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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 2 Ws 29/99 OLG Hamm

Leitsatz: Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Rechtsschutz gegen richterliche Durchsuchungsanordnungen gebietet es nicht, im Fall einer durch die Verurteilung des Angeklagten gegenstandslos gewordenen weiteren Haftbeschwerde, den zugrundeliegenden Haftbefehl trotz der Gegenstandslosigkeit auf seine Rechtmäßigkeit zu prüfen (Fortführung von Senat NJW 1999, 229).

Senat: 2

Gegenstand: Beschwerde

Stichworte: weitere Haftbeschwerde, prozessual überholt, gegenstandslos, effektiver Rechtsschutz, tiefgreifender Grundrechtseingriff

Normen: StPO 112, StPO 310

Beschluss: Strafsache gegen Y.E. wegen unerlaubten Handeltreibens mit BtM (hier: weitere Haftbeschwerde .

Auf die weitere Beschwerde des früheren Angeklagten vom 8. Dezember 1998 gegen den Beschluss der 1. auswärtigen großen Strafkammer Recklinghausen des Landgerichts Bochum vom 26. November 1998 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 08.02.1999 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Amtsgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Die Beschwerde ist gegenstandslos.

Gründe:
I. Gegen den Beschwerdeführer, der am 31. Juli 1998 vorläufig festgenommen und der bereits zuvor als Y.D. erkennungsdienstlich behandelt worden war, wurde am 1. August 1998 vom Amtsgericht Recklinghausen ( 31 Gs 100/98 ) Haftbefehl wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln erlassen. Am 21. September 1998 hat die Staatsanwaltschaft Bochum Anklage vor dem Schöffengericht Recklinghausen erhoben. E. wurde unter dem am 14. April 1977 geborenen Namen D. angelastet, im Juli 1998 in Recklinghausen durch neun selbständige Handlungen jeweils unerlaubt und gewerbsmäßig mit Betäubungsmitteln Handel getrieben zu haben. Am 2. Oktober 1998 hat das Schöffengericht Recklinghausen diese Anklage zugelassen und Haftfortdauer angeordnet, ohne allerdings den sich nur auf eine Handlung erstreckenden Haftbefehl an die Vorwürfe der Anklage anzupassen. Im Hauptverhandlungstermin vom 22. Oktober 1998 erklärte der Beschwerdeführer, er heiße E. und sei am 10. November 1980 geboren. Daraufhin erklärte sich das Schöffengericht in Recklinghausen für sachlich unzuständig und verwies die Sache an das Jugendschöffengericht.

Den Antrag vom 26. Oktober 1998, einen Haftprüfungstermin anzuberaumen, lehnte das Jugendschöffengericht am 28. Oktober 1998 ab. Gegen diese Entscheidung richtete sich die am 18. November 1998 eingelegte Beschwerde. Zum einen wendet sich der Beschwerdeführer gegen die Ablehnung der Anberaumung eines Haftprüfungstermins, zum anderen gegen den Haftbefehl, der für unverhältnismäßig angesehen wird. Diese Rechtsmittel hat das Landgericht Bochum am 26. November 1998 durch den angefochtenen Beschluss zurückgewiesen. Wegen der Gründe wird auf den Inhalt dieses Beschlusses Bezug genommen.

Hiergegen wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner weiteren Beschwerde vom 8. Dezember 1998, der das Landgericht Bochum am 13. Januar 1999 nicht abgeholfen hat. Nach seiner Auffassung habe das Landgericht nicht über seine Haftbeschwerde, sondern nur über die Ablehnung der Anberaumung eines Haftprüfungstermins entschieden und er halte überdies auch die angefochtene Entscheidung selbst für rechtswidrig.

Am 22. Dezember 1998 ist der Beschwerdeführer vom Jugendschöffengericht Recklinghausen zu einer Jugendstrafe von einem Jahr verurteilt worden. Die Vollstreckung der Jugendstrafe wurde zur Bewährung ausgesetzt. Der Haftbefehl wurde aufgehoben. Das Urteil ist rechtskräftig.

Der Verurteilte, der an seiner weiteren Beschwerde festhält, vertritt die Auffassung, dass er aufgrund der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Zulässigkeit von Beschwerden bei erledigten Durchsuchungsmaßnahmen weiterhin einen Anspruch auf eine Entscheidung habe.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die weitere Haftbeschwerde für gegenstandslos zu erklären.

II.
Diesem Antrage der Generalstaatsanwaltschaft war stattzugeben. Die nach § 310 Abs. 1 StPO eingelegte weitere Beschwerde ist nach Aufhebung des Haftbefehls prozessual überholt und damit gegenstandslos geworden.

Problematisch ist zunächst, ob die weitere Beschwerde gegen die Ablehnung der Anberaumung eines Haftprüfungstermins nicht, wozu der Senat neigt, überhaupt unzulässig ist. Von dem Regelungsgehalt des § 310 StPO werden nämlich allein solche Entscheidungen erfasst, die unmittelbar darauf gerichtet sind, ob der Beschwerdeführer in Haft zu nehmen oder zu halten war (vgl. BGHSt 26, 270, 271; Engelhardt in KK, 3. Aufl., § 304 Rdnr. 7). Eine Entscheidung des Senats zu dieser Frage war indessen nicht zu treffen. Denn die hilfsweise erhobene Haftbeschwerde, über die eine Abhilfeentscheidung des nach § 126 Abs. 2 Satz 1 StPO zuständigen Amtsgerichts noch nicht vorliegt, war zwar statthaft, ist aber prozessual überholt und damit gegenstandslos. Deshalb war diese Sache nicht mehr an das Amtsgericht - Jugendschöffengericht - Recklinghausen zurückzuverweisen.

Der Senat hat bereits mit Beschlüssen vom 4. August 1998 und vom 1. Oktober 1998 (2 Ws 351/98 = NJW 1999, 229) in dem von dem Beschwerdeführer angesprochenen Fragenbereich in einem Verfahren, an dem im übrigen einer von dessen Verteidigern beteiligt gewesen ist, entschieden, dass auch unter Berücksichtigung der Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts im Beschluss vom 30. April 1997 ( NJW 97, 2163 ) für den Fall der Erledigung eines Haftbefehls, dort nach § 230 StPO, durch die Durchführung der Hauptverhandlung die weitere Beschwerde gegenstandslos geworden ist und dazu folgendes ausgeführt:

  • Bundesverfassungsgericht hat zur Frage des Rechtsschutzes in Fällen erledigter richterlicher Durchsuchungsanordnungen unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung ausgeführt, das aus Art. 19 Abs. 4 GG folgende Erfordernis eines effektiven Rechtsschutzes gebe dem Betroffenen das Recht, in Fällen tiefgreifender, tatsächlich jedoch nicht mehr fortwirkender Grundrechtseingriffe auch dann die Berechtigung des Eingriffs gerichtlich klären zu lassen, wenn die direkte Belastung durch den angegriffenen Hoheitsakt sich nach dem typischen Verfahrensablauf auf eine Zeitspanne beschränke, in welcher der Betroffene die gerichtliche Entscheidung in der von der Prozessordnung gegebenen Instanz kaum erlangen könne. Effektiver Grundrechtsschutz gebiete es, dass der Betroffene Gelegenheit erhalte, die Berechtigung schwerwiegender - wenn auch tatsächlich nicht mehr folgender - Grundrechtseingriffe (fach-) gerichtlich klären zu lassen. Die Funktionenteilung zwischen der Fach- und Verfassungsgerichtsbarkeit lasse es nicht zu, dass ein Beschwerdeführer, der von einem seiner Natur nach alsbald erledigten Eingriff schwerwiegend im Schutzbereich eines individuellen Grundrechts betroffen sei, erst und nur im Wege der Verfassungsbeschwerde effektiven Grundrechtsschutz einfordern könne.
  • der Grundlage dessen lässt der vorliegende Fall die Verletzung des Anspruchs des Angeklagten auf einen effektiven Grundrechtsschutz im Wege einer fach- = strafgerichtlichen Prüfung nicht erkennen.
  • Gegensatz zu einer richterlichen Durchsuchungsanordnung, die vor ihrer Erledigung wegen der allgemein nur kurzfristigen Natur einer solchen Durchsuchungsmaßnahme in aller Regel keiner weiteren rechtlichen Prüfung zugänglich ist, hat ein Angeklagter im Falle seiner Festnahme aufgrund eines Haftbefehls gemäß § 230 Abs. 2 StPO bereits bei der Verkündung des Haftbefehls Gelegenheit, sich gegen die Haftanordnung zu wenden und im Falle des Vorhandenseins genügender Entschuldigungsgründe für sein Ausbleiben im Hauptverhandlungstermin seiner Inhaftierung zu entgehen. Ihm steht auch im weiteren Verlauf das Recht der Beschwerde sowie der weiteren Beschwerde zu.
  • Forderung des Bundesverfassungsgerichts, dass effektiver Grundrechtsschutz nicht erst und nur im Wege der Verfassungsbeschwerde gegeben sein dürfe, sondern bereits zuvor im Wege fachgerichtlicher Prüfung zu erfolgen habe, ist damit vollständig Genüge getan."

Diese Ausführungen treffen in vollem Umfang auf die Aufhebung eines nach § 112 StPO erlassenen Haftbefehls zu, so dass die weitere Beschwerde für gegenstandslos zu erklären war.


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