Aktenzeichen: 1 Ws 105/00 OLG Hamm
Leitsatz: Zur Fluchtgefahr bei Auslandskontakten des Beschuldigten, der über erhebliche Barmittel verfügt.
Senat: 1
Gegenstand: Haftbeschwerde
Stichworte: Fluchgefahr, Auslandskontakte des Beschuldigten, Haftbeschwerde
Normen: StPO 112
Beschluss: Strafsache gegen H.C. wegen Betruges, (hier: weitere Haftbeschwerde).
Auf die weitere Beschwerde des Beschuldigten vom 21. März 2000 gegen den Beschluss der 2. Strafkammer des Landgerichts Siegen vom 8. März 2000 hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 20.04.2000 durch den Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:
Die Beschwerde wird auf Kosten des Beschuldigten verworfen
(§ 473 Abs. 1 StPO).
Gründe:
Der Beschuldigte befindet sich aufgrund des Haftbefehls des Amtsgerichts Siegen vom 18. November 1999 (45 Gs 2254 - 2256/99) seit dem 25. November 1999 in Untersuchungshaft. Ihm wird vorgeworfen, in Siegen, Herborn und anderen Orten in der Zeit von Januar 1997 bis April 1999 gemeinschaftlich mit den gesondert Verfolgten F. und H. sich des Betruges in neun Fällen, davon in drei Fällen wegen versuchten Betruges, strafbar gemacht zu haben. Im einzelnen wird dem Beschuldigten vorgeworfen, in 3 Fällen als faktischer Geschäftsführer der Firma W. im Rahmen der Erstellung einer Cart-Rennbahn in Sinn Aufträge zur Durchführung von Werkverträgen bzw. zur Lieferung von Waren erteilt zu haben, obwohl ihm bewusst gewesen sei, dass die auftragerteilende Firma zahlungsunfähig gewesen sei. Den beteiligten Unternehmen seien dadurch Schäden von nahezu 200.000,- DM entstanden.
In weiteren drei Fällen habe der Beschuldigte gemeinsam mit dem gesondert Verfolgten M.H. als faktischer Geschäftsführer der Firma C.I. mit dem Sitz in Dortmund unter der Vortäuschung angeblicher Beratertätigkeit die dabei geschädigten Firmen bzw. Privatpersonen um insgesamt 139.000,- DM betrogen, wobei es in einem Fall, nämlich der Tat zum Nachteil des Zeugen G. beim Versuch geblieben sei. Schließlich wird dem Beschuldigten außerdem zur Last gelegt, unter dem Mantel der C. GmbH in weiteren drei Fällen die Vermittlung von Darlehen in Millionenhöhe in Aussicht gestellt und dabei versucht zu haben, sich in rechtswidriger Weise um Provisionen von insgesamt mehr als 2.000.000.- DM zu bereichern.
Das Amtsgericht hat im Haftprüfungstermin vom 1. März 2000 die Fortdauer der Untersuchungshaft angeordnet und ergänzend darauf hingewiesen, dass durch die weitergehenden Ermittlungen die Verdunklungsgefahr zwar ausgeräumt sei, der Haftgrund der Fluchtgefahr jedoch fortbestehe. Die dagegen gerichtete Beschwerde des Beschuldigten hat die 2. Strafkammer des Landgerichts Siegen mit Beschluss vom 8. März 2000 verworfen.
Auch die weitere Haftbeschwerde des Beschuldigten hat keinen Erfolg.
Der Beschuldigte ist der ihm zur Last gelegten Taten teilweise aufgrund seiner eigenen Einlassung, im übrigen aber aufgrund der weitgehend geständigen Einlassung des Mitbeschuldigten H. und der Geschädigten dringend verdächtig. Auf das bisherige Ermittlungsergebnis wird insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen.
Zu Recht hat die Strafkammer auch den Haftgrund des § 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO angenommen. Es besteht der dringende Verdacht, dass sich der Beschuldigte dem Strafverfahren durch die Flucht entzieht, würde er freigelassen. Dem vorliegenden Ermittlungsverfahren ist zu entnehmen, dass der Beschuldigte über Auslandskontakte verfügt und auch in der Lage ist, sich - auch ohne im Besitz eines Reisepasses zu sein - den Besitz anderer Reisedokumente zu verschaffen. Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass er über erhebliche Barmittel verfügt, deren Verbleib unbekannt ist, die ihm aber den Aufbau einer Existenz im Ausland ohne weiteres ermöglichen würde. So hat ihm allein die Tat zum Nachteil Wendt entgegen der noch im Haftbefehl getroffenen Feststellungen offensichtlich den Besitz von 450.000,- DM verschafft, deren Verbleib bisher ungeklärt ist. Der Vernehmung des Mitbeschuldigten H. vom 16. Dezember 1999 ist im übrigen zu entnehmen, dass der Beschuldigte diesem gegenüber eingeräumt hat, vor einigen Jahren mit einer Firma in Aachen "Millionengewinne gemacht" zu haben. Gegen ihn sei in diesem Zusammenhang zwar ein Steuerstrafverfahren anhängig gewesen, das zu einer Freiheitsstrafe geführt habe, jedoch habe er "von den vielen Millionen, die er damals verdient habe, noch einen Großteil". Der Verbleib auch dieser Gelder ist bisher nicht bekannt. Im übrigen ist aber davon auszugehen, dass er aufgrund der Straftaten, die ihm in dem vorliegenden Verfahren zur Last gelegt werden und sich nicht in den aus dem Haftbefehl ersichtlichen Taten erschöpfen, in Deutschland wirtschaftlich ruiniert ist. Schließlich ist auch zu berücksichtigen, dass der durch eine äußerst raffinierte Vorgehensweise des Beschuldigten verursachte Schaden - auch soweit es sich nur um Versuchstaten handelt - so hoch ist, dass der einschlägig vorbelastete Beschuldigte mit der Verhängung einer mehrjährigen - vollstreckbaren - Freiheitsstrafe zu rechnen hat, die einen hohen Fluchtanreiz darstellt. Allein der Umstand, dass der Beschuldigte über eine kleine Wohnung im Hause seiner Eltern verfügt ist damit nicht geeignet, der Fluchtgefahr in ausreichender Weise entgegenzuwirken.
Aus diesen Erwägungen ergibt sich zugleich, dass mildere Maßnahmen als der Vollzug der Untersuchungshaft gegenwärtig offensichtlich nicht geeignet erscheinen (§ 116 Abs. 1 StPO). Angesichts des dringenden Verdachts, dass dem Beschuldigten erhebliche finanzielle Mittel aus früheren Straftaten oder als Beute aus Straftaten des anhängigen Ermittlungsverfahrens zur Verfügung stehen, ist das Anerbieten einer Kaution von 200.000,- DM ersichtlich nicht geeignet, die Fluchtgefahr auszuräumen.
In Anbetracht der Schwere der dem Beschuldigten zur Last gelegten Tat bestehen auch keine Zweifel an der Verhältnismäßigkeit der Fortdauer der Untersuchungshaft.
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