Aktenzeichen: 3 Ws 539/98 OLG Hamm
Senat: 3
Gegenstand: Beschwerde
Stichworte: Ablehnung der bedingten Entlassung, Generalprävention, Halbstrafe, sofortige Beschwerde der StA, tatrichterliche Würdigung, besondere Umstände
Normen: StGB 57 Abs. 2
Beschluss: Strafsache gegen P.S.,
wegen Bestechung u.a.
(hier: Sofortige Beschwerden des Verurteilten und der Staatsanwaltschaft gegen die Ablehnung der bedingten Entlassung nach Verbüßung der Hälfte der Strafe).
Auf die sofortigen Beschwerden des Verurteilten vom 12.11.1998 und der Staatsanwaltschaft Bochum vom 30.11.1998 gegen den Beschluss der 20. Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bielefeld vom 04.11.1998 hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 17.12.1998 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:
Die sofortigen Beschwerden werden als unbegründet verworfen.
Der Verurteilte trägt die Kosten seines Rechtsmittels.
Die Kosten der sofortigen Beschwerde der Staatsanwaltschaft Bochum einschließlich der dem Verurteilten infolge dieses Rechtsmittels entstandenen notwendigen Auslagen werden der Landeskasse auferlegt.
Gründe:
Der Verurteilte ist durch Urteil des Landgerichts Bochum vom 08.10.1997 wegen Vorteilsgewährung in sechs Fällen und Bestechung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 3 Jahren und 9 Monaten verurteilt worden. Die Hälfte dieser Strafe hatte der Verurteilte am 30.11.1998 verbüßt.
Die 20. Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bielefeld hat durch Beschluss vom 04.11.1998 eine bedingte Entlassung des Verurteilten nach § 57 Abs. 2 Nr. 2 StGB abgelehnt. Gegen diesen Beschluss richtet sich die sofortige Beschwerde des Verurteilten. Er macht unter näheren Ausführungen im wesentlichen geltend, die Strafvollstreckungskammer habe die Entscheidungsgründe des Urteils des Landgerichts Bochum vom 08.10.1997 in einigen Punkten zu seinen Ungunsten falsch ausgelegt und nicht richtig gewertet. Außerdem sei nicht hinreichend gewürdigt worden, dass er sich inzwischen positiv weiterentwickelt habe und durch die Haft geläutert und beeindruckt worden sei.
Die Staatsanwaltschaft Bochum hat unter dem 30.11.1998 ebenfalls sofortige Beschwerde gegen den oben genannten Beschluss eingelegt und zur Begründung auf die Beschwerdebegründung des Verteidigers des Verurteilten vom 23.11.1998 Bezug genommen.
Die Generalstaatsanwaltschaft ist der sofortigen Beschwerde der Staatsanwaltschaft Bochum nicht beigetreten. Sie hat beantragt, die sofortigen Beschwerden als unbegründet zu verwerfen.
Die sofortigen Beschwerden des Verurteilten und der Staatsanwaltschaft Bochum sind gemäß § 454 Abs. 3 StPO, § 57 Abs. 2 StGB zulässig. Sie haben aber in der Sache keinen Erfolg, sondern waren als unbegründet zu verwerfen. Insoweit nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Beschlusses, der eine umfassende und sorgfältige Abwägung aller hier wesentlichen Umstände enthält und mit dem zu Recht eine Entlassung des Verurteilten nach Verbüßung der Hälfte der gegen verhängten Gesamtfreiheitsstrafe abgelehnt worden ist, Bezug.
Die Ausführungen in der Beschwerdebegründung vom 23.11.1998 vermögen eine für den Verurteilten günstigere Beurteilung nicht zu rechtfertigen.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Stellungnahme vom 14.12.1998 unter anderem folgendes ausgeführt:
"Die Strafvollstreckungskammer hat zu Recht eine bedingte Entlassung des Verurteilten nach Verbüßung der Hälfte der erkannten Freiheitsstrafe abgelehnt. Das Ergebnis der gemäß § 57 Abs. 2 Nr. 2 StGB vorzunehmenden Gesamtwürdigung durch die Strafvollstreckungskammer dahingehend, dass besondere Umstände im Sinne dieser Vorschrift nicht vorliegen, ist nicht zu beanstanden.
Wegen der zahlreichen gesetzlichen Möglichkeiten, von der Vollstreckung der Freiheitsstrafe abzusehen, ist eine positive Gesamtwürdigung im Sinne der vorgenannten Vorschrift, die das Gericht nach sachgemäßem Ermessen auszuüben hat, weiterhin als Ausnahme anzusehen (zu vgl. Tröndle, StGB, 48. Auflage, § 57 Rdnr. 9 m.w.N.; Leipziger Kommentar-Gribbohm, StGB, 10. Auflage, § 57 Rdnr. 19 m.w.N.). Beabsichtigt war nach dem Willen des Gesetzgebers nur eine behutsame Erweiterung der Aussetzungsmöglichkeiten; insbesondere ist es nicht angängig, die Rechtsprechung zu § 56 Abs. 2 StGB auf § 57 Abs. 2 Nr. 2 StGB zu übertragen (zu vgl. Tröndle, a.a.O., Rdnr. 9 f m.w.N.). Vielmehr hat das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen und unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Strafe, einschließlich der Verteidigung der Rechtsordnung, die erforderliche Gesamtwürdigung vorzunehmen, wobei auch Milderungsgründe zu berücksichtigen sind, die bereits bei der Strafzumessung zugunsten des Verurteilten gewertet worden sind (zu vgl. Tröndle, a.a.O.; Leipziger Kommentar- Gribbohm a.a.O.).
Die Strafvollstreckungskammer hat unter Berücksichtigung dieser Erwägungen in der angefochtenen Entscheidung sehr wohl die von dem Verurteilten vorgebrachten Gründe, die für die Annahme besonderer Umstände im Sinne des § 57 Abs. 2 Nr. 2 StGB sprechen könnten, bedacht, jedoch gleichwohl - ermessensfehlerfrei - besondere Umstände im vorgenannten Sinne nicht finden können. Dass die Strafvollstreckungskammer insbesondere Gewicht auf den hinsichtlich des Vorwurfs der Bestechung langen Tatzeitraum sowie die ganz erhebliche Zuwendungen gelegt hat, ist unter allgemein und speziell generalpräventiven Gesichtspunkten, die auch im Rahmen der gemäß § 57 Abs. 2 StGB zu treffenden Entscheidung von Bedeutung sind, nicht zu beanstanden.
Korruption verletzt die Grundwerte des demokratischen und sozialen Rechtsstaates und stellt insbesondere auch eine Gefahr für die Geschäftsmoral und die Grundlagen der Marktwirtschaft dar. Der Erhaltung und Stärkung des Vertrauens in die Bestands- und Durchsetzungskraft der Rechtsordnung als positiven Aspekt der Generalprävention hat die Strafvollstreckungskammer zu Recht im vorliegenden Fall Bedeutung beigemessen und demgemäss jedenfalls derzeit - dem positiv zu bewertenden Nachtatverhalten des Verurteilten (Geständnis und beanstandungsfreie Führung im Vollzug) allein bei der Gesamtwürdigung von Tat, Persönlichkeit des Verurteilten und seiner Entwicklung während des Strafvollzugs die Bedeutung besonderer Umstände nicht beizumessen vermocht.
Der Hinweis in dem Beschwerdevorbringen, die Strafvollstreckungskammer habe das Urteil des Landgerichts Bochum vom 08.10.1997 falsch interpretiert, geht fehl. Der Schluss der Strafvollstreckungskammer, dass sich der Verurteilte zielgerichtet des vorgefundenen Systems (der Korruption) zum Vorteil der von ihm vertretenen Firma und auch zum eigenen Vorteil bedient hat, ergibt sich zwanglos aus den Urteilsgründen. Die Initiative ging in jedem der rechtskräftig festgestellten Taten von Seiten des Verurteilten aus (UA 6 hinsichtlich der Bestechung des Mitangeklagten Schnabel, UA 9 hinsichtlich der Vorteilsgewährung an den Mitangeklagten Strunk und UA 11 hinsichtlich der Zuwendungen an den gesondert verfolgten Georg Kortenbruck). Auch ist festgestellt, dass der Verurteilte - zumindest auch - gehandelt hat, um sich eigene Vorteile zu verschaffen, weil er an der Firma H. gewinnbeteiligt war (UA 14). Dem mit der Beschwerdebegründung vorgetragenen Umstand, dass der Verurteilte seit Anfang 1988 mit Ausnahme eines Betrages von netto 27.000,00 DM im Jahre 1992 keinerlei Gewinnausschüttungen zur freien Verfügung erhalten hat, sondern diese als langfristige Gesellschafterdarlehen reinvestiert worden sind, lässt eine Kennzeichnung der von dem Verurteilten mit den Taten verfolgten Zwecke als "uneigennützig" nicht zu, da der Verurteilte nach den Feststellungen in dem Urteil des Landgerichts Bochum vom 08.10.1997 nach dem Tod des alten Firmeninhabers der Firma H. 36 % der Geschäftsanteile erbte und mit 8 % am Unternehmensgewinn beteiligt wurde (UA 3).
Soweit mit der Beschwerde eine von der tatrichterlichen Wertung abweichende Bewertung vorgenommen wird, kann darauf die Annahme besonderer Umstände im Sinne des § 57 Abs. 2 Nr. 2 StGB nicht gestützt werden (zu vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 24.11.1989 - 2 Ws 606/89 - m.w.N.).
Insbesondere ist es auch - entgegen dem Beschwerdevorbringen nicht zu beanstanden, wenn die Strafvollstreckungskammer unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Strafe, einschließlich der Verteidigung der Rechtsordnung berücksichtigt hat, dass der Verurteilte durch die von ihm begangenen Taten in maßgeblicher Weise dazu beitragen hat, dass das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Unbestechlichkeit der im öffentlichen Dienst Beschäftigten erheblich beeinträchtigt wurde. Dass den besonderen Umständen in der Tat ein geringeres und im besonderen Umständen in der Persönlichkeit des Täters ein größeres Gewicht mit zunehmender Strafverbüßung beizumessen ist (zu vgl. OLG Stuttgart, StV 1995, 261), vermag - jedenfalls derzeit - eine andere Bewertung nicht zu rechtfertigen. In der gebotenen Gesamtschau sind jedenfalls keine Umstände von Gewicht festzustellen, die nur eine Halbstrafenverbüßung angezeigt erscheinen lassen."
Diesen Ausführungen schließt sich der Senat an und macht sie zum Gegenstand seiner Entscheidung.
Die Kostenentscheidungen folgen aus § 473 Abs. 1 StPO.
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