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Rechtsprechung


Aktenzeichen: 4 BL 60/00 OLG Hamm

Senat: 4

Gegenstand: Haftprüfung durch das Oberlandesgericht, BL 6

Stichworte: wichtiger Grund, verfahrensbedingte Verzögerungen, zu späte Beauftragung eines Sachverständigen, Versäumnisse haben nicht zu einer Verzögerung geführt

Normen: StPO 121, StPO 122


Beschluss: Strafsache gegen G.I.,
wegen Mordes,
hier: Haftprüfung durch das Oberlandesgericht.

Auf die Vorlage des Haftprüfungsheftes zur Entscheidung nach §§ 121, 122 StPO hat der 4. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 25.05.2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft, des Verteidigers und des Angeklagten beschlossen:

Die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus wird angeordnet.

Die Haftprüfung für die nächsten drei Monate wird dem nach den allgemeinen Vorschriften dafür zuständigen Gericht übertragen.

Gründe:
Der Angeklagte ist in der vorliegenden Sache nach Auslieferung durch die belgischen Behörden am 25. November 1999 polizeilich festgenommen und aufgrund des Haftbefehls des Amtsgerichts Detmold vom 12. Januar 1993 - 4 Gs 17/93 -, durch den der zuvor ergangene Haftbefehl des Amtsgerichts Detmold vom 21. August 1992 neu gefasst worden war, zur Untersuchungshaft gebracht worden, die seitdem ununterbrochen vollzogen wird. Die Untersuchungshaft dauert damit seit nunmehr über sechs Monaten an.

Mit dem genannten Haftbefehl wird dem Angeklagten zur Last gelegt, am 12. August 1992 in Kalletal gemeinschaftlich mit den gesondert verfolgten albanischen Staatsangehörigen B.M. und Y.D. ihren Zimmermitbewohner im Asylantenheim in Kalletal-Stemmen, B.D., vorsätzlich und heimtückisch getötet zu haben. M. soll dazu das Tatopfer nach einem vorangegangenen Streit zu einem angeblich klärenden Gespräch bei einem Spaziergang gelockt haben. Dabei soll der Angeklagte I. dem Tatopfer aus einem Versteck heraus von hinten mit einem Holzscheit mehrere Schläge auf den Kopf versetzt haben, die zu schweren Schädelbrüchen und Einblutungen unter die Hirnhäute führten. Außerdem sollen dem Tatopfer drei Messerstiche in den Rücken versetzt worden sein, an denen es letztlich verstarb. Als Haftgrund hat das Amtsgericht die Schwere der Tat (§ 112 Abs. 3 StPO) und zudem Flucht (§ 112 Abs. 2 Nr. 1 StPO) bejaht. Die Schwurgerichtskammer des Landgerichts hat bei Eröffnung des Hauptverfahrens unter dem 10. April 2000 die Fortdauer der Untersuchungshaft "aus den Gründen der Anordnung” beschlossen.

Dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft entsprechend war die weitere Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft des Angeklagten über sechs Monate hinaus anzuordnen. Er ist des ihm zur Last gelegten Tatgeschehens nach dem Ergebnis der bisherigen kriminalpolizeilichen Ermittlungen dringend verdächtig. Der dringende Tatverdacht gründet sich insbesondere auf die geständigen Angaben des früheren Mitbeschuldigten M., der ebenso wie der frühere Mitbeschuldigte D. durch das Schwurgericht Detmold am 1. Februar 1993 wegen Beihilfe zum Mord zu einer langjährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden ist. Das Urteil ist rechtskräftig. Die Aussage des Zeugen M. wird auch noch durch weitere Ermittlungsergebnisse erhärtet, so dass der Angeklagte i.S. der Vorwürfe, die Gegenstand des amtsgerichtlichen Haftbefehls sind, schwer belastet wird.

Mit dem Vorwurf des Haftbefehls identisch ist die Anklage der Staatsanwaltschaft Detmold vom 14. Februar 2000, die das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen zutreffend zusammenfasst. Sie ist dem Angeklagten und seinem Verteidiger zugestellt und durch Beschluss des Schwurgerichts Detmold vom 10. April 2000 zur Hauptverhandlung zugelassen worden. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird deshalb wegen des dringenden Tatverdachts ergänzend auch auf den Inhalt der Anklageschrift Bezug genommen.

Bei dem Angeklagten besteht auch weiterhin der Haftgrund der Schwere der Tat (§ 112 Abs. 3 StPO) und nunmehr nicht mehr derjenige der Flucht (§ 112 Abs. 2 Nr. 1 StPO), sondern Fluchtgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO), denn es besteht die konkrete Gefahr, dass sich der Angeklagte dem Verfahren durch Flucht entzieht, würde er freigelassen. Nach den kriminalpolizeilichen Ermittlungen ist der Angeklagte nach der Tat in seine Heimat geflüchtet. Rund acht Jahre lang wurde vergeblich nach ihm gefahndet. Erst am 4. November 1999 konnte er durch die belgischen Behörden festgenommen und in Auslieferungshaft genommen werden. Nachdem er sich mit der vereinfachten Auslieferung einverstanden erklärt hatte, ist er am 25. November 1999 den deutschen Strafverfolgungsbehörden überstellt worden. Er hat wegen der ihm zur Last gelegten Tatbeiträge mit einer hohen, möglicherweise lebenslangen Freiheitsstrafe zu rechnen, was für ihn einen beträchtlichen Fluchtanreiz begründet. Dem stehen keine sozialen Bindungen in der Bundesrepublik Deutschland gegenüber.

Auf diesem Hintergrund sind weniger einschneidende Maßnahmen als die Anordnung und auch der Vollzug der Untersuchungshaft (§ 116 StPO) ersichtlich nicht ausreichend, um die Fluchtgefahr wirksam einzudämmen.

Der bisherige Vollzug der Untersuchungshaft steht nicht außer Verhältnis zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Bestrafung.

Die besonderen Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus sind gleichfalls noch gegeben. Das Ermittlungsverfahren war im Zeitpunkt der Festnahme des Angeklagten mit Ausnahme der ausstehenden verantwortlichen Vernehmung und seiner psychiatrischen Untersuchung auf seine strafrechtliche Verantwortlichkeit abgeschlossen. Im wesentlichen verfahrensbedingte Umstände haben den Abschluss des Verfahrens jedoch noch nicht zugelassen.

Nachdem sich nach der Festnahme für den Angeklagten Rechtsanwalt Dr. R. als Verteidiger gemeldet und die Gewährung von Akteneinsicht begehrt hatte, war zunächst abzuwarten, ob für den Angeklagten eine Einlassung abgegeben werden sollte. Außerdem ist - noch zeitnah mit der Verhaftung des Angeklagten - veranlasst worden, den Aufenthalt der Zeugen M. und D. zu ermitteln, die nach Teilverbüßung der gegen sie verhängten Freiheitsstrafen in ihr Heimatland Albanien abgeschoben worden waren. Die Anklage ist sodann unter dem 14. Februar 2000 verfasst worden. Nach der Aktenlage kaum nachvollziehbar ist zwar, warum erst am 14. Februar 2000 der Sachverständige Dr. S. mit der Erstellung eines psychiatrischen Gutachtens zur Schuldfähigkeit und zur eventuellen Unterbringung des Angeklagten beauftragt worden ist. Der Senat kann jedoch vorliegend aufgrund des weiteren Verfahrensablaufs ausschließen, dass es aufgrund der späten Beauftragung des Sachverständigen zu einer mehr als nur unwesentlichen Verzögerung des Verfahrens gekommen ist. Ebenfalls nicht unbedenklich ist, dass das Bundeskriminalamt Wiesbaden und das Landeskriminalamt Düsseldorf erst am 12. April 2000 an die Erledigung des Ersuchens zur Aufenthaltsermittlung hinsichtlich der beiden Zeugen M. und D. erinnert worden sind. Aber auch insoweit ist eine ursächlich eingetretene Verfahrensverzögerung, insbesondere eine dadurch veranlasste Verschiebung des Termins zur Hauptverhandlung, nicht feststellbar.

Das gerichtliche Verfahren ist bisher unter Beachtung des Beschleunigungsgebotes in Haftsachen hinreichend gefördert worden. Nach Mitteilung der Anklageschrift unter Gewährung einer angemessenen Stellungnahmefrist ist die Anklage am 10. April 2000 zur Hauptverhandlung zugelassen worden. Zugleich ist Hauptverhandlung auf den 7. Juni 2000 bestimmt worden. Ein früherer Beginn der Hauptverhandlung scheiterte an der terminlichen Verhinderung des Verteidigers.

Wenn unter diesen Umständen das Verfahren noch nicht abgeschlossen werden konnte, so beruht das auf wichtigen Gründen i.S.v. § 121 Abs. 1 StPO, die ein Urteil noch nicht zugelassen haben, es andererseits aber noch rechtfertigen, die auch vom Schwurgericht für erforderlich erachtete Untersuchungshaft des Angeklagten über sechs Monate hinaus aufrechtzuerhalten.

Die Nebenentscheidung folgt aus § 122 Abs. 3 Satz 3 StPO.


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