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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 4 Ss OWi 1501/98 OLG Hamm

Leitsatz: 1. Zum Umfang der erforderlichen Feststellungen bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung.
2. Zur rechtsfehlerhaften Ablehnung eines Beweisantrags, mit dem die Vernehmung des Arbeitgebers des Betroffenen zur Frage des drohenden Verlustes des Arbeitsplatzes bei Verhängung eines Fahrverbots beantragt.

Senat: 4

Gegenstand: OWi

Stichworte: Geschwindigkeitsüberschreitung, Fahrverbot, besondere berufliche Härte, Messverfahren, Toleranzwert, drohender Verlust des Arbeitsplatzes, Beweisantrag

Normen: StVO 3, StVG 25, BKatV 2. StPO 244

Beschluss: Bußgeldsache gegen I.G.,
wegen fahrlässiger Geschwindigkeitsüberschreitung außerorts.

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Rheine vom 12. August 1998 hat der 4. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 28.01.1999 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft und des Betroffenen bzw. seines Verteidigers
beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Rheine zurückverwiesen.

Gründe:
I. Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen "fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb einer geschlossenen Ortschaft von 70 km/h um 24 km/h gem. §§ 41 II, 49 StVO sowie mit § 24 StVG" zu einer Geldbuße von 150,00 DM verurteilt. Zugleich hat es dem Betroffenen für die Dauer von einem Monat untersagt, Kraftfahrzeuge im öffentlichen Verkehr zu führen, und insoweit die Wirksamkeitsanordnung gemäß § 25 Abs. 2 a StVG getroffen. Mit dem dem Verfahren zugrundeliegenden Bußgeldbescheid der Landrätin des Kreises Steinfurt vom 2.Februar 1998 war ein Bußgeld in Höhe von 120,00 DM (ohne Fahrverbot) festgesetzt worden.

Zu den rechtskräftigen verkehrsrechtlichen Vorbelastungen des Betroffenen hat das Amtsgericht festgestellt, dass gegen ihn im Jahr 1994 wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung um 34 km/h außerorts eine Geldbuße von 150,00 DM, im Jahr 1995 wegen Nichtbeachtens des Rotlichts einer Lichtzeichenanlage bei einer Rotphase von mehr als einer Sekunde Dauer unter Absehen von der Anordnung eines Fahrverbotes eine Geldbuße von 500,00 DM und durch den seit dem 3. September 1996 rechtskräftigen Bußgeldbescheid des Regierungspräsidiums in Kassel wegen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 120 km/h um 28 km/h eine Geldbuße in Höhe von 100,00 DM festgesetzt worden ist.

Zur Sache hat das Amtsgericht festgestellt, dass der Betroffene am 6. Oktober 1997 als Führer des Pkw Audi, amtliches Kennzeichen HN-N 510, in Rheine-Mesum die Bundesstraße B 481 in Fahrtrichtung Emsdetten befahren hat. Dort ist die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf 70 km/h begrenzt. Weiter lässt sich dem angefochtenen Urteil aufgrund der Ausführungen zur Beweiswürdigung noch hinreichend entnehmen, dass das Fahrzeug des Betroffenen durch eine dort aufgestellte stationäre Geschwindigkeitsmeßanlage gemessen worden und der Fotomechanismus ausgelöst worden ist. Aus dem Tenor der angefochtenen Entscheidung und den Ausführungen zu den Rechtsfolgen ergibt sich, dass das Amtsgericht der Entscheidung eine fahrlässig begangene Geschwindigkeitsüberschreitung von 24 km/h zugrundegelegt hat.

Gegen dieses Urteil hat der Betroffene form- und fristgerecht Rechtsbeschwerde eingelegt und die Rechtsbeschwerde sodann ordnungsgemäß mit der Verletzung formellen Rechts und der allgemein erhobenen Sachrüge begründet. Er begehrt die Aufhebung des angefochtenen Urteils und die Zurückverweisung der Sache an eine andere Abteilung des Amtsgerichts.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Rechtsbeschwerde als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen.

II. Die zulässige Rechtsbeschwerde des Betroffenen hat schon mit der Sachrüge einen zumindest vorläufigen Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht Rheine.

Die getroffenen Feststellungen tragen die Verurteilung wegen einer fahrlässig begangenen Geschwindigkeitsüberschreitung nicht. Dem angefochtenen Urteil ist zwar noch hinreichend zu entnehmen, dass die Geschwindigkeitsmessung mittels eines standardisierten Messverfahrens - wie etwa einer Anlage vom Typ Traffiphot oder Truvelo - erfolgt ist. Nach einhelliger Rechtsprechung (vgl. BGH NJW 1998, 321, 322; BGH NJW 1993, 3081, 3083 f;) muss das tatrichterliche Urteil bei Feststellung einer Geschwindigkeitsüberschreitung durch ein standardisiertes Messverfahren jedoch nicht nur angeben, welches Messverfahren angewendet wurde, sondern auch, welcher Toleranzwert zur Kompensation möglicher Meßungenauigkeiten in Abzug gebracht worden ist. Diese Angaben sind erforderlich, damit eine ausreichende Grundlage für eine Überprüfung der tatrichterlichen Beweiswürdigung besteht. Das gilt erst recht, wenn - wie vorliegend - die festgestellte Geschwindigkeitsüberschreitung nicht auf einem Geständnis des Betroffenen beruht, sondern vielmehr konkrete Einwendungen gegen die Ordnungsgemäßheit der Messung erhoben worden sind. Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil nicht gerecht, weil nicht erkennbar ist, ob und ggfls. welcher Toleranzwert von welchem Meßwert in Abzug gebracht worden ist.
Schon danach unterliegt das angefochtene Urteil insgesamt der Aufhebung.

Darüberhinaus ist auch die in zulässiger Weise erhobene und auf die verfahrensfehlerhafte Ablehnung des Beweisantrages auf Vernehmung des Zeugen S.l gestützte Verfahrensrüge begründet. In der Hauptverhandlung hatte der Verteidiger des Betroffenen u.a. beantragt, den Zeugen Rainer S. dazu zu vernehmen, dass die Verhängung eines auch nur einen Monat dauernden Fahrverbotes gegenüber dem Betroffenen für diesen katastrophale berufliche Auswirkungen hätte, weil der Betroffene in diesem Fall mit Maßnahmen bis hin zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses rechnen müsse. Diesen Beweisantrag hat das Amtsgericht mit folgender Begründung zurückgewiesen:

"Soweit die Vernehmung des Zeugen Steuernagel b. wird, ist dies unerheblich.
Der Betroffene kann selbst durch Einspruchsrücknahme das mögliche Fahrverbot vermeiden."

Diese Behandlung des Beweisantrages begegnet - wie die Rechtsbeschwerde zu Recht geltend macht - durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Die Anordnung eines Fahrverbotes darf nicht eine unangemessene Reaktion auf objektiv verwirklichtes Unrecht und subjektiv vorwerfbares Verhalten darstellen (BVerfG, DAR 1996, 196, 198). Demgemäss ist allgemein anerkannt, dass selbst in den Fällen, in denen regelmäßig die Anordnung eines Fahrverbotes vorgesehen ist (§25 Abs. 1 Satz 2 StVG, § 2 Abs. 1, Abs. 2 BKatV), der Richter nicht von der Pflicht entbunden ist, bei der Anordnung eines Fahrverbotes dem Schuldprinzip (Art. 1 Abs.1 und Art. 20 Abs. 3 GG) und dem Verhältnismäßigkeitsprinzip (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG) durch eine Gesamtwürdigung zu entsprechen, in die alle Umstände der Tat und die Sanktionsempfindlichkeit des Betroffenen einzustellen sind (vgl. BVerfGE 90, 145, 173; BVerfG DAR 1996, 196, 197). Können danach in den Fällen des § 24 a StVG nur Härten ganz außergewöhnlicher Art oder sonstige, das äußere und innere Tatbild beherrschende außergewöhnliche Umstände ein Absehen von der Verhängung eines Fahrverbotes rechtfertigen (vgl. Jagusch/Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 34. Auflage, § 25 StVG Rdnr. 15 a m.w.Nachw.), so reichen selbst in den Regelfällen des § 2 Abs. 1 und 2 BKatV möglicherweise schon erhebliche Härten oder eine Vielzahl für sich genommen gewöhnlicher und durchschnittlicher Umstände aus, um eine Ausnahme von der Verhängung eines Fahrverbotes begründen zu können. Weiter ist anerkannt, dass eine ungewöhnliche Härte insbesondere im Verlust des Arbeitsplatzes bestehen kann. Der mögliche Verlust des Arbeitsplatzes ist somit ein Umstand, der bei der erforderlichen Abwägung, ob ein Fahrverbot zu verhängen ist, schlechterdings nicht unerheblich sein kann, sondern zwingend in die Abwägung einzustellen ist. Die Zurückweisung des Beweisantrages "als unerheblich" war somit fehlerhaft. Auf diesem Verfahrensverstoß beruht die Rechtsfolgenentscheidung des angefochtenen Urteils.

Der Senat hat keine Notwendigkeit gesehen, das vorliegende Verfahren entsprechend dem nicht näher begründeten Antrag des Verteidigers ausnahmsweise an eine andere Abteilung des Amtsgerichts zurückzuverweisen.

Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass der Bußgeldkatalog für eine fahrlässige Geschwindigkeitsüberschreitung um 21 km/h bis 25 km/h außerorts eine Regelbuße von 80,00 DM und nicht von 100,00 DM vorsieht.


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