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Rechtsprechung


Aktenzeichen: 2 Ws 52/00 OLG Hamm

Senat: 2

Gegenstand: Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, Beschwerde

Stichworte: lange Postlaufzeit, Glaubhaftmachung, neue Tatsachen, Gegenvorstellung, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Gegenvorstellungen

Normen: StPO 44, StPO 45, StPO 329


Beschluss: Strafsache gegen K.L. wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis, (hier: Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungshauptverhandlung).

Auf die Gegenvorstellungen des Angeklagten vom 3. März 2000 gegen den Senatsbeschluss vom 17. Februar 2000 sowie auf die sofortige Beschwerde des Angeklagten vom 6. Januar 2000 gegen den Beschluss der 1. kleinen auswärtigen Strafkammer Recklinghausen des Landgerichts Bochum vom 29. Dezember 1999 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 15.05.2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Amtsgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

1. Der Senatsbeschluss vom 17. Februar 2000 wird aufgehoben.

2. Dem Angeklagten wird auf seine Kosten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde gewährt.

3. Der angefochtene Beschluss des Landgerichts Bochum vom 29. Dezember 1999 wird aufgehoben.

Dem Angeklagten wird auf seine Kosten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungshauptverhandlung gewährt.

4. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der insoweit entstandenen notwendigen Auslagen des Angeklagten trägt die Staatskasse.

Gründe :
Der Angeklagte ist durch Urteil des Amtsgerichts Recklinghausen vom 26. August 1999 wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt worden. Seine Berufung ist durch Urteil der 1. kleinen Strafkammer Recklinghausen des Landgerichts Bochum vom 25. November 1999 gemäß § 329 StPO verworfen worden, weil der Angeklagte der Berufungshauptverhandlung ohne genügende Entschuldigung ferngeblieben und die vorgelegte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung keine ausreichende Entschuldigung dafür sei, dass der Angeklagte nicht erscheinen könne.

Nach Zustellung des Urteils am 1. Dezember 1999 hat der Angeklagte durch Schriftsatz seines Verteidigers vom 3. Dezember 1999, welcher am 6. Dezember 1999 beim Landgericht Bochum eingegangen ist, unter Bezugnahme auf eine eigene eidesstattliche Versicherung, in welcher er seinen gesundheitlichen Zustand zwischen dem 23. November und 25. November 1999 in der Weise darstellte, dass er wegen heftiger Durchfälle nicht zum Termin habe erscheinen könne, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.

Durch den angefochtenen Beschluss vom 29. Dezember 1999 hat die kleine auswärtige Strafkammer Recklinghausen den Wiedereinsetzungsantrag mangels Glaubhaftmachung verworfen.

Dieser Beschluss ist dem Verteidiger des Angeklagten am 30. Dezember 1999 wirksam zugestellt worden. Hiergegen richtet sich die unter dem 6. Januar 2000 erhobene sofortige Beschwerde, die laut Eingangsstempel der gemeinsamen Briefannahmestelle der Justizbehörden in Recklinghausen dort am
11. Januar 2000 eingegangen ist.

Demzufolge hat der Senat mit Beschluss vom 17. Februar 2000 die sofortige Beschwerde als unzulässig, da verspätet, verworfen.

Hiergegen erhebt der Angeklagte mit Schriftsatz seiner Verteidiger vom 3. März 2000 Gegenvorstellungen und macht geltend, der Beschwerdeschriftsatz vom 6. Januar 2000 sei nebst Anlagen von der im 2. Lehrjahr befindlichen Auszubildenden S.K. nach Dienstschluss in den Briefkasten des Amtsgerichts Recklinghausen eingeworfen worden. Die sofortige Beschwerde sei somit rechtzeitig eingegangen. Zur Glaubhaftmachung ist insoweit eine eidesstattliche Versicherung der S.K. beigefügt worden. Auf Nachfrage hat dazu der Leiter der gemeinsamen Briefannahmestelle der Justizbehörden Recklinghausen unter dem 10. April 2000 vermerkt, dass nach Befragen der Mitarbeiter der Nachtbriefkasten in Ordnung gewesen sei und eine Störung nicht vorgelegen habe.

Bei dieser Sachlage war dem Angeklagten - zunächst - unter Aufhebung des Senatsbeschlusses vom 17. Februar 2000 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde zu gewähren.

Dabei kann es letztlich dahinstehen, ob der Beschwerdeschriftsatz tatsächlich noch am Donnerstag, dem 6. Januar 2000, in den Nachtbriefkasten eingelegt worden ist, wobei dabei auffällig ist, dass eine Störung des Briefkastens nicht festgestellt worden ist und der Eingangsstempel erst von Dienstag, dem
11. Januar 2000, datiert. Aber selbst wenn der Eingang nicht mehr am 6. Januar 2000 erfolgt wäre, träfe den Angeklagten selbst wegen der möglicherweise eingetretenen Verspätung kein Verschulden. Er hatte nämlich sämtliche Unterlagen und zudem durch seine Lebensgefährtin eine eidesstattliche Versicherung bei seinen Verteidigern noch am 6. Januar 2000 abgegeben bzw. abgeben lassen und konnte daher darauf vertrauen, dass diese, vom Ablauf der Beschwerdefrist wissend, die Frist nicht versäumen würden.

Die somit zulässige sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts Bochum vom 29. Dezember 1999 ist im Ergebnis auch begründet.

Zwar hat die Strafkammer aus ihrer Sicht den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungshauptverhandlung zutreffend - als unzulässig - verworfen, weil die zu seiner Begründung dargelegten Tatsachen zu diesem Zeitpunkt nicht glaubhaft gemacht waren.

Diese Glaubhaftmachung hat der Angeklagte jedoch im Laufe des Beschwerdeverfahrens in zulässiger Weise nachgeholt (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 44. Aufl., § 45 Rdnr. 7).

Der Wiedereinsetzungsantrag gegen die Versäumung der Berufungshauptverhandlung war auch nicht etwa deshalb von vornherein unzulässig, weil er sich auf Tatsachen gestützt hat, die das Berufungsgericht bereits in seinem die Berufung verwerfenden Urteil als nicht genügende Entschuldigung gewürdigt hat. In Bezug auf die Art der Erkrankung und den Ablauf der Ereignisse zwischen dem 23. und 25. November 1999 enthält das Wiedereinsetzungsvorbringen nämlich neue Tatsachen - wenn auch im Zusammenhang mit dem früheren Vorbringen -, die dem Berufungsgericht noch nicht bekannt waren (vgl. OLG Düsseldorf VRS 90, 184 ff.). Die in Form einer eidesstattlichen Versicherung des Angeklagten selbst dem Wiedereinsetzungsantrag vom 3. Dezember 1999 beigefügte Erklärung ist als neuer Tatsachenvortrag zu werten.

Der Angeklagte hat nunmehr dargetan und auch glaubhaft gemacht, dass er ohne eigenes Verschulden an der Wahrnehmung der Berufungshauptverhandlung verhindert war.

Der ihn behandelnde Arzt hat mit Attest vom 6. Januar 2000 aufgrund einer bestehenden unspezifischen Colitis mit multiplen Durchfällen Verhandlungsunfähigkeit am 25. November 1999 bestätigt. Zudem wird dies noch durch die eidesstattliche Versicherung seiner Lebensgefährtin vom 6. Januar 2000 bekräftigt, so dass unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses die nachgesuchte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren war.

Die Kostenentscheidung hinsichtlich der gewährten Wiedereinsetzungen folgt aus § 473 Abs. 7, die Kostenentscheidung bezüglich des Beschwerdeverfahrens folgt aus entsprechender Anwendung der §§ 467, 473 StPO.


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