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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 5 Ws 91/2000 OLG Hamm

Leitsatz: Aus der eindeutigen Formulierung des § 57 Abs. 2 Nr. 2 StGB geht hervor, dass nur solche Gründe zur Bejahung besonderer Umstände führen können, die die Tat oder die Persönlichkeit des Verurteilten betreffen, also tat- oder täterbezogen sind.

Senat: 5

Gegenstand: Beschwerde

Stichworte: Halbstrafe, bedingte Entlassung, lange zurückliegende Verurteilung, Vertrauensschutz, besondere Umstände

Normen: StGB 57 Abs. 2

Beschluss: Strafsache gegen G.C. wegen räuberischer Erpressung u.a. (hier: Ablehnung der Reststrafenaussetzung).

Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten vom 11. April 2000 gegen den Beschluss der VI. Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Dortmund vom 29. März 2000 hat der 5. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 18.05.2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Amtsgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten des Verurteilten als unbegründet verworfen.

Gründe :
I. Das Landgericht Dortmund verurteilte den Verurteilten durch Urteil vom 25. Januar 1983, rechtskräftig seit dem 16. Juli 1983, wegen schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und wegen einer weiteren gefährlichen Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren. Dieser Verurteilung lag zum einen ein Vorfall vom Spätherbst 1978 in Dortmund zugrunde, bei dem der Verurteilte nach den Feststellungen in dem Urteil des Landgerichts Dortmund zusammen mit zwei unbekannten Helfern zwei Inhaber eines Spielcasinos überfallen und diese u.a. unter Verwendung eines mitgeführten Schraubenziehers körperlich misshandelt und nicht unerheblich verletzt hatte in dem Bestreben, den Widerstand der Geschädigten gegen eine vom Verurteilten geforderte "Gewinnbeteiligung" an den Einnahmen des Spielcasinos zu überwinden. Unter dem Eindruck dieses Überfalls erklärten sich die Geschädigten nach den Urteilsfeststellungen bereit, den Verurteilten gegen die Zahlung einer Einlage von 7.000,- bis 8.000,- DM mit 15 bis 20 % am Gewinn zu beteiligen, wobei der Verurteilte aufgrund einer unerwarteten, mit dem Überfall zusammenhängenden vorzeitigen Schließung des Spielcasinos insgesamt lediglich 1.365,- DM sowie die geleistete Einlage zurückgezahlt erhielt.

Bei dem zweiten Vorfall vom 9. Mai 1979, der Gegenstand der Verurteilung vom 25. Januar 1983 war, hatte der Verurteilte in einer Dortmunder Diskothek einem anderen Geschädigten ein abgeschlagenes Bierglas ohne Vorwarnung mit dem scharfen Zackenrand ins Gesicht gestoßen, so dass das Opfer eine heftig blutende Verletzung an der linken Augenbraue und unter dem linken Auge davontrug.

Nachdem der Verurteilte sich in der Zeit vom 29. September 1982 bis zur Rechtskraft des Urteils in Untersuchungshaft befunden hatte, verbüßte er ab dem 16. Juli 1983 Strafhaft in der JVA Hagen, später in der JVA Remscheid. Mit Verfügung des Kreises Soest vom 9. Februar 1984, bestandskräftig seit dem 11. September 1985, wurde er aus dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland mit unbefristeter Dauer ausgewiesen. Aufgrund eines entsprechenden Antrags des Verurteilten sah die Staatsanwaltschaft Dortmund mit Verfügung vom 28. Februar 1986 von der weiteren Vollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafe aus dem Urteil des Landgerichts Dortmund vom 25. Januar 1983 mit Wirkung frühestens zum 28. März 1986 (Zeitpunkt der Verbüßung der Hälfte der Freiheitsstrafe von sieben Jahren) ab und ordnete gleichzeitig die Fortsetzung der Vollstreckung für den Fall der Rückkehr des Verurteilten in die Bundesrepublik Deutschland an. Mit Schreiben der Staatsanwaltschaft Dortmund vom selben Tage wurde der Verurteilte darauf hingewiesen, dass die Vollstreckung des Strafrestes fortgesetzt werden könne, falls er in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zurückkehre.

Aufgrund dieser Entscheidung der Staatsanwaltschaft Dortmund wurde der Verurteilte am 1. April 1986 aus der Strafhaft entlassen und abgeschoben, wobei er bei seiner Entlassung nochmals darüber belehrt wurde, dass er im Falle einer erneuten Einreise nach Deutschland die Reststrafe verbüßen müsste. Unter dem
7. April 1986 erließ die Staatsanwaltschaft Dortmund einen Vollstreckungshaftbefehl gegen den Verurteilten, der unter dem 6. Juli 1989 neu gefasst und mit dem Zusatz versehen wurde, dass eine Festnahme nur bei Wiedereinreise in die Bundesrepublik zu erfolgen habe.

Mit Bescheid vom 6. Mai 1997 befristete der Oberkreisdirektor des Kreises Soest auf Antrag des Verurteilten die Wirkungen der Ausweisungsverfügung vom 9. Februar 1984 und der darauf beruhen Abschiebung auf den 1. Mai 1997.

Am 13. Februar 2000 wurde der Verurteilte mit einer Schussverletzung am Bein, die er sich bei einem Vorfall in einer Dortmunder Pizzeria, dessen Einzelheiten nicht bekannt sind, zugezogen hatte, in die Städtischen Kliniken in Dortmund eingeliefert. Aufgrund der nach wie vor bestehenden Ausschreibung des Verurteilten zur Festnahme wurde er noch am selben Tage festgenommen und in das Justizvollzugskrankenhaus Fröndenberg eingeliefert. Unter dem 17. Februar 2000 stellte der Verteidiger des Verurteilten den Antrag, die Reststrafe aus dem Urteil des Landgerichts Dortmund vom 25. Januar 1983 zur Bewährung auszusetzen, den er mit Schriftsatz vom 28. Februar 2000 näher begründete. Nachdem der Verurteilte am 8. März 2000 in die JVA Dortmund und am 14. März 2000 in die JVA Werl verlegt und dort am 17. März 2000 vom zuständigen Richter der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Dortmund angehört worden war, lehnte die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Dortmund mit dem angefochtenen Beschluss vom 29. März 2000 die Aussetzung der Vollstreckung der Restfreiheitsstrafe zur Bewährung ab. Gegen diesen Beschluss wendet sich die sofortige Beschwerde des Verurteilten vom 11. April 2000.

II. Die gemäß § 454 Abs. 1, 3 StPO, § 57 StGB statthafte und in zulässiger Weise eingelegte sofortige Beschwerde des Verurteilten hat keinen Erfolg, denn im Ergebnis zu Recht hat die Strafvollstreckungskammer eine Aussetzung des Restes der Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Landgerichts Dortmund vom 25. Januar 1983 abgelehnt.

Die Voraussetzungen für eine Reststrafenaussetzung nach der hier allein in Betracht kommenden Regelung des § 57 Abs. 2 Nr. 2 StGB sind nicht erfüllt. Danach kann das Gericht nach Verbüßung der Hälfte einer zeitigen Freiheitsstrafe die Vollstreckung des Restes zur Bewährung aussetzen, wenn die Gesamtwürdigung von Tat, Persönlichkeit des Verurteilten und seiner Entwicklung während des Strafvollzugs ergibt, dass besondere Umstände vorliegen. Solche Umstände sind nach der vorzunehmenden Gesamtwürdigung von Tat und Persönlichkeit des Verurteilten vorliegend nicht zu erkennen. Was die abgeurteilten Taten betrifft, hat die Strafvollstreckungskammer in dem angefochtenen Beschluss zu Recht darauf hingewiesen, dass diese sich nicht zugunsten des Verurteilten von durchschnittlichen, gewöhnlich vorkommenden Taten ähnlicher Art abheben, sondern in ihrer Schwere vielmehr erheblich darüber hinaus gehen. Bei dem Überfall auf die beiden Inhaber des Spielcasinos ist der Verurteilte planvoll und zielgerichtet vorgegangen und hat unter Anwendung erheblicher krimineller Energie und Brutalität sein Ziel, an dem Spielcasino mit zu verdienen und dabei erhebliche Einnahmen zu erzielen, hartnäckig verfolgt, wobei die beiden Casinoinhaber aufgrund der körperlichen Misshandlungen nicht unerhebliche Verletzungen davontrugen. Auch die gefährliche Körperverletzung im Mai 1979 in einer Dortmunder Diskothek zum Nachteil eines weiteren Geschädigten war von einer besonderen Brutalität und Rücksichtslosigkeit des Verurteilten gekennzeichnet, der dem Opfer ohne jegliche Vorwarnung mit einem abgeschlagenen Bierglas eine schwere Gesichtsverletzung zufügte, wobei es nur einem Zufall zu verdanken war, dass der Geschädigte nicht sein Augenlicht verlor.

Der Senat vermag auch in der Persönlichkeit des Verurteilten keine besonderen Umstände i.S.d. § 57 Abs. 2 Nr. 2 StGB zu erkennen. Er wuchs zwar unter ungünstigen familiären Verhältnissen in Italien auf, hielt sich jedoch schon seit Ende der 60er-Jahre in Deutschland auf, wo er einen Geschäftsbetrieb eröffnet hatte. Bereits im März 1979 war der Verurteilte durch eine Körperverletzung strafrechtlich in Erscheinung getreten und er wurde u.a. wegen dieser Tat im Jahr 1980 zu einer Geldstrafe verurteilt. Aus den Gründen des Urteils des Landgerichts Dortmund vom 25. Januar 1983 ergibt sich weiter, dass der Verurteilte in der Hauptverhandlung nur teilgeständig war. So hat er zwar eingeräumt, die beiden Inhaber des Spielcasinos mit einem Schraubenzieher körperlich misshandelt und verletzt zu haben, eine Erpressungsabsicht hat er jedoch ebenso in Abrede gestellt wie die weitere Körperverletzungshandlung in der Dortmunder Diskothek im Mai 1979. Es ist auch nicht erkennbar, dass der Verurteilte sich in der Folgezeit von seinen Taten distanziert und irgendwelche Bemühungen zu einer Schadenswiedergutmachung unternommen hat. Der Umstand allein, dass der Verurteilte nach bisherigen Erkenntnissen in der Zeit zwischen seiner Abschiebung im April 1986 und seiner erneuten Festnahme im Februar 2000 keine weiteren Straftaten in der Bundesrepublik Deutschland begangen hat, hat schon deshalb kein besonderes Gewicht, weil der Verurteilte sich nach eigenem Vorbringen in dieser Zeit nicht in Deutschland, sondern in Belgien aufgehalten hat.

Der Senat verkennt nicht, dass der vorliegende Fall Besonderheiten aufweist, die ihn von den "gewöhnlichen Fällen" unterscheiden, in denen ein Verurteilter in den Genuss der Reststrafenaussetzung gemäß § 57 Abs. 2 StGB kommen möchte. Die Besonderheiten bestehen, worauf der Verurteilte in seiner Antragsbegründung und in seinem Beschwerdevorbringen auch hingewiesen hat, darin, dass die Verurteilung inzwischen mehr als 17 Jahre zurückliegt und es - jedenfalls nach dem ungeprüften Vorbringen des Verurteilten - nur aufgrund besonderer Umstände zu seiner Wiedereinreise in die Bundesrepublik Deutschland gekommen ist, wobei möglicherweise der Verurteilte auch irrtümlich davon ausging, die Reststrafe aus dem Urteil des Landgerichts Dortmund werde nicht mehr vollstreckt. Bei den genannten Besonderheiten, auf die der Verurteilte seinen Antrag hauptsächlich stützt, handelt es sich jedoch weder um tat- noch um täterbezogene Umstände, so dass sie bei der gemäß § 57 Abs. 2 Nr. 2 StGB vorzunehmenden und für die Frage der Reststrafenaussetzung entscheidenden Gesamtwürdigung von Tat und Persönlichkeit des Verurteilten außer Betracht zu bleiben haben. Schon aus der eindeutigen Formulierung des § 57 Abs. 2 Nr. 2 StGB geht hervor, dass nur solche Gründe zur Bejahung besonderer Umstände führen können, die die Tat oder die Persönlichkeit des Verurteilten betreffen, also tat- oder täterbezogen sind (vgl. Senat, Beschluss vom 28.01.1999 - 5 Ws 25/99 -). Dementsprechend sind im Rahmen der insoweit vorzunehmenden Gesamtwürdigung beispielsweise gemachte Zusagen, auf die der Verurteilte vertraut hat, die dann aber nicht eingehalten werden konnten, unbeachtlich (vgl. OLG Hamm, a.a.O.; Schönke-Schröder-Stree, StGB, 25. Aufl., § 57 Rdnr. 23 b m.w.N.). Dementsprechend haben Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes bei der Prüfung der besonderen Umstände gemäß § 57 Abs. 2 Nr. 2 StGB ebenso außer Betracht zu bleiben wie ein langer Zeitablauf zwischen Tatbegehung, Verurteilung und (weiterer) Vollstreckung. Im Übrigen ergibt sich bereits aus der Wertung des Gesetzgebers, wie sie in den Vorschriften über die Vollstreckungsverjährung (§§ 79 ff. StGB) deutlich geworden ist, dass bei einer Freiheitsstrafe von mehr als fünf und bis zu 10 Jahren die Vollstreckung unter Zeitablaufgesichtspunkten nur dann aufgrund eines Vollstreckungshindernisses zu unterbleiben hat, wenn seit der Rechtskraft der Entscheidung mindestens 20 Jahre vergangen sind.

Soweit der Verurteilte in seiner Beschwerdebegründung darauf hinweist, dass die Strafvollstreckungsbehörde bereits bei ihrer Entscheidung über das Absehen der weiteren Vollstreckung gemäß § 456 a StPO im Februar 1986 zum Ausdruck gebracht habe, dass es wichtige Gründe für eine Außervollzugsetzung der Reststrafe gegeben habe, kann dieser Argumentation nicht gefolgt werden. Das Absehen von der weiteren Vollstreckung erfolgte nur im Hinblick auf die Ausweisung und stand im Übrigen unter dem ausdrücklichen Vorbehalt, dass die Vollstreckung nachgeholt wird, sofern der Verurteilte in die Bundesrepublik Deutschland zurückkehrt.

Die von dem Verurteilten behaupteten besonderen Umstände der Wiedereinreise und Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes mögen im Rahmen der Ermessensentscheidung der Strafvollstreckungsbehörde, die Vollstreckung gemäß § 456 a Abs. 2 StPO auch jetzt noch nachzuholen, zu berücksichtigen und ggf. zu überprüfen sein, sie vermögen aber nicht der Beschwerde gegen den angefochtenen Beschluss der Strafvollstreckungskammer, der sich nur mit der Frage des § 57 Abs. 2 Nr. 2 StGB befasst, zum Erfolg zu verhelfen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO.


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