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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 4 Ws 723/98 OLG Hamm

Leitsatz: Die Verhängung eines Ordnungsmittels wegen Ungebühr setzt schuldhaftes Handeln voraus. E ist grds. rechtliches Gehör zu gewähren.

Senat: 4

Gegenstand: Beschwerde

Stichworte: betrunkener Angeklagter, Begründung des Beschlusses, inhaltliche Anforderungen, Ordnungsmittel wegen Ungebühr, rechtliches Gehör, Schuld

Normen: GVG 176, GVG 181

Beschluss: Strafsache gegen F.L.,
wegen gefährlicher Körperverletzung,
(hier: Ordnungsmittel wegen Ungebühr).

Auf die sofortige Beschwerde des Angeklagten vom 19. November 1998 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Rheine vom 2. November 1998 hat der 4. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 17.12.1998 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht und die Richter am Oberlandesgericht und nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Angeklagten insoweit erwachsenen notwendigen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt.

Gründe:
Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht gegen den im Hauptverhandlungstermin vom 2. November 1998 "völlig betrunken erschienenen Angeklagten" ein Ordnungsgeld in Höhe von 300,- DM festgesetzt. Die hiergegen gerichtete (sofortige) Beschwerde des Angeklagten hat Erfolg.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Stellungnahme vom 7. Dezember 1998 hierzu ausgeführt:

"Die gemäß § 181 GVG statthafte und fristgemäß eingelegte Beschwerde ist zulässig und begründet. Die Beschwerdefrist des § 181 Abs. 1 GVG beginnt mit der Verkündung des Beschlusses, wenn die Entscheidung in Anwesenheit der betroffenen Person ergangen ist, in anderen Fällen mit der Zustellung (§§ 35, 311 StPO). Danach wäre die am 20.11.1998 beim Amtsgericht Rheine eingegangene Beschwerde verspätet. Der Abwesenheit steht es jedoch gleich, wenn der körperlich anwesende Betroffene infolge geistiger oder körperlicher Gebrechen oder Erregung die Tatsache der Bestrafung nicht wahrgenommen hat (Löwe-Rosenberg, 24. Aufl., § 181 GVG Rdn. 7). Aufgrund des alkoholisierten Zustandes des Angeklagten kann nicht ausgeschlossen werden, dass dieser den Erlass des Ordnungsmittelbeschlusses nicht wahrgenommen hat, so dass hier die Wochenfrist mit der Zustellung des Beschlusses am 17.11.1998 begann. Die Beschwerde ist somit rechtzeitig.

Nach § 178 Abs. 1 GVG kann das Gericht gegen einen Beschuldigten Ordnungsgeld bis 2.000,00 DM oder Ordnungshaft bis zu einer Woche festsetzen, wenn er sich in der Sitzung des Gerichts einer Ungebühr schuldig gemacht hat. Anerkannt ist, dass das Erscheinen eines Angeklagten zu einem Hauptverhandlungstermin in angetrunkenem Zustand eine grobe Verletzung der dem Gericht geschuldeten Achtung, mithin eine Ungebühr im Sinne von § 179 GVG, bedeutet (Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 43. Aufl., § 178 GVG Rdn. 2 m.w.N.).

Der angefochtene Beschluss ist jedoch aufzuheben, da weder er noch das Hauptverhandlungsprotokoll vom 02.11.1998 eine ausreichende Begründung für das verhängte Ordnungsmittel enthalten. Dem angefochtenen Beschluss ist nicht zu entnehmen, wie das Amtsgericht zu der Erkenntnis gelangte, der Angeklagte sei "völlig betrunken" zum Hauptverhandlungstermin am 02.11.1998 erschienen.

Der spätere Vermerk des Amtsrichters vom 20.11.1998 (Bl. 66 R d.A.) kann vom Senat insoweit nicht verwertet werden (zu vgl. OLG Hamm, NJW 1969, 1919, 1920).

Insbesondere enthält der angefochtene Beschluss über die subjektive Seite keinerlei Angaben. Die Verhängung der in § 178 GVG vorgesehenen Ordnungsmittel kommt aber nur in Betracht, wenn die Ungebühr schuldhaft ist (zu vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 43. Aufl., § 178 GVG Rdn. 4 m.w.N.). Die vom Beschwerdegericht vorzunehmende volle Nachprüfung des Ordnungsmittelbeschlusses in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht ist hier mangels ausreichender Feststellungen nicht möglich. Bereits aus diesem Grunde ist der Beschluss aufzuheben.
Ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls steht fest, dass vor Erlass des Beschlusses dem Angeklagten kein rechtliches Gehör gewährt worden ist. Dieses muss grundsätzlich auch vor Verhängung von Ordnungsmitteln gewährt werden (Löwe-Rosenberg, StPO, 24. Aufl., § 178 Rdn. 34 m.w.N.).

Nur in seltenen Ausnahmefällen kann das Gericht von der Gewährung rechtlichen Gehörs absehen, wenn nämlich der äußere Tathergang und auch der Ungebührwille außer jeden Zweifel steht, wie z.B. bei gröberen unflätigen Beleidigungen, und eine Anhörung nicht zur Klärung des Falles beitragen kann, sondern nach dem bisherigen Verhalten des Angeklagten bei Gewährung rechtlichen Gehörs mit weiteren groben Ausfällen gerechnet werden muss (Löwe-Rosenberg, StPO, 24. Aufl., § 178 GVG, Nr. 135). Rechtliches Gehör erübrigt sich auch, wenn der Täter wegen seines angetrunkenen Zustandes überhaupt nicht ansprechbar ist (Löwe-Rosenberg, a.a.O.).

Von einem solchen Ausnahmefall kann vorliegend jedoch nicht ohne Weiteres ausgegangen werden. Da das Amtsgericht den Zustand des Angeklagten lediglich mit dem relativ unbestimmten Begriff "völlig betrunken" bezeichnet hat, lässt sich nicht sicher feststellen, ob der Angeklagte tatsächlich nicht mehr ansprechbar war. Auch insoweit hätte es weiterer Ausführungen des Amtsgerichts bedurft.

Der in der Nichtgewährung rechtlichen Gehörs liegende Mangel kann nachträglich nicht dadurch geheilt werden, dass der Angeklagte in der Beschwerdeinstanz Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten hat. Dieses ergibt sich aus der besonderen Eigenart des Ordnungsmittelverfahrens (zu vgl. OLG Hamm, JMBl NW 1977, 131). Eine Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht zur Nachholung des rechtlichen Gehörs ist nicht möglich, weil mit Beendigung der Hauptverhandlung die sitzungspolizeilichen Befugnisse erloschen sind (OLG Hamm, a.a.O.). Demgemäss ist der angefochtene Beschluss aufzuheben."

Diesen zutreffenden Ausführungen tritt der Senat bei.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 467, 473 StPO.


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