Aktenzeichen: 2 (s) Sbd. 5 - 122/-98 OLG Hamm
Leitsatz: Allein der Umstand, dass der Wahlverteidiger, "neben" dem der Pflichtverteidiger verteidigt hat, "federführend" die Verteidigung bearbeitet hat, führt nicht zur Verneinung des Merkmals "besondere Schwierigkeit" i.S. von § 99 Abs. 1 BRAGO.
Senat: 2
Gegenstand: Pauschvergütung
Stichworte: besondere Schwierigkeit, Tätigkeit als zweiter Verteidiger, weiterer Verteidiger, Federführung lag beim Hauptverteidiger
Normen: BRAGO 99
Fundstelle: AGS 1998, 138; StV 1998, 618; AnwBl. 1998, 612
Beschluss: Strafsache gegen H.R.,
wegen Verstoßes gegen das Außenwirtschaftsgesetz
(hier: Pauschvergütung gem. § 99 BRAGO für den als Verteidiger bestellten Rechtsanwalt).
Auf den Antrag des Rechtsanwalts G. aus M. vom 23. März 1998 auf Bewilligung einer Pauschvergütung für die Verteidigung des ehemaligen Angeklagten hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 18. Juni 1998 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht und die Richter am Oberlandesgericht und nach Anhörung des Leiters des Dezernats 10 der Verwaltungsabteilung des Oberlandesgerichts beschlossen:
Rechtsanwalt G. wird anstelle seiner gesetzlichen Gebühren in Höhe von 3.140,-- DM eine Pauschvergütung von 4.200,-- DM (in Worten: viertausendzweihundert Deutsche Mark) bewilligt.
Der weitergehende Antrag wird zurückgewiesen.
Gründe:
I. Dem ehemaligen Angeklagten wurde im vorliegenden Verfahren mit der rund 70-seitigen Anklage der Staatsanwaltschaft Bielefeld vom 21. März 1996 mehrere Verstöße gegen das Außenwirtschaftsgesetz zur Last gelegt. Gegenstand der Anklage waren mehrere Fälle der ungenehmigten Ausfuhr von Ausrüstung für bzw. besonders konstruierter Bestandteile von Raketen in den Irak. Wegen dieser Taten ist der ehemalige Angeklagte inzwischen zu einer Gesamtgeldstrafe von 70 Tagessätzen zu je 100 DM verurteilt worden.
Der Antragsteller, der vorher für den ehemaligen Angeklagten nicht als Wahlverteidiger tätig war, ist diesem im ersten Hauptverhandlungstermin am 7. November 1997 als Pflichtverteidiger neben dem Wahlverteidiger beigeordnet worden. Danach hat er noch an sieben weiteren Hauptverhandlungsterminen teilgenommen. Die durchschnittliche Dauer der Termine betrug rund 5 Stunden. Es fand jeweils wöchentlich ein Hauptverhandlungstermin statt. Ein Plädoyer hat der Antragsteller nicht gehalten.
Der Antragsteller, dessen gesetzliche Gebühren 3.140 DM betragen, hat eine Pauschvergütung von 3.695,50 DM beantragt. Der Leiter des Dezernats 10 der Verwaltungsabteilung des Oberlandesgerichts hat in seiner Stellungnahme vom 29. Mai 1998 beantragt, den Antrag auf Gewährung einer Pauschvergütung zurückzuweisen.
II. Dem Antragsteller war - entgegen der Stellungnahme des Leiters des Dezernats - gemäß § 99 BRAGO eine Pauschvergütung zu bewilligen, da er in einer sowohl "besonders schwierigen" als auch "besonders umfangreichen" Sache tätig geworden ist.
Der Senat vermag sich der Einschätzung des Leiters des Dezernats 10 in seiner o.a. Stellungnahme, es habe sich nicht um eine "besonders schwierige" Sache im Sinn von § 99 Abs. 1 BRAGO gehandelt, nicht anzuschließen. Diese stützt sich auf die Auffassung des Vorsitzenden der Strafkammer, der zu dem Pauschvergütungsantrag dahin Stellung genommen hat, dass die Sache für den Pflichtverteidiger keine besonderen Schwierigkeiten geboten habe: "Rechtsanwalt G. war Pflichtverteidiger neben dem Wahlverteidiger Rechtsanwalt R., der die Verteidigung federführend bearbeitet hat". Zwar schließt sich der Senat grundsätzlich der Einschätzung des Gerichtsvorsitzenden an (vgl. zur insoweit ständigen Rechtsprechung des Senats u.a. Beschluss vom 13. Februar 1998 - 2 (s) 4-260 bis 262/97). Von diesem Grundsatz ist vorliegend jedoch eine Ausnahme zu machen. Allein der Umstand, dass der Wahlverteidiger, "neben" dem der Pflichtverteidiger verteidigt hat, "federführend" die Verteidigung bearbeitet hat, führt nicht zur Verneinung des Merkmals "besondere Schwierigkeit". Das gilt insbesondere dann, wenn - wie vorliegend - nicht alltäglich auftretende, tatsächlich und rechtlich schwierige Fragen des Außenwirtschaftsgesetzes den Verfahrensgegenstand bilden, in die sich auch der Pflichtverteidiger, will er die Pflichtverteidigung im Interesse des Angeklagten ordnungsgemäß, führen, einarbeiten muß. Dass der Antragsteller dies nicht getan hat, lässt sich den dem Senat vorliegenden Akten nicht entnehmen.
Darüber hinaus ist der Antragsteller nach Auffassung des Senats auch in einem im Sinn des § 99 Abs. 1 BRAGO "besonders umfangreichen" Verfahren tätig geworden. Bei der Beurteilung dieser Frage verkennt der Senat zwar nicht, dass die Hauptverhandlungstermine, an denen der Antragsteller teilgenommen hat, teilweise nur erheblich unterdurchschnittlich lang waren und die Termine mit einem Termin/Woche auch nur locker terminiert waren. Andererseits ist aber zu berücksichtigen, dass der Antragsteller dem ehemaligen Angeklagten erst im ersten Hauptverhandlungstermin beigeordnet worden ist und er sich deshalb während laufender Hauptverhandlung in den umfangreichen Prozessstoff hat einarbeiten müssen. Insoweit kann er auch nicht darauf verwiesen werden, er sei, was er selbst vor seiner Beiordnung erklärt habe, über den Verfahrensstand und den Prozessstoff informiert gewesen, die insoweit als Wahlverteidiger entfalteten Tätigkeiten seien im Rahmen der Pauschvergütung nicht zu berücksichtigen. Denn abgesehen davon, dass nicht ersichtlich ist, dass der Antragsteller vor der Übernahme der Pflichtverteidiger überhaupt als Wahlverteidiger mandatiert war, besagt die von ihm abgegebene Erklärung nicht, dass er sich bereits vor der Beiordnung in das umfangreiche Aktenmaterial eingearbeitet hatte. Vielmehr geht der Senat - entsprechend dem Inhalt der Erwiderung des Antragstellers vom 16. Juni 1998 - davon aus, dass allein eine Information über den Verfahrensgegenstand nicht ausreichend, die Tätigkeit als Pflichtverteidiger ordnungsgemäß wahrzunehmen und der Antragsteller sich zusätzlich weiter in das umfangreiche Aktenmaterial hat einarbeiten müssen und eingearbeitet hat. Diese Tätigkeit wird nicht vollständig durch die teilweise kurzen Hauptverhandlungstermine kompensiert, zumal deren durchschnittlich Dauer immerhin fast fünf Stunden betragen hat.
Bei der Bemessung der demnach zu bewilligen Pauschvergütung hat der Senat, da der Antrag des Antragstellers nicht eindeutig ist, dessen Antrag wie folgt ausgelegt: Der Antragsteller hat eine Pauschvergütung von 3.695,50 DM beantragt. Dieser als Pauschvergütung geltend gemachte Betrag entspricht genau dem Betrag entspricht, der bisher schon gesetzlichen Gebühren, Auslagen und Mehrwertsteuer festgesetzt und gezahlt worden ist. Dies lässt nach Auffassung des Senats den Schluss zu, dass der Antragsteller zusätzlich zu den ihm zustehenden gesetzlichen Gebühren und Auslagen nochmals den ihm bereits bewilligten Betrag als Pauschvergütung beantragt hat.
Unter Zugrundelegung der dem Antragsteller zustehenden gesetzlichen Gebühren von insgesamt 3.140 DM erschien dem Senat hier ein Pauschvergütung von 4.200 DM, womit die Mittelgebühr leicht überschritten ist, ausreichend und angemessen. Bei der Bemessung hat der Senat alle Umstände des Einzelfalls, insbesondere auch die teilweise nur geringe Dauer der Hauptverhandlungstermine, berücksichtigt.
Demgemäss war der weitergehende Antrag abzulehnen. Eine Pauschvergütung in Höhe oder etwa in Höhe der Wahlverteidigerhöchstgebühren kommt nach ständiger Rechtsprechung des Senats nur dann in Betracht, wenn der Antragsteller durch die Tätigkeit im Verfahren über einen längeren Zeitraum ausschließlich oder fast ausschließlich in Anspruch genommen worden wäre (vgl. u.a. zuletzt Senat in JurBüro 1997, 84). Das ist hier aber, was angesichts der überschaubaren Verfahrensdauer keiner näheren Darlegung bedarf, nicht der Fall.
zu Pauschvergütung eingehend auch Burhoff StraFo 1999, 261 ff.
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