Aktenzeichen: 2 Ws 137/2000 OLG Hamm
Leitsatz: Zur örtlichen Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer
Senat: 2
Gegenstand: Beschwerde
Stichworte: Strafvollstreckungskammer, örtliche Zuständigkeit, Befasstsein, Widerrufsantrag
Normen: StPO § 462 a Abs. 1 Satz 2
Beschluss: Strafsache gegen D.C. wegen Handeltreibens mit BtM, (hier: Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung).
Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten vom 14. April 2000 gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Hagen vom 31. März 2000 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 12.05.2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Amtsgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens bleibt der für die Entscheidung in der Sache berufenen Strafvollstreckungskammer vorbehalten.
Gründe :
Gegen den Verurteilten ist im vorliegenden Verfahren durch das Amtsgericht Essen eine Freiheitsstrafe in Höhe von zwei Jahren und drei Monaten verhängt worden. Mit Beschluss vom 17. November 1994 hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Hagen die Vollstreckung der Reststrafe für die Dauer von drei Jahren zur Bewährung ausgesetzt. Aufgrund erneuter Straffälligkeit verlängerte diese Strafvollstreckungskammer zunächst die Bewährungszeit mit Beschluss vom 6. November 1995 um ein Jahr. Als am 16. September 1998 der Verurteilte durch das Amtsgericht Essen zu einer viermonatigen Freiheitsstrafe ohne Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt wurde, verlängerte die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Hagen die Bewährungszeit in ihrem Beschluss vom 30. Dezember 1998 um ein weiteres Jahr. Im Anschluss daran erfuhr die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Hagen durch den Bewährungshelfer, dass der Verurteilte seit dem 14. April 1999 und, wie der Senat durch Nachfrage bei der Justizvollzugsanstalt Gelsenkirchen erfahren hat, bis zum 13. August 1999 die viermonatige Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Essen vom 16. September 1998 in der Justizvollzugsanstalt Gelsenkirchen vollständig verbüßt hat. Am 15. September 1999 verurteilte das Amtsgericht Essen den Beschwerdeführer wegen einer in vorgenannter Strafhaftzeit begangenen neuerlichen Straftat zu einer weiteren zweimonatigen Freiheitsstrafe ohne Strafaussetzung zur Bewährung. Dies nahm die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Hagen zum Anlass, die dem Verurteilten im vorliegenden Verfahren gewährte und bereits zweimal verlängerte Reststrafenaussetzung zur Bewährung nach Anhörung des Verurteilten mit dem angefochtenen Beschluss zu widerrufen. Zu diesem Zeitpunkt war der Verurteilte bereits für die Vollstreckung der zweimonatigen Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Essen vom 15. September 1999 in der Justizvollzugsanstalt Bielefeld-Senne inhaftiert. Gegen diesen Widerrufsbeschluss richtet sich seine rechtzeitige und zulässige sofortige Beschwerde, deren Verwerfung die Generalstaatsanwaltschaft beantragt hat.
Der sofortigen Beschwerde kann ein - allerdings vorläufiger - Erfolg nicht versagt werden. Denn die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Hagen war für die Entscheidung über den beantragten Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung örtlich nicht mehr zuständig.
Nachdem der Verurteilte nach Aktenlage ab dem 14. April 1999 zur Verbüßung einer anderen Freiheitsstrafe in der Justizvollzugsanstalt Gelsenkirchen aufgenommen war, war ab diesem Zeitpunkt die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Essen, in deren Bezirk jene Justizvollzugsanstalt liegt, örtlich zuständig. An diese Strafvollstreckungskammer hätte die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Hagen die weitere Bewährungsüberwachung ab diesem Zeitpunkt abgeben müssen. Zwar bestand gemäß § 462 a Abs. 1 S. 2 StPO grundsätzlich zunächst die Fortsetzungszuständigkeit der Strafvollstreckungskammer in Hagen auch für die weiteren Entscheidungen in dem vorliegenden Verfahren. Diese Zuständigkeit endete jedoch nach dem in der Bestimmung des § 462 a Abs. 4 S. 3 StPO zum Ausdruck kommenden Konzentrationsprinzip mit der Aufnahme des Verurteilten in die Justizvollzugsanstalt Gelsenkirchen. Nach diesem Prinzip ist bereits mit der Aufnahme in die in ihrem Bezirk gelegene Justizvollzugsanstalt die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Essen für alle einer Strafvollstreckungskammer aus anderen Urteilen im Rahmen des § 462 a Abs. 1 StPO obliegenden Entscheidungen zuständig geworden, ohne dass es einer Befassung mit einer bestimmten Entscheidung bedurfte (vgl. OLG Hamburg in NStZ 1987, S. 92 m.w.N.). Die dadurch begründete Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Essen blieb auch für alle weiteren nachträglichen Entscheidungen aus anderen, nämlich dem vorliegenden Verfahren, bestehen, selbst wenn inzwischen, wie hier, die Strafe, aus deren Vollstreckung sich ihre Zuständigkeit abgeleitet hat, erledigt ist (vgl. OLG Hamburg, a.a.O., S. 92). Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass ein nunmehr von der Staatsanwaltschaft Essen bei der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Essen etwa zu stellender Widerrufsantrag nach Sachlage zu einem Zeitpunkt eingeht, in dem diese Strafvollstreckungskammer mit keiner anderen Vollstreckungssache gegen den Verurteilten mehr befasst ist.
Anders wäre die Sachlage gemäß § 462 a Abs. 1 S. 2 StPO nur dann zu beurteilen gewesen, wenn die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Hagen bereits zu dem Zeitpunkt, als der Verurteilte wegen der neuen viermonatigen Strafe in die Justizvollzugsanstalt Gelsenkirchen aufgenommen wurde, mit einem von der Staatsanwaltschaft Essen gestellten Widerrufsantrag befasst gewesen wäre (vgl. BGHSt 30, S. 189). Das war indessen hier, wie sich aus dem dargelegten zeitlichen Ablauf ergibt, nicht der Fall.
Auch der Umstand, dass der Verurteilte inzwischen die zweimonatige Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Essen vom 15. September 1999 im Zuständigkeitsbereich der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bielefeld verbüßt hat, ändert nach dem oben Gesagten an der fortbestehenden Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Essen für den hier beantragten Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung nichts. Denn zu dem Zeitpunkt, als der Widerrufsgrund aktenkundig wurde, war die Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Essen begründet und ihr Befasstsein mit der Sache ist durch eine gebotene Sachentscheidung durch sie noch nicht abgeschlossen. Erst nach der durch sie zu treffenden Sachentscheidung würden die eventuell dann noch zu treffenden Folgeentscheidungen gemäß § 462 a Abs. 4 S. 3 StPO auf die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bielefeld übergehen, die dann durch die zur Zeit letzte Aufnahme zum Strafvollzug in einer Justizvollzugsanstalt ihres Bezirks zuständig geworden wäre.
Danach war der angefochtene Beschluss mangels Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Hagen aufzuheben.
Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens war der für die Sachentscheidung zuständigen Strafvollstreckungskammer - hier des Landgerichts Essen - zu überlassen, da der Senat keine das Verfahren abschließende Entscheidung i.S.d. § 464 Abs. 2 StPO getroffen hat.
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