Aktenzeichen: 2 (s) Sbd. 5 - 64-65-66-67-68-69-70/98 OLG Hamm
Leitsatz: 1. Bei der Gewährung eines - ausnahmsweise - zu bewilligenden Vorschusses auf eine demnächst gem. § 99 BRAGO zu gewährende Pauschvergütung ist zu berücksichtigen, dass das nach der Rspr. des BVerfG dem Pflichtverteidiger zugunsten des Gemeinwohls auferlegte Sonderopfer nicht so groß werden darf, dass die finanziellen Einbußen des Rechtsanwalts unter Berücksichtigung der von ihm erbrachten Tätigkeiten unverhältnismäßig werden. Demgemäss ist eine Tageseinnahme von rund 115 bzw. 120 DM in einem Verfahren, in dem die Hauptverhandlung bereits mehr als ein Jahr dauert und der Pflichtverteidiger i.d.R. an drei Tagen/Woche zur Verfügung stehen musste, als unzumutbar angesehen worden.
2. Ist das Verfahren gegen den Mandanten endgültig erledigt, wird aber gegen andere Angeklagte noch fortgeführt, kann einem Pauschvergütungsanspruch des Verteidigers, der Pflichtverteidiger des ausgeschiedenen Angeklagten ist, nicht entgegengehalten werden, die Akten seien wegen der Fortführung des Verfahrens nicht entbehrlich. Zumindest ist diesem Pflichtverteidiger dann ein Vorschuss auf einem demnächst zu gewährende Pauschvergütung zu bewilligen.
Senat: 2
Gegenstand: Pauschvergütung
Stichworte: Pauschvergütung, Vorschuss, zahlreiche Hauptverhandlungstage, Rechtskraft, Akten nicht verfügbar
Normen: BRAGO 99
Fundstelle: AGS 1998, 142; Rpfleger 1998, 487; StV 1998, 617; AnwBl. 1998, 613
Beschluss: Strafsache gegen J.S. wegen Betruges u.a.(hier: Anträge auf Vorschuss auf eine Pauschvergütung und auf Pauschvergütung für die bestellten Verteidiger/innen).
Auf die Anträge
1. Rechtsanwalts K. vom 13. Januar 1998 auf Bewilligung eines Vorschusses auf eine demnächst zu bewilligende Pauschvergütung für die Verteidigung des Angeklagten J.S.,
2. des Rechtsanwalts F. vom 20. Januar 1998 auf Bewilligung eines Vorschusses auf eine demnächst zu bewilligende Pauschvergütung für die Verteidigung des Angeklagten L.,
3. der Rechtsanwältin V. vom 29. Januar 1998 auf Bewilligung eines Vorschusses auf eine demnächst zu bewilligende Pauschvergütung für die Verteidigung des Angeklagten L.,
4. des Rechtsanwalts H. vom 17. Januar 1998 auf Bewilligung eines Vorschusses auf eine demnächst zu bewilligende Pauschvergütung für die Verteidigung des Angeklagten T.,
5. der Rechtsanwältin A. vom 16. Januar 1998 auf Bewilligung eines Vorschusses auf eine demnächst zu bewilligende Pauschvergütung für die Verteidigung des Angeklagten T.,
6. des Rechtsanwalts S. vom 16. Januar 1998 auf Bewilligung einer Pauschvergütung für die Verteidigung der ehemaligen Angeklagten K.S.,
7. des Rechtsanwalts B. vom 12. Januar 1998 auf Bewilligung einer Pauschvergütung für die Verteidigung der ehemaligen Angeklagten K.S.
hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 10.06.1998 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht und die Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung des Leiters des Dezernats 10 der Verwaltungsabteilung des Oberlandesgerichts beschlossen:
Den Rechtsanwälten/Rechtsanwältinnen K., F., V., H. und A. wird - unter Zurückweisung ihrer weitergehenden Anträge - ein Vorschuss in Höhe von je 10.000,-- DM (in Worten: zehntausend Deutsche Mark) auf eine demnächst zu gewährende Pauschvergütung bewilligt, und zwar zusätzlich zu den bereits entstandenen und noch entstehenden gesetzlichen Gebühren.
Den Rechtsanwälten S. und B. wird - unter vorläufiger Zurückweisung ihrer weitergehenden Anträge - anstelle ihrer gesetzlichen Gebühren von 14.540,-- DM bzw. 14.160,-- DM eine Pauschvergütung von jeweils 25.000 (in Worten: fünfundzwanzigtausend Deutsche Mark) bewilligt. Eine abschließende Entscheidung über die weitergehenden Anträge wird erfolgen, wenn das Verfahren gegen alle Angeklagten abgeschlossen ist.
Gründe:
I. Bei dem vorliegenden Verfahren handelt es sich um ein Wirtschaftstrafverfahren. Das Verfahren richtete sich zunächst gegen 5 Angeklagte. Inzwischen wird es nur noch gegen 4 Angeklagte geführt. Das Verfahren gegen die ehemalige Angeklagte K. S. ist nach vorläufiger Einstellung gemäß § 153 a StPO am 14. November 1998 am 30. November 1998 endgültig eingestellt worden. Das Verfahren gegen die übrigen Angeklagten wird fortgeführt. Deshalb haben die Sachakten dem Senat nicht vorgelegen. Die Ausführungen zum Verfahren und zu den von den Antragstellern für ihre Mandanten erbrachten Tätigkeiten beruhen daher weitgehend auf der Stellungnahme des Leiters des Dezernats 10 der Verwaltungsabteilung des Oberlandesgerichts vom 14. Mai 1998, die den Antragstellern bekannt ist, sowie auch auf den Angaben, die die Antragsteller selbst zur Begründung ihrer Anträge gemacht haben.
Danach geht der Senat von folgendem aus:
In der 116-seitigen Anklage der Staatsanwaltschaft Essen wird den Angeklagten Betrug in Zusammenhang mit Warentermingeschäften in insgesamt 405 Fällen zur Last gelegt. Die Betrugstaten weichen von den sonst in der Regel in Zusammenhang mit Warentermingeschäften festzustellenden Fallgestaltungen insofern ab, als im vorliegenden Verfahren die von den Kunden hereingegebenen Gelder an den Börsen platziert worden sind. Dies macht in jedem Fall eine Auseinandersetzung mit den für die Kunden zum Zeitpunkt der Platzierung bestehenden Gewinn- und Verlustchancen erforderlich. An den einzelnen Betrugstaten waren die Angeklagten unterschiedlich beteiligt.
Eine erste Anklage hatte die Staatsanwaltschaft bereits Ende 1994 erhoben. Diese ist dann aber später, aus für den Senat derzeit nicht erkennbaren Gründen, zurückgenommen worden. Die zweite Anklage wurde 1996 erhoben.
Die Akten des Verfahrens bestehen aus 135 Aktenbänden. Hinzu gekommen sind während der Hauptverhandlung noch rund 90 Originalkundenakten mit durchschnittlich je 100 Seiten. Diese mussten von den Antragstellern während der laufenden Hauptverhandlung ausgewertet werden.
Die Hauptverhandlung gegen die Angeklagten hat am 17. April 1997 begonnen. Seitdem ist - bis auf eine längere Sommer- und Osterpause - jeweils Montags und Dienstags verhandelt worden. Die Hauptverhandlungen haben anfangs bis Mittags gedauert und dauern zur Zeit bis jeweils in die frühen Nachmittagsstunden. Bis zur Antragstellung hatten insgesamt rund 60 Hauptverhandlungstermine stattgefunden, von denen Rechtsanwalt K. an 59, Rechtsanwalt F. an 47, Rechtsanwältin V. an 61, Rechtsanwalt H. an 50, Rechtsanwältin A. an 59, Rechtsanwalt S. an 38 und Rechtsanwalt B. an 37 teilgenommen haben. Rund die Hälfte der Hauptverhandlungstermine, an denen die Antragsteller jeweils teilgenommen haben, hat jeweils zwischen 3 und 5 Stunden gedauert, etwa ein Drittel hat weniger als 3 Stunden gedauert und der Rest hat mehr als 5 Stunden gedauert. Bis zur Antragstellung waren 36 Verhandlungswochen verstrichen. In einem Anteil von 2/3 war zweimal/Woche, in einem von 1/3 nur einmal/Woche terminiert. Wegen der genauen Einzelheiten wird insoweit auf die o.a. Stellungnahme des Leiters des Dezernats 10 Bezug genommen. Die Hauptverhandlung ist derzeit bis zum 28. September 1998 (weiter)terminiert. Insgesamt soll an voraussichtlich 130 Tagen verhandelt werden.
Die Antragstellern sind ihren Mandanten teilweise erst nach Anklageerhebung beigeordnet worden. Den Rechtsanwälten K., F., V., H. und A. stehen für die von ihnen für ihre Mandanten bislang erbrachten Tätigkeiten jeweils gesetzliche Gebühren in Höhe von rund 18.000,-- bis 19.000 DM zu, die zum Teil auch bereits gezahlt sind. Rechtsanwalt S. stehen gesetzliche Gebühren in Höhe von 14.540,-- DM, Rechtsanwalt B. gesetzliche Gebühren in Höhe von 14.160,-- DM zu.
Mit ihren im Januar 1998 gestellten Anträgen haben Rechtsanwälte K., F., V., H. und A. Vorschüsse auf die ihnen jeweils nach ihrer Ansicht zu bewilligenden Pauschvergütungen beantragt. Sie haben ihren Anträgen für jeden Hauptverhandlungstag jeweils die Wahlverteidigerhöchstgebühr von 1.520 DM zugrunde gelegt und zur Begründung der Anträge weiter ausgeführt, dass sie für jeden Hauptverhandlungstag mindestens einen weiteren halben Tag zur Vorbereitung und Nachbereitung der Hauptverhandlung benötigt haben, und zwar insbesondere dafür, um die während der Hauptverhandlung beschlagnahmten Originalkundenakten auszuwerten.
Ebenso haben die Rechtsanwälte S. und B. ihre Pauschvergütungsanträge vom 12. bzw. 16. Januar 1998 begründet. Danach hat Rechtsanwalt S. eine Pauschvergütung in Höhe von 57.760 DM und Rechtsanwalt B. eine solche von 56.240 DM beantragt.
Der Leiter des Dezernats 10 der Verwaltungsabteilung hat in seiner o.a. Stellungnahme beantragt, sämtliche Anträge abzulehnen. Hinsichtlich der Vorschussanträge sieht er in der Versagung von Teilzahlungen keine unzumutbare Härte für die Antragsteller. Hinsichtlich der Rechtsanwälte S. und B. sieht er das Merkmal des besonderen Umfangs derzeit als nicht gegeben an. Die erforderliche Gesamtschau könne nicht vorgenommen werden, weil die Hauptakten und Protokollbände des Verfahrens wegen des noch laufenden Verfahrens gegen die übrigen Angeklagten nicht entbehrlich seien.
Die Antragsteller haben auf diese ablehnende Stellungnahme mit unterschiedlichen Begründungen erwidert.
II. Sowohl die Ansprüche auf Gewährung eines Vorschusses als auch die auf Bewilligung einer Pauschvergütung sind - zumindest teilweise - begründet.
1. Der Senat hat in der Vergangenheit bereits wiederholt entschieden, dass die Bewilligung eines Vorschusses auf eine demnächst etwa zu gewährende Pauschvergütung nur in Ausnahmefällen und in der Regel nur unter den besonderen Voraussetzungen in Betracht kommt, dass der Pflichtverteidiger in einem sogenannten "Monsterverfahren" tätig geworden ist, er infolge des außergewöhnlichen Umfangs seiner Pflichtverteidigertätigkeit eine sehr lange Zeit hindurch an der Ausübung einer weiteren beruflichen Tätigkeit weitgehend gehindert war und die Versagung von Teilzahlungen auf eine voraussichtliche spätere Pauschvergütung als eine unzumutbare Härte für den Verteidiger erscheinen müsste, die ggf. bis zu existentiellen Konsequenzen führen könnte (st. Rspr. des Senats, vgl. u.a. Beschluss vom 25. April 1996 - 2(s) Sbd. 4-49/96 in ZAP EN-Nr. 474/96 = Anwalts-Gebühren-Spezial 1996, 125 mit Anmerkung Madert; siehe auch Beschluss vom 20. August 1997 - 2 (s) Sbd. 5.146/97 - in AnwBl. 1998, 219, jeweils mit weiteren Nachweisen). Ferner muß bereits im gegenwärtigen Verfahrensstadium eine Pauschvergütung unabhängig vom weiteren Verlauf des noch nicht abgeschlossenen Verfahrens mit großer Sicherheit zu erwarten sein und auch die Höhe des Vorschusses durch den Gang des weiteren Verfahrens voraussichtlich nicht mehr nach unten beeinflusst werden können.
An dieser Rechtsprechung, die darauf beruht, dass die BRAGO auch nach den Änderungen durch das Kostenrechtsänderungsgesetz vom 24. Juni 1994 (BGBl. I, Seite 1325) einen Vorschuss auf eine Pauschvergütung nicht vorsieht, hält der Senat grundsätzlich fest. Danach wird also eine Vorschusszahlung nur in Ausnahmefällen in Betracht kommen, wobei allerdings zu berücksichtigen sein wird, dass das nach der Rechtsprechung des BVerfG (BVerfGE 68, 237, 245, 255) dem (Pflicht-)Verteidiger zugunsten des Gemeinwohls auferlegte (Sonder-)Opfer nicht so groß werden darf, dass die finanziellen Einbußen des Rechtsanwalt unter Berücksichtigung der von ihm erbrachten Tätigkeiten unverhältnismäßig werden. Deshalb geht der Senat davon aus, dass in (Umfangs-)Verfahren wie dem vorliegenden, wenn die übrigen o.a. Voraussetzungen gegeben sind, in der Regel nach etwa einem Jahr und/oder rund 50 Hauptverhandlungstagen die Gewährung eines Vorschusses in Betracht kommen kann.
Nach den o.a. Grundsätzen ist damit vorliegend - entgegen der o.a. Stellungnahme des Leiters des Dezernats 10 - den gestellten Vorschussanträgen stattzugeben. Es handelt sich um ein sehr umfangreiches und - entsprechend der Stellungnahme des Gerichtsvorsitzenden, der sich der Senat derzeit anschließt - auch um ein - zumindest - schwieriges Verfahren, das die Arbeitszeit der Antragsteller in erheblichem Umfang in Anspruch nimmt. Sie sind i.d.R. an zwei Tagen/Woche durch die Teilnahme an den Hauptverhandlungsterminen ausgelastet, zumindest einen weiteren Tag müssen sie zur Vorbereitung und/oder Nachbereitung der Hauptverhandlung aufwenden. Damit müssen sie an drei Arbeitstagen/Woche dem Verfahren zur Verfügung stehen und können in dieser Zeit, die mehr als die Hälfte der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit ausmacht, anderen beruflichen Tätigkeiten nicht nachgehen. Stellt man dieser Belastung die den Antragstellern bislang zustehenden gesetzlichen Gebühren von 18.000 bis 19.000,-- DM gegenüber, ergibt sich eine Einnahme von rund 115,-- bzw. 120,-- DM/Tag. Das ist, auch unter Berücksichtigung der teilweise nur geringen/unterdurchschnittlichen Verhandlungsdauer, nach Auffassung des Senats im Sinn der o.a. Ausführungen unzumutbar.
Der Senat hat auch keine Zweifel, dass das Verfahren in seinem weiteren Verlauf "besonders umfangreich" bleiben wird. Dafür sprechen schon der bislang mitgeteilte Umfang des vorliegenden Aktenmaterials sowie auch die weiteren terminierten Hauptverhandlungstage.
Unter Berücksichtigung aller, derzeit erkennbaren Umstände des Einzelfalls erschien dem Senat bei allen Antragstellern, die die Gewährung eines Vorschusses beantragt haben, unter Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes die Bewilligung eines Vorschusses von jeweils 10.000 DM angemessen. Dabei hat der Senat sich an der einem Pflichtverteidiger für einen weiteren Hauptverhandlungstag/Woche zustehenden Gebühr orientiert und außerdem mit in Erwägung gezogen, dass die Pauschvergütungen voraussichtlich nicht mehr nach unter beeinflusst werden können (vgl. auch Beschluss des Senats vom 10. 1. 1997 - 2 (s) Sbd. 5-220/97 - StraFo 1997, 95 - und Beschluss vom 3. Februar 1997 - 2 (s) Sbd. 5-47/97). Dafür spricht schon der bisherige erhebliche Umfang des Verfahrens.
Die weitergehenden, erheblich über die bewilligten 10.000 DM hinausgehenden Anträge waren demgemäss abzulehnen.
2. Nach den vorstehenden Ausführungen war den Rechtsanwälten S. und B. gemäß § 99 Abs. 1 BRAGO ein Pauschvergütung zu bewilligen.
Insoweit weist der Senat zunächst darauf hin, dass - entgegen der Auffassung des Leiters des Dezernats - gegenüber den geltend gemachten Pauschvergütungsansprüchen nicht darauf verwiesen werden kann, die erforderliche Gesamtschau des Verfahrens sei wegen der Fortführung des Verfahrens und den deshalb nicht zur Verfügung stehenden Akten nicht möglich, weshalb die Gewährung von Pauschvergütungen abzulehnen sei. Denn mit der endgültigen Einstellung des Verfahrens gegen die ehemalige Angeklagte K. S. ist die den Antragstellern S. und B. zu vergütende Tätigkeit abgeschlossen. Damit steht ihnen nach st.Rspr. des Senats der Pauschvergütungsanspruch zu. Dass das Verfahren gegen die übrigen Angeklagten fortgeführt und deshalb die Akten nur schwer oder überhaupt nicht entbehrlich sind, kann nicht zu Lasten dieser Antragsteller gehen. Ihnen kann nicht zugemutet werden, ggf. bis zum rechtskräftigen, derzeit überhaupt nicht absehbaren Abschluss des Verfahrens gegen alle Angeklagte, der sich noch mehrere Jahre hinziehen kann, auf die Gewährung einer Pauschvergütung zu warten. Vielmehr muß durch geeignete Maßnahmen, ggf. kurzfristige Akteneinsicht o.ä., sichergestellt werden, dass möglichst zeitnah über die gestellten Anträge entschieden werden kann.
Der Senat hat vorliegend jedoch davon abgesehen, selbst die gesamten Verfahrensakten, etwa in der bevorstehenden Sommerpause, beizuziehen. Er hat vielmehr die Anregung von Rechtsanwalt S. in dessen Erwiderung vom 2. Juni 1998 auf die Stellungnahme des Leiters des Dezernats 10 aufgegriffen und - nach dem derzeitigen Erkenntnisstand - über die Gewährung einer Pauschvergütung entschieden. Für diese Vorgehensweise sprach insbesondere auch, dass den anderen Verteidigern Vorschüsse auf demnächst zu bewilligende Pauschvergütungen gewährt worden sind. Eine abschließende Entscheidung über die gestellten Anträge wird erfolgen, sobald die Verfahren gegen alle Angeklagten abgeschlossen sind.
Auf der Grundlage der obigen Ausführungen waren Rechtsanwalt S. und Rechtsanwalt B. Pauschvergütungen zu bewilligen, da sie in einem zumindest - "besonders umfangreichen" Verfahren tätig geworden sind. Ob das Verfahren auch "besonders schwierig" war, vermag der Senat derzeit nicht abschließend zu beurteilen.
Bei der Bemessung der Pauschvergütungen hat der Senat alle derzeit erkennbaren Umstände des Einzelfalls berücksichtigt. Das waren insbesondere die zahlreichen Hauptverhandlungstermine, die jedoch teilweise nur von unterdurchschnittlicher Dauer waren. Berücksichtigt hat der Senat neben der langen Verfahrensdauer vor allem auch, dass die Antragsteller neben der Teilnahme an den 38 bzw. 37 Hauptverhandlungsterminen ebenfalls mindestens einen Tag/Woche zur Vor- bzw. Nachbereitung benötigt haben. Insgesamt erschien - unter Berücksichtigung der den Antragsteller zustehenden gesetzlichen Gebühren von rund 14.000 DM - eine Pauschvergütung von jeweils 25.000,-- DM derzeit angemessen.
Darüber hinaus konnte derzeit eine Pauschvergütung nicht gewährt werden. Insoweit weist der Senat aber schon darauf hin, dass nach seinem derzeitigen Erkenntnisstand kaum für jeden Verhandlungstag Gebühren in Höhe der von den Antragstellern geltend gemachten Wahlverteidigerhöchstgebühren von 1.520 DM in Betracht kommen dürften. Grds. kann zwar nach ständiger Rspr. des Senats die einem Pflichtverteidiger nach § 99 Abs. 1 BRAGO zu gewährende Pauschvergütung auch die Höchstgebühren eines Wahlanwalts erreichen. Das kommt aber nach ebenfalls st.Rspr. des Senats nur in Betracht, wenn das Verfahren, in dem der Rechtsanwalt als Pflichtverteidiger beigeordnet wurde, die Arbeitskraft des Rechtsanwalts über eine sehr lange Zeit ausschließlich oder fast ausschließlich in Anspruch genommen hat (vgl. Beschluss des Senats vom 16. September 1996 - 2 (s) Sbd. 4-95 u. 96/96 - JurBüro 1997, 84 = StraFo 1997, 63). Das hat der Senat z.B. in einem Fall, in dem sich 120 Hauptverhandlungstage auf rund 1 ½ Jahre verteilten, also die Hauptverhandlungstage mit etwa 1 bis 2 Hauptverhandlungen in der Woche nicht sehr dicht terminiert waren, und zudem die durchschnittliche Terminsdauer teilweise nur unterdurchschnittlich lang war, verneint. Das vorliegende Verfahren scheint damit vergleichbar zu sein. Eine abschließende Beurteilung behält der Senat sich jedoch für den bereits erwähnten späteren Zeitpunkt vor.
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