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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 1 Ws 37/2000 OLG Hamm

Leitsatz: Zur Beiordnung des auswärtigen Anwalts des Vertrauens als Pflichtverteidiger

Senat: 1

Gegenstand: Beschwerde

Stichworte: Pflichtverteidiger, Beiordnung des auswärtigen Anwalts des Vertrauens

Normen: StPO 142, StPO 140

Beschluss: Strafsache gegen E.T. wegen Mordes (hier: Beschwerde gegen die Bestellung von Rechtsanwalt S. in Hamm als Pflichtverteidiger).

Auf die Beschwerde des Verurteilten vom 16. Februar 2000 gegen den Beschluss des Vorsitzenden der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Arnsberg vom 11. Februar 2000 hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 14.03.2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Dem Verurteilten wird Rechtsanwalt K. aus Frankfurt als Pflichtverteidiger beigeordnet.

Rechtsanwalt S. aus Hamm wird entpflichtet.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens fallen der Staatskasse zur Last.

G r ü n d e :

Der Beschwerdeführer verbüßt derzeit eine lebenslange Freiheitsstrafe wegen Mordes aus dem Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 5. Juni 1986 in der Justizvollzugsanstalt Werl. 15 Jahre der Strafe waren am 16. März 2000 verbüßt. Daneben besteht ein Haftbefehl des Amtsgerichts Marburg vom 6. Mai 1998 wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz.

Mit Schreiben vom 18. Oktober 1999 hat der Beschwerdeführer beantragt, ihn nach Ablauf von 15 Jahren gemäß § 57 a StGB bedingt zu entlassen.

Die Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Darmstadt hat nach Einholung einer Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt Werl mit Verfügung vom 17. Dezember 1999 die Akten dem Landgericht Arnsberg mit dem Antrag vorgelegt festzustellen, dass die besondere Schwere der Schuld eine Mindestverbüßungszeit von 20 Jahren erfordere.

Unter dem 6. Januar 2000 hat die Strafvollstreckungskammer Anhörungstermin auf den 2. Februar 2000 bestimmt. Mit Verfügung des Vorsitzenden der Strafvollstreckungskammer vom 25. Januar 2000 ist dem Verurteilten Rechtsanwalt S. in Hamm als Pflichtverteidiger beigeordnet worden. Dagegen hat der Verurteilte mit Schreiben vom 26. Januar 2000 "Beschwerde" eingelegt und die Beiordnung von Rechtsanwalt K. aus Frankfurt beantragt. Mit Schreiben vom 2. Februar 2000 hat ebenfalls Rechtsanwalt K. seine Beiordnung beantragt. Zur Begründung ist ausgeführt, es bestehe zwischen ihm und dem Beschwerdeführer ein besonderes Vertrauensverhältnis, insbesondere durch die Verteidigung in dem noch gegen den Verurteilten anhängigen Verfahren vor dem Landgericht Marburg.

Mit Beschluss vom 11. Februar 2000 hat der Vorsitzende der Strafvollstreckungskammer den Antrag auf Beiordnung von Rechtsanwalt K. als Pflichtverteidiger unter gleichzeitiger Entpflichtung von Rechtsanwalt S. abgelehnt. Diese Entscheidung ist damit begründet worden, dass die Tatsache, dass der Verurteilte wegen einer neuen Straftat vor dem Landgericht Marburg auf ein besonderes Vertrauensverhältnis zu Rechtsanwalt K. hinweise, nicht bedeute, dass er in der vorliegenden Sache nicht durch einen anderen Rechtsanwalt vertreten werden könne. Im Übrigen habe die räumliche Nähe von Rechtsanwalt S. zum Gericht bzw. zu der Justizvollzugsanstalt Vorrang vor dem Vertrauensverhältnis zu Rechtsanwalt K..

Gegen diesen Beschluss hat der Beschwerdeführer durch Schreiben seines Verteidigers vom 16. Februar 2000 Beschwerde eingelegt. Es ist nochmals ausgeführt, dass zwischen dem Betroffenen und Rechtsanwalt K. ein besonderes Vertrauensverhältnis bestehe. Bereits seit der Verlegung des Beschwerdeführers in die JVA Werl im Jahre 1997 bestehe ein intensiver Kontakt zwischen dem Verurteilten und Rechtsanwalt K.. Das Landgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Akten dem Oberlandesgericht vorgelegt.

Auf ergänzende Nachfrage des Senats hat Rechtsanwalt K. das bestehende Vertrauensverhältnis dahingehend konkretisiert, dass er in dem gegen den Beschwerdeführer anhängigen Verfahren vor dem Landgericht Marburg am 31. Juli 1998 zum Pflichtverteidiger bestellt worden sei. Er habe den Beschwerdeführer auch bereits vier Mal, nämlich am 6. Oktober 1997, 3. Juni 1998, 1. September 1998 und 29. März 1999 in der Justizvollzugsanstalt besucht.

Die Beschwerde ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.

Es ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass auch im Vollstreckungsverfahren in entsprechender Anwendung von § 140 Abs. 2 StPO dem Verurteilten unter bestimmten Umständen ein Pflichtverteidiger beizuordnen ist. § 142 Abs. 1 StPO gibt dem Betroffenen zwar keinen Rechtsanspruch auf die Bestellung einer bestimmten (von ihm ausgewählten) Person als Verteidiger. Im öffentlichen Interesse soll die Vorschrift gewährleisten, dass ein Beschuldigter oder Verurteilter in den vom Gesetz genannten Fällen rechtskundigen Beistand erhält und dabei auch ein ordnungsgemäßer Verfahrensablauf gesichert ist. Die Auswahl des Verteidigers liegt dabei grundsätzlich im Ermessen des Vorsitzenden. Allerdings ist dessen Ermessen durch die mit dem Strafrechtsänderungsgesetz 1987 Gesetz gewordene Neufassung des § 142 Abs. 1 StPO unter Beachtung zuvor vom Bundesverfassungsgericht aufgestellter Grundsätze dahin eingeschränkt worden, dass bei der Auswahl des Verteidigers auch das Interesse des Beschuldigten bzw. Verurteilten, von einem Anwalt seines Vertrauens verteidigt zu werden, ausreichend Rechnung getragen werden muss; grundsätzlich soll der Beschuldigte/Verurteilte mit der Beiordnung des Verteidigers seines Vertrauens demjenigen gleichgestellt werden, der sich auf eigene Kosten einen Verteidiger gewählt hat. Deshalb soll der Beschuldigte/Verurteilte nach § 142 Abs. 1 S. 2 StPO Gelegenheit erhalten, einen Anwalt zu benennen; diesen muss der Vorsitzende dann beiordnen, wenn nicht gewichtige Gründe entgegenstehen (§ 142 Abs. 1 S. 3 StPO). Einen wichtigen Grund, die Bestellung des gewünschten Rechtsanwaltes abzulehnen, nennt § 142 Abs. 1 S. 1 StPO: Der zu bestellende Verteidiger soll möglichst aus der Zahl der bei einem Gericht des betreffenden Gerichtsbezirks zugelassenen Anwälte gewählt werden. Die Gerichtsnähe des Verteidigers ist in der Regel eine wesentliche Voraussetzung für eine sachdienliche Verteidigung, und zwar sowohl für den Beschuldigten/Verurteilten als auch für den Verfahrensablauf; zugleich dient sie der Vermeidung höherer Kosten. Ein auswärtiger Verteidiger soll daher nur ausnahmsweise bestellt werden. Weiter reicht die einschränkende Wirkung des § 142 Abs. 1 S. 1 StPO allerdings nicht; die Vorschrift enthebt den Vorsitzenden insbesondere nicht der gebotenen Interessenabwägung, sondern gibt in deren Rahmen lediglich ein gesetzlich normiertes Regelbeispiel für einen wichtigen Grund i.S.v. § 142 Abs. 1 S. 3 StPO (BGH StV 1997, 564). Vorliegend ist die Beiordnung von Rechtsanwalt K. als Pflichtverteidiger bei der gebotenen Interessenabwägung angezeigt.

Zwischen Rechtsanwalt K. und dem Beschwerdeführer besteht ein schutzwürdiges besonderes Vertrauensverhältnis. Wie Rechtsanwalt K. dargelegt hat, besucht er seit Oktober 1997 den Betroffenen in der Justizvollzugsanstalt. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer ursprünglich aus dem hessischen Strafvollzug kommt und auch seine Rückverlegung nach dort beabsichtigt ist. Von daher ist nachvollziehbar, dass er einen Frankfurter Rechtsanwalt als Anwalt seines Vertrauens gewählt hat. Auch kann nicht übersehen werden, dass es für den Verurteilten nunmehr um eine Entscheidung von Gewicht geht. Die Strafvollstreckungskammer wird darüber zu entscheiden haben, ob der Beschwerdeführer nach Verbüßung von 15 Jahren bedingt aus der Haft zu entlassen ist. Hinzu kommt, dass Rechtsanwalt K. den Verurteilten in dem Verfahren vor dem Landgericht Marburg, in welchem es um Straftaten während des Vollzuges geht, ein Umstand, der auch für die Frage der bedingten Entlassung von Bedeutung ist, vertritt. Es ist daher sachgerecht, dass der Beschwerdeführer in beiden Verfahren nur von einem Rechtsanwalt vertreten wird. Eine Gesamtschau der erörterten Umstände führt hier zu dem Ergebnis, dass dem Vertrauensverhältnis bei der gebotenen Interessenabwägung ein Übergewicht gegenüber dem Umstand, dass Rechtsanwalt K. nicht im Gerichtsbezirk des Landgerichts Arnsberg zugelassen ist, gebührt.

Die Beschränkung auf einen ortsansässigen Rechtsanwalt hat im Übrigen vor allem auch die Funktion, den Verfahrensablauf zu sichern. Angesichts der Tatsache, dass hier nicht zahlreiche Termine wahrzunehmen sind, hat dieser Umstand vorliegend keine Bedeutung. Entsprechendes gilt für das von § 142 Abs. 1 S. 1 StPO geschützte Kosteninteresse.

Nach alledem war der angefochtene Beschluss aufzuheben und
- bei gleichzeitiger Entpflichtung von Rechtsanwalt S. - Rechtsanwalt K. als Pflichtverteidiger zu bestellen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO.


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