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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 2 Ws 579/98 OLG Hamm

Leitsatz: Während ein Verwerfungsurteil nach § 329 Abs. 1 StPO bei Anhaltspunkten für eine eventuelle Entschuldigung unter Umständen erst nach Durchführung von Ermittlungen durch das Berufungsgericht ergehen darf, hat der Angeklagte selbst sein Vorbringen im Rahmen der nach §§ 329 Abs. 3, 45 StPO begehrten Wiedereinsetzung durch Beibringung von geeigneten Beweismitteln glaubhaft zu machen.

Senat: 2

Gegenstand: Beschwerde

Stichworte: Berufungsverwerfung, Ausbleiben des Angeklagte, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, genügende Entschuldigung, Glaubhaftmachung

Normen: StPO 329, StPO 44, StPO 45

Fundstelle: Vrs 96, 440

Beschluss: Strafsache gegenO.A. wegen versuchten Diebstahls, (hier: Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungshauptverhandlung).

Auf die sofortige Beschwerde des Angeklagten vom 23. November 1998 gegen den Beschluss der IV. Strafkammer - Jugendkammer - des Landgerichts Dortmund vom 09. November 1998 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 14.12.1998 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Landgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten des Beschwerdeführers verworfen.

Gründe:
Das Landgericht Dortmund hat mit Urteil vom 22. Oktober 1998 die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts - Jugendschöffengerichts - in Hamm vom 02. Juli 1998, durch das er wegen versuchten Diebstahls unter Einbeziehung eines weiteren Urteils zu einer Einheitsjugendstrafe von 2 Jahren verurteilt worden ist, nach § 329 Abs. 1 StPO verworfen, weil der Angeklagte zum Berufungshauptverhandlungstermin trotz ordnungsgemäßer Ladung unentschuldigt nicht erschienen war.

Der Angeklagte hat mit anwaltlichem Schreiben noch vom 22. Oktober 1998 die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 329 Abs. 3 StPO beantragt und zur Begründung unter Vorlage der Fotokopie einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorgetragen, er sei am 21. Oktober 1998 an "Lungenentzündung/Bronchitis (so die Diagnose des ihn später untersuchenden Arztes)" erkrankt, so dass er am folgenden Tag den Arzt aufsuchen musste, von dem er zunächst für eine Woche arbeitsunfähig krankgeschrieben worden sei und Medikamente zur Herbeiführung der Wiedergenesung erhalten habe. Ihm könne daher wegen seines Ausbleibens kein Vorwurf gemacht werden.

Das Landgericht hat durch den angefochtenen Beschluss den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen mit der Begründung, die behauptete Erkrankung "Lungenentzündung/Bronchitis" sei nicht in hinreichender Weise glaubhaft gemacht worden. Insbesondere reiche hierfür die eingereichte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, der zudem eine Diagnose nicht zu entnehmen sei, nicht aus, da Arbeitsunfähigkeit nicht ohne weiteres bedeute, dass der Angeklagte nicht in der Lage gewesen sei, vor Gericht zu erscheinen. Zudem begründe der Umstand, dass der Angeklagte vor dem Termin weder selbst noch über Dritte versucht habe, das Gericht oder seinen Verteidiger über eine mögliche Verhinderung in Kenntnis zu setzen, erhebliche Zweifel an der Glaubhaftigkeit seines Vortrags.

Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde des Angeklagten ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.

Gemäß 329 Abs. 3 i. V. m. § 44 S. 1 StPO ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn der Betroffene ohne Verschulden gehindert war, eine Frist bzw. einen Termin einzuhalten und hierfür Tatsachen zur Begründung darlegt, die nach § 45 Abs. 2 S. 1 StPO glaubhaft zu machen sind. Daran fehlt es hier jedoch.

Arbeitsunfähigkeit ist nicht gleichzusetzen mit Verhandlungsunfähigkeit, zumal insoweit - wie die Strafkammer im angefochtenen Beschluss zutreffend ausgeführt hat - je nach Art der Erkrankung, Beruf und Tätigkeitsbild durchaus Arbeitsunfähigkeit vorliegen kann, der Angeklagte aber gleichwohl nicht gehindert wäre, einen Gerichtstermin wahrzunehmen.

Ungeachtet dieser Hinweise im angefochtenen Beschluss zur Notwendigkeit der Glaubhaftmachung der Erkrankung und der Verhandlungsunfähigkeit hat der Angeklagte auch in seiner Beschwerde hierzu nichts vorgetragen oder Beweismittel zur Glaubhaftmachung vorgelegt. Soweit er der Ansicht ist, bei der Beurteilung des Rechtsbegriffs der nicht genügenden Entschuldigung komme es darauf an, ob der Angeklagte tatsächlich entschuldigt ist und nicht ob er sich genügend entschuldigt hat, verkennt er, dass dies lediglich im Rahmen einer Revision von Bedeutung ist, nicht aber im Rahmen einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, bei der es auf die Glaubhaftmachung des Vortrags durch den Antragsteller ankommt.

Während ein Verwerfungsurteil nach § 329 Abs. 1 StPO bei Anhaltspunkten für eine eventuelle Entschuldigung unter Umständen erst nach Durchführung von Ermittlungen, auch solcher im Freibeweis, ergehen darf, hat der Angeklagte selbst sein Vorbringen im Rahmen der §§ 329 Abs. 3, 45 StPO durch Beibringen von geeigneten Beweismitteln glaubhaft zu machen. Insoweit ist nicht etwa das Gericht von Amts wegen zur Erhebung von Beweisen
verpflichtet. Die vom Angeklagten in seiner Beschwerde zitierte Rechtsprechung (vgl. u.a. auch seinen Hinweis auf Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 43. Aufl., § 329 Rdnr. 19 u. 26 m.w.N.) betrifft jedoch nur den erstgenannten Fall des § 329 Abs. 1 StPO).

Hier hat der Angeklagte aber weder einen Sachverhalt ausreichend vorgetragen, der ihm aufgrund einer Erkrankung sein Erscheinen unmöglich oder zumindest - auch aus seiner Sicht - unzumutbar gemacht hätte, noch hat er sein Vorbringen über die Erkrankung und die Art der Erkrankung hinreichend glaubhaft gemacht, obwohl ihm das - insbesondere nach Kenntnis des angefochtenen Beschlusses - z. B. durch eine Erklärung seines Arztes möglich und zumutbar gewesen wäre. Wie die Strafkammer hat auch der Senat daher verbleibende Zweifel daran, dass der Angeklagte den Berufungshauptverhandlungstermin ohne eigenes Verschulden (§ 44 Satz 1 StPO) versäumt hat.

Danach war die sofortige Beschwerde mit der sich aus § 473 Abs. 1 StPO ergebenden Kostenfolge zu verwerfen.


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