widersprüche, Lücken oder Unklarheiten auf noch verstößt sie gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze

II. Der Strafausspruch hält dagegen einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Die Strafkammer hat bei der Strafzumessung zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt, dass dieser seine falsche Aussage auch noch aufrecht erhalte habe, nachdem er in der ersten Hauptverhandlung miterlebt habe, wie die Zeugin H. zunächst eine Falschaussage zu seinen und zu Gunsten seiner Mutter gemacht habe. Dem Angeklagten sei zwar nicht nachzuweisen gewesen, dass er von der Beeinflussung der Zeugin durch seinen Bruder Kenntnis gehabt habe. Da ihm aber auf jeden Fall die wahren Umstände des Ankaufs des hier in Rede stehenden Fahrzeugs bekannt gewesen seien, habe ihm klar sein müssen, dass die Zeugin zu seinen Gunsten eine Straftat begehen wollte.

Das bloße Dulden einer Falschaussage in der Hauptverhandlung stellt keinen Straftatbestand dar. Als strafschärfend kann ein solches Prozessverhalten nur dann bewertet werden, wenn es nicht auf Furcht vor Bestrafung beruhte, sondern Ausdruck von Rechtsfeindlichkeit oder Uneinsichtigkeit wäre (vgl. BGH in BGHR, StGB, § 46 Abs. 2, Nachtatverhalten Nr. 20). Entsprechende Feststellungen hat das Landgericht aber nicht getroffen. Zu berücksichtigen ist außerdem, dass der Angeklagte die ihm zur Last gelegte Tat geleugnet hat. Um eine Falschaussage der Zeugin H. zu verhindern, hätte er aber die ihm vorgeworfene Tat einräumen müssen. Ein solches, seine Verteidigungsposition gefährdendes Verhalten konnte von dem Angeklagten aber nicht erwartet werden, so dass ein bloßes Unterlassen eines solchen Verhaltens nicht strafschärfend berücksichtigt werden darf (vgl. BGH NStZ 1981, 343; OLG Hamm VRS Bd. 94, 104; Tröndle, StGB, 48. Aufl., § 46 Rdz. 29 a und 29 c)."

Diesen Ausführungen schließt sich der Senat an und macht sie zum Gegenstand seiner Entscheidung. Auf die Revision des Angeklagten war daher das angefochtene Urteil im Strafausspruch nebst den zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache in diesem Umfang zurückzuverweisen. Im übrigen war die Revision gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet zu verwerfen.


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