Aktenzeichen: 3 Ss OWi 1371/98 OLG Hamm
Leitsatz: Zur Unterbrechung der Verfolgungsverjährung durch Übersendung eines Anhördungsbogens
Senat: 3
Gegenstand: OWi
Stichworte: Anhörung, Absendung des Anhörungsbogens, Fahrverbot, Geschwindigkeitsüberschreitung, Tilgung, Unterbrechung der Verjährung, Zugang des Anhörungsbogens
Normen: OWiG 33 Abs. 1 OWiG, StVZO 13 a Abs. 2 StVZO
Beschluss: Bußgeldsache gegen G.W.,
wegen Verkehrsordnungswidrigkeit.
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Herford vom 5. August 1998 hat der 3. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 15.12.1998 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und die Richterin am Landgericht nach Anhörung bzw. auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft einstimmig beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde wird auf Kosten des Betroffenen als unbegründet verworfen.
Gründe:
I. Der Betroffene wurde durch Urteil des Amtsgerichts Herford vom 5.8.1998 wegen einer fahrlässigen Geschwindigkeitsüberschreitung gem. §§ 24 StVG, 41 Abs. 2, 49 StVO zu einer Geldbuße in Höhe von 125,00 DM verurteilt.
Außerdem wurde gegen den Betroffenen ein Fahrverbot für die Dauer eines Monats verhängt.
Nach den getroffenen Feststellungen hat der Betroffene am 17.3.1997 gegen 17.15 Uhr auf der B 61 in Löhne außerhalb geschlossener Ortschaft mit dem von ihm geführten Pkw VW Golf die dort durch Verkehrszeichen angeordnete Geschwindigkeitsbegrenzung auf 80 km/h um 29 km/h überschritten. Die Geschwindigkeitsmessung erfolgte durch ein stationäres Meßgerät des Typs Traffiphot-S. Zur Ermittlung der Geschwindigkeitsüberschreitung wurde von der von diesem Gerät gemessenen Geschwindigkeit von 113 km/h ein Toleranzwert in Höhe von 4 km/h in Abzug gebracht.
Das Amtsgericht hat die Auffassung vertreten, dass die Verfolgung der dem Betroffenen zur Last gelegten Ordnungswidrigkeit nicht gem. § 26 Abs. 3 StVG verjährt sei. Zur Begründung hat es ausgeführt, zwischen der Tat des Betroffenen am 17.3.1997 und dem Erlass des Bußgeldbescheides am 11.7.1997 lägen zwar mehr als 3 Monate. Die Verjährung sei jedoch gem. § 33 Abs. 1 Nr. 1 OWiG durch die am 12.6.1997 erfolgte Anordnung, dass dem Betroffenen die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens durch Zusendung eines Anhörungsbogens bekanntzugeben sei, unterbrochen worden. Ausweislich der Verfügung des Straßenverkehrsamtes des Kreises Herford vom 12.6.1997 sei am selben Tag gegen den Betroffenen ein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden. Dem Straßenverkehrsamt des Kreises Herford sei am 12.6.1997 von dem Kreis Gütersloh aufgrund eines Vergleichs der Meßfotos und des Fotos in dem Bundespersonalausweis des Betroffenen mitgeteilt worden, dass es sich nach dortiger Auffassung bei dem Betroffenen um den auf den Meßfotos abgebildeten Fahrer handele. Am gleichen Tage sei durch den Sachbearbeiter des Straßenverkehrsamtes des Kreises Herford die Zusendung eines Anhörungsbogens an den Betroffenen dadurch angeordnet worden, dass dem Vorgang ein neues Aktenzeichen zugeordnet und neben diesem ein großes rotes "A" vermerkt worden sei. Nach der telefonisch eingeholten Auskunft der Mitarbeiterin des Straßenverkehrsamtes Frau P. gelte dort die allgemeine Anweisung, dass ein solches rotes "A" neben einem neuen Aktenzeichen bedeute, dass ein Anhörungsbogen zu versenden sei. Diese Auskunft stehe auch im Einklang damit, dass auf dem Bußgeldbescheid vom 11.7.1997 für die Absendung des Anhörungsbogens ebenfalls das Datum des 12.6.1997 vermerkt sei.
Nach Erlass des Bußgeldbescheides sei die Verjährung jeweils vor Ablauf von 6 Monaten rechtzeitig unterbrochen worden, und zwar zunächst durch den Eingang der Akten beim Amtsgericht gem. § 33 Abs. 1 Nr. 10 OWiG und in der Folgezeit jeweils durch die Anberaumung von Hauptverhandlungsterminen.
Seine Überzeugung, dass der Betroffene der Führer des zur Tatzeit gemessenen Fahrzeugs gewesen sei, hat das Amtsgericht unter näheren Ausführungen damit begründet, der Betroffene sei mit der als Fahrzeugführer abgebildeten Person auf den Lichtbildern, Bl. 6 der Akte, auf die Bezug genommen werde, identisch.
Der Amtsrichter ist aufgrund der getroffenen Feststellungen von einer fahrlässigen Geschwindigkeitsüberschreitung durch den Betroffenen ausgegangen und hat gegen ihn eine Geldbuße in Höhe von 125,00 DM sowie ein Fahrverbot für die Dauer von einem Monat verhängt. Zur Begründung hat der Amtsrichter ausgeführt, für eine Geschwindigkeitsüberschreitung außerhalb geschlossener Ortschaften in der hier festgestellten Höhe von 29 km/h sehe § 1 Abs. 1, Abs. 2 Bußgeldkatalogverordnung in Verbindung mit Nr. 5.3 des Bußgeldkatalogs in Verbindung mit der Tabelle 1a (5.3.2) eine Regelgeldbuße von 100,00 DM vor. Bei ansonsten gewöhnlichen und nicht vom Durchschnittsfall abweichenden Tatumständen sei allerdings zu Lasten des Betroffenen dessen einschlägige Voreintragung zu bewerten. Im Verkehrszentralregister sei bezüglich des Betroffenen vermerkt, dass dieser mit Bußgeldbescheid vom 19.7.1996, rechtskräftig seit dem 7.8.1996, wegen einer von ihm am 8.5.1996 in Hamburg begangenen Geschwindigkeitsüberschreitung von 27 km/h innerhalb geschlossener Ortschaft mit einem Bußgeld in Höhe von 120,00 DM belegt worden sei. Bei den in dem Bußgeldkatalog genannten Regelsätzen seien etwaige Voreintragungen des Betroffenen im Verkehrszentralregister nicht berücksichtigt. Aufgrund der Voreintragung hielt das Amtsgericht hier eine Erhöhung des Regelsatzes von 100,00 DM auf insgesamt 125,00 DM für angemessen.
Die Anordnung des Fahrverbotes hat der Amtsrichter auf § 25 StVG in Verbindung mit § 2 Abs. 2 Bußgeldkatalogverordnung gestützt und dazu ausgeführt, der Betroffene habe unter grober Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers eine Verkehrsordnungswidrigkeit nach § 24 StVG begangen. Nach § 2 Abs. 2 Bußgeldkatalogverordnung, komme ein Fahrverbot in der Regel in Betracht, wenn gegen den Führer eines Kraftfahrzeuges wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung von mindestens 26 km/h bereits eine Geldbuße festgesetzt worden sei und er innerhalb eines Jahres ab Rechtskraft der Entscheidung eine weitere Geschwindigkeitsüberschreitung von mindestens 26 km/h begehe. Diese Voraussetzungen seien hier gegeben. Anhaltspunkte für das Vorliegen von Umständen, die ausnahmsweise das Absehen von der Verhängung eines Fahrverbotes rechtfertigen könnten, seien nicht ersichtlich gewesen und von dem Betroffenen auch nicht dargetan worden. Schließlich hat das Amtsgericht ausgeführt, die "Besinnungs- und Denkzettelfunktion" des Fahrverbotes könne nach seiner Überzeugung auch nicht allein durch eine Geldbuße erreicht werden. Unter Abwägung aller Umstände erscheine nur ein Fahrverbot geeignet, auf den Betroffenen derart einzuwirken, dass er zukünftig keine Verkehrsverstöße mehr begehen werde.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit der er unter näheren Ausführungen die Verletzung materiellen Rechts rügt.
II. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, hat in der Sache hat aber keinen Erfolg.
1. Entgegen der in der Rechtsbeschwerdebegründung vertretenen Ansicht ist hier die dreimonatige Verjährungsfrist vor Erlass des Bußgeldbescheides rechtzeitig am 12.6.1997 durch die Anordnung der Absendung eines Anhörungsbogens an den Betroffenen, die gleichzeitig die Anordnung der Bekanntgabe der Einleitung des Ermittlungsverfahrens gem. § 33 Abs. 1 Nr. 1 OWiG beinhaltete, unterbrochen worden. dass eine entsprechende Anordnung am 12.6.1996 durch das Straßenverkehrsamt des Kreises Herford erfolgt ist, ergibt sich aus dem in roter Schrift geschriebenen großen "A" über dem Aktenzeichen betreffend das Ermittlungsverfahren gegen den Betroffenen auf Bl. 11 der Akte in Verbindung mit der in den Urteilsgründen wiedergegebenen Auskunft der beim Straßenverkehrsamt des Kreises Herford tätigen Sachbearbeiterin Frau P.. Insoweit kann zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen des Amtsgerichts in dem angefochtenen Urteil verwiesen werden. Angesichts der Tatsache, dass sowohl die Gesprächsnotiz vom 12.6.1997 auf Bl. 11 der Akte als auch die auf dem selben Blatt unter dieser Notiz befindliche Verfügung vom 12.6.1997 über die Einleitung des Ermittlungsverfahrens gegen den Betroffenen von demselben Sachbearbeiter des Straßenverkehrsamtes des Kreises Herford unterschrieben worden sind und dieser in seiner Verfügung ausdrücklich auf das oben auf Bl. 11 der Akte angegebene Aktenzeichen Bezug genommen hat, ist davon auszugehen, dass auch die Vergabe dieses Aktenzeichens für das Ermittlungsverfahren gegen den Betroffenen und die Hinzufügung des Buchstabens "A" in roter Schrift durch diesen Sachbearbeiter, und zwar ebenfalls am 12.6.1997 erfolgt sind. Entgegen der Ansicht des Rechtsbeschwerdeführers richtete sich die Anordnung der Übersendung eines Anhörungsbogens vom 12.6.1997 auch bereits gegen eine bestimmte Person, nämlich gegen den der Verwaltungsbehörde zu diesem Zeitpunkt bereits namentlich bekannten Betroffenen, den sie als Täter der von ihr festgestellten Ordnungswidrigkeit ansah. Die angeordnete Maßnahme war daher auch geeignet, die Verjährung zu unterbrechen (vgl. BGHSt 42, 283). Da bereits die Anordnung der Versendung des Anhörungsbogens die Unterbrechung der Verjährung herbeiführte, kommt es nicht darauf an, ob der Anhörungsbogen den Betroffenen tatsächlich erreicht hat (vgl. BGHSt 25, 6; OLG Hamm VRS 74, 121; OLG Frankfurt ZfS 1991, 322).
Schließlich ist das Amtsgericht auch zu Recht davon ausgegangen, dass die ab Erlass des Bußgeldbescheides vom 11.7.1997 geltende sechsmonatige Verjährungsfrist des § 26 Abs. 3 StVG jeweils rechtzeitig unterbrochen worden ist, so dass eine Einstellung des Verfahrens gem. §§ 46 Abs. 1 OWiG, 206 a StPO wegen Vorliegens des Verfahrenshindernisses der Verfolgungsverjährung, wie es mit der Rechtsbeschwerdebegründung beantragt worden ist, hier nicht in Betracht kam.
2. Auch im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Beschwerderechtfertigung keine Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen ergeben.
Die getroffenen Feststellungen tragen die Verurteilung wegen einer fahrlässigen Geschwindigkeitsüberschreitung nach §§ 41, 49 StVO in Verbindung mit § 24 StVG.
Hinsichtlich der festgestellten Geschwindigkeitsüberschreitung genügt das Urteil den Anforderungen, die die obergerichtliche Rechtsprechung an die Darstellung von Geschwindigkeitsüberschreitungen stellt, die mit Hilfe standardisierter technischer Messverfahren festgestellt worden sind (vgl. BGH NZV 1993, 485; OLG Hamm, Senatsbeschluss vom 30.1.1996 - 3 Ss OWi 1491/95; OLG Köln NZV 1994, 78). Auch die Darlegung der Beweiswürdigung zur Identifizierung des Betroffenen anhand der bei der Verkehrsüberwachungsmaßnahme gefertigten Beweisfotos erfüllt die Anforderungen der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (vgl. BGH NZV 1996, 157). Bedenken gegen die Geeignetheit der Beweisfotos zur Identifizierung des Betroffenen, die der Senat hier aufgrund der Verweisung des Tatrichters auf die Fotos gem. § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO aus eigener Anschauung überprüfen konnte, haben sich nicht ergeben.
Auch der Rechtsfolgenausspruch hält einer rechtlichen Überprüfung stand. Entgegen der Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft vom 16.11.1998 war die durch den Amtsrichter zu Lasten des Betroffenen berücksichtigte Voreintragung in dem Verkehrszentralregister zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Urteils noch nicht tilgungsreif, so dass die Verwertung dieser Voreintragung sowohl bei der Bemessung der Bußgeldhöhe als auch bei der Verhängung des Fahrverbotes nicht zu beanstanden ist. Gem. § 13 a Abs. 2 Nr. 1 a StVZO beträgt die regelmäßige Tilgungsfrist bei Entscheidungen wegen einer Ordnungswidrigkeit 2 Jahre. Die Tilgungsfrist beginnt gem. § 13 a Abs. 1 Satz 4 StVZO bei gerichtlichen oder verwaltungsbehördlichen Bußgeldentscheidungen mit dem Tag der Rechtskraft oder Unanfechtbarkeit der Entscheidung. Nach den Feststellungen des Amtsgerichts wurde der Bußgeldbescheid vom 19.7.1996, der Gegenstand der Voreintragung des Betroffenen im Verkehrszentralregister ist, am 7.8.1996 rechtskräftig. Die zweijährige Tilgungsfrist war daher zum Zeitpunkt der letzten tatrichterlichen Verhandlung am 5.8.1998 noch nicht abgelaufen, sondern endete erst am 6.8.1998. Der Amtsrichter hat daher zu Recht unter Berücksichtigung der Voreintragung das vorliegen der Voraussetzungen für die Verhängung des Regelfahrverbotes gem. § 25 StVG in Verbindung mit § 2 Abs. 2 Bußgeldkatalogverordnung bejaht. Die Bewertung des Amtsgerichts, unter Abwägung aller Umstände erscheine nur ein Fahrverbot geeignet, auf den Betroffenen derart einzuwirken, dass er zukünftig keine Verkehrsverstöße mehr begehen wird, ist schließlich ebensowenig zu beanstanden wie die unter Berücksichtigung der Voreintragung vorgenommene maßvolle Erhöhung der für einen Geschwindigkeitsverstoß in dem festgestellten Umfang vorgesehenen Regelgeldbuße von 100,00 DM auf 125,00 DM.
Die Rechtsbeschwerde war daher mit der Kostenfolge aus § 473 Abs. 1 StPO in Verbindung mit § 46 Abs. 1 OWiG über den Antrag der Generalstaatsanwaltschaft hinaus - diese hatte eine Herabsetzung der Geldbuße auf 100,-- DM und eine Verwerfung der Rechtsbeschwerde im Übrigen beantragt - insgesamt als unbegründet zu verwerfen.
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